Von: mk
Bozen – Am Sonntag, den 19. März hebt sich der Vorhang für das vielschichtige Programm Oper 2023, das die Stiftung Haydn von Bozen und Trient der zeitgenössischen Oper und genreübergreifenden Veranstaltungen widmet. Gleich zu Beginn wird im Stadttheater Bozen ein einzigartiges Projekt, das bei seiner Uraufführung im Jahr 2021 im Wiener Akademietheater einen Sturm der Begeisterung entfachte. Im Rampenlicht stehen dabei zwei Künstlerpersönlichkeiten, die seit jeher zwischen den Welten des Pop, der klassischen Musik und der Experimentalkunst hin und her wandeln: Der Leadsänger der österreichischen Alternativ-Rock-Band Naked Lunch Oliver Welter und die Pianistin und Performerin Clara Frühstück. Gemeinsam präsentieren die beiden eine kühne Pop-Interpretation für Klavier und Gesang, die auf dem berühmtesten Liederzyklus der Romantik basiert: der Winterreise von Franz Schubert.
Das Duo entlehnt Schuberts Meisterwerk, das 1827 nach Gedichten von Wilhelm Müller entstand, um eine ebenso mutige wie respektvolle Dekonstruktion der 24 Stücke vorzunehmen. „Die enge Verknüpfung zwischen dem romantischen Lied und der modernen Pop-Ballade kommt dank der beiden Protagonisten dieser unglaublichen Reise klar zum Vorschein“, unterstreicht der künstlerische Leiter Matthias Lošek. „Daraus entsteht eine radikale und berührende Neuinterpretation, ein echter Meilenstein in der Rezeption dieses Meisterwerks: Die perfekte Veranstaltung, um unser Programm zu eröffnen.”
Die Auseinandersetzung mit dem Liederzyklus Winterreise, welcher dank seiner thematischen Tiefe und seiner komplexen Gedankenfülle nicht umsonst als eines der meistgespielten Werke der klassischen Musik und als Kulturdenkmal der westlichen Welt gilt – führte die beiden Kunstschaffenden auf eine Expedition aus Aneignung, Neuinterpretation und Neukomposition, die mehr als eineinhalb Jahre dauern sollte.
Auf nie gehörte Art verdichtet die Oliver Welter die Qualen des Protagonisten, jenes Helden, dem die Liebe verwehrt bleibt und der ziellos eine kalte und feindliche Winterlandschaft durchwandert, das Spiegelbild seiner inneren Einsamkeit. In Verbindung mit den Klängen der Pianistin Clara Frühstück, die ungeachtet ihrer klassischen Ausbildung stets offen für jede Art von Crossover ist wagt das Duo eine couragierte Umformung des musikalischen Stoffes und fördert so seine Pop-Struktur zu Tage. Aus Ableitungen und ständigen Metamorphosen ersteht etwas unerhört Neues, dem gleichwohl von der ersten bis zur letzten Sekunde das Gefühl fiebriger Unruhe und Melancholie innewohnt, das den gesamten Zyklus der Winterreise durchzieht.
„Übersetzt in Musik“, stellt der Journalist und Musiker Fritz Ostermayer fest, „barg Der Lindenbaum bereits die Möglichkeit in sich, vom deutschen Volkslied zum Folksong mit Fingerpicking-Gitarre zu mutieren. Ebenso können die von Schubert ohnehin schon forcierten repetitiven Elemente der Lieder so weit auf die Spitze getrieben werden, bis sich Oliver Welter nur noch in die Zeile Ein Licht tanzt verbeißt. Oder Clara Frühstück bei den Proben plötzlich draufkommt, dass ein spezifisch hohler Synthsound die existenzielle Leere weit besser auszudrücken vermag als der Klang ihres Bösendorfers und ein über den Klavierakkorden schwebender David Lynch-Gitarrenhall die Stimmung vergeblicher Sehnsucht auf das Traurigste verstärken kann.“
Unter der Ägide von Clara Frühstück und Oliver Welter verwandeln sich die vierundzwanzig Lieder in eine vollkommen neue Klangerfahrung, die mitnichten eine verjazzte Version oder der Versuch eines aufpolierten Originals ist, sondern vielmehr eine zärtliche Umdeutung der Lieder in Pop-Balladen von existenzieller Wucht, die über den Ozean der Zeit hinweg den Weg zu uns gefunden haben.
Einzelkarten und Abonnements an den Vorverkaufsstellen und der Kasse des Stadttheaters Bozen erhältlich.
Weitere Informationen unter www.haydn.it