Für Tomasz Konieczny ist die Waldoper Sopot eine Herzensangelegenheit

Wotan-Ikone Konieczny als Intendant: “Wagner ist mein Leben”

Mittwoch, 03. Juli 2024 | 05:01 Uhr

Von: apa

Waldoper und Walhalla: Der Bayreuther Wotan Tomasz Konieczny könnte heuer das fliegende Pferd Grane gut gebrauchen, singt der 52-jährige Pole mit österreichischer Doppelstaatsbürgerschaft doch nicht nur am Grünen Hügel, sondern ist zum zweiten Mal in Folge auch Intendant des Baltic Opera Festivals im polnischen Kurort Sopot. Zwischen 20. und 25. Juli finden dort auf der Freiluftbühne vor rund 5.000 Menschen Opernfestspiele der besonderen Art statt.

Neben dem “Fliegenden Holländer”, der bereits 2024 zu sehen war und in dem der Intendant auch die Titelpartie singt, hat man heuer eine “Turandot” von Jahresjubilar Giacomo Puccini programmiert. Humperdincks “Hänsel und Gretel” erklingt ebenso wie ein besonderes Solidaritätskonzert des Ukrainischen Freiheitsorchesters mit Beethovens 9. Symphonie. Die APA sprach aus diesem Anlass mit Tomasz Konieczny über den Einfluss der Pandemie auf seine Lebensplanung, Wagners Musik in Polen und das Baden in Schönheit.

APA: Sie sind heuer bereits im zweiten Jahr künstlerischer Leiter des Baltic Opera Festivals, das Sie gleichsam aus der Taufe gehoben haben. Wie kam es zur Idee von Festspielen auf der Waldoper?

Tomasz Konieczny: Ich bin ein sehr stolzer Pole. Und das Ganze ist während der Pandemie losgegangen, als alle Opernsänger arbeitslos waren und man nach Auftrittsmöglichkeiten gesucht hat. Damals ist mir die Freiluftoper in Sopot eingefallen, wo ich schon einmal konzertant im “Rheingold” gesungen habe. Die Bühne ist ein echter Schatz! Und es gibt einen Orchestergraben, der noch von Deutschen vor dem Zweiten Weltkrieg gebaut wurde.

APA: Sie sind also nicht von den Verantwortlichen geholt wurden, sondern haben selbst die Initiative ergriffen?

Konieczny: Das war alleine meine Idee. Aber bis zur Pandemie hatte ich nie daran gedacht, Intendant zu werden. Ich habe ja eigentlich keine Zeit, so etwas zu organisieren und singe jetzt parallel den Wotan in Bayreuth oder in der “Fanciulla del West” an der Berliner Staatsoper Unter den Linden. Aber ich bin von der Waldoper einfach begeistert gewesen.

APA: Wie würden Sie das Profil des Baltic Opera Festivals umreißen? Ein dezidiertes Wagner-Festival ist Ihr Projekt ja nicht …

Konieczny: Die Waldoper Zoppot ist 1909 entstanden, und hier wurde anfangs Romantische Oper gespielt, nicht Wagner. Ich beziehe mich auf diese Tradition. Aber die Akustik eignet sich hervorragend, um Wagner zu spielen. Davon hätte Wagner geträumt. Aber es geht nicht nur um Wagner. Puccini ist einer meiner Lieblingskomponisten schlechthin, deshalb haben wir heuer die “Turandot” im Programm, die hervorragend nach Sopot passt.

APA: Zugleich ist es durchaus Ihr Anspruch, Wagner in Polen zu spielen …

Konieczny: Ich bin Wagnerianer. Ich liebe seine Musik oder auch die von Strauss. Wagner ist quasi mein Lebenswerk, und diese Musik möchte ich dem polnischen Publikum näherbringen. Das funktioniert im regulären Opernbetrieb nicht, unter anderem, weil der Oper in Polen sehr viel weniger Geld zur Verfügung gestellt wird. Aber bei meinem Festival ist das möglich, was einer der Hauptgründe ist, weshalb ich hier fortsetzen möchte.

APA: Die politische Unterstützung dafür haben Sie?

Konieczny: Wir hatten ja einen Regierungswechsel von der PiS zu der von Donald Tusk geführten Bürgerkoalition. Ich finde die Regierung, die jetzt im Amt ist, viel besser für Polen. Aber es sind doch neue Leute in Amt und Würden, mit denen man sich jetzt wieder neu abstimmen muss. Entsprechend knapp war heuer die Planungszeit. Erst Anfang Mai haben wir mit dem Ministerium den Vertrag fixieren können! Und einer unserer Hauptsponsoren, der polnische Erdölkonzern Orlen, ist auch sehr kurzfristig an Bord gekommen, was sehr wichtig für uns war.

APA: Wie sehr darf und soll die Politik eine Rolle bei den Festspielen spielen?

Konieczny: Ich möchte das Festival keinesfalls als politisch verstanden wissen. Aber natürlich ist es ein Statement, dass das Ukrainische Freiheitsorchester bei uns am 23. Juli in der Crist Werft in Gdynia auf Ukrainisch die 9. Symphonie Beethovens spielt. Hier hat Lech Wałęsa die Schirmherrschaft übernommen. Dafür werden für drei Tage 3.500 Werftarbeiter beurlaubt. Solidarität mit denen zu zeigen, denen Unrecht angetan wurde, ist etwas anderes als Politik.

APA: Das Baltic Opera Festival ist langfristig angelegt?

Konieczny: Ja, aber es muss künftig eine mehrjährige Finanzierung geben. Wir können uns nicht von Jahr zu Jahr hangeln wie bisher. Eigentlich denkt man bei Festivals ja immer, dass es im ersten Jahr hart ist und dann leichter wird. Bei uns ist es umgekehrt, und im zweiten Jahr ist es wesentlich schwieriger! Mein kaufmännischer Direktor schläft derzeit nicht mehr als zwei Stunden am Tag. (lacht)

APA: Auf welches Publikum zielen Sie beim Festival?

Konieczny: Wir haben es geschafft, für zwei Vorstellungen im Vorjahr rund 8.000 Leute ins Amphitheater zu bekommen. Und das sind ganze andere Menschen gewesen als bei den Premieren in Bayreuth oder bei den Salzburger Festspielen. Das waren keine arrivierten Eliten, die 500 Euro pro Karte zahlen, sondern ganz normale Menschen, die teils direkt vom Strand gekommen sind. Oper ist schon elitär genug. Mein Ziel ist, auch ganz normale Menschen in die Oper zu bringen. Und unser Durchschnittsalter liegt 20 Jahre unter dem von sonstigen Festivals.

APA: Sie haben für den “Fliegenden Holländer” im Vorjahr die Grundidee geliefert. Ist das Regiefach generell etwas, das Sie künftig reizt?

Konieczny: Ich möchte unbedingt Regie führen! Das ist seit Kindheit mein Traum. Die Frage ist nur: Wann? Meine kommenden fünf Jahre sind als Sänger eigentlich schon durchgeplant, und da Zeit als Regisseur zu finden, wird nicht leicht. Aber ich möchte das gerne. Ich habe viel zu sagen – nicht nur als Darsteller, sondern auch als Regisseur.

APA: Hätten Sie schon eine Vision Ihrer Regiehandschrift?

Konieczny: Nein. Aber momentan ständig Inszenierungen in Anzügen und im Büro zu sehen, das finde ich furchtbar. Das ist eine Mode, und die wird vergehen. In meiner Arbeit wäre sicher die Schönheit einer der wichtigsten Punkte. Wir haben in Zeiten von Krieg genug Schreckliches um uns herum. Das bedeutet aber zugleich nicht, dass es banal und kitschig sein muss. Ich liebe auch die Moderne. Aber es geht darum, den Menschen zu erlauben, in Schönheit zu baden. Die Oper kann ein Ritual sein, in dem sich Menschen von ihren Problemen lösen, weil sie etwas Besonderes und nicht das Gewöhnliche auf der Bühne erleben.

(Das Gespräch führte Martin Fichter-Wöß/APA)

(S E R V I C E – https://balticoperafestival.pl/de/)

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