Von: apa
Das Weihnachtsoratorium von Johann Sebastian Bach ist an den Feiertagen heute nicht mehr wegzudenken. Und dennoch war die Uraufführung im Jahr 1734 ungewiss. Der von ORF und ARD koproduzierte Film “Bach – Ein Weihnachtswunder” spürt der turbulenten Entstehung des Werks nach. Dabei ist neben Devid Striesow als Bach auch Verena Altenberger als dessen Ehefrau Anna Magdalena Bach an Bord, die die Familie trotz aller Widrigkeiten zusammenhält und für Weihnachtsfrieden sorgt.
Zu sehen ist “Bach – Ein Weihnachtswunder” ab 17. Dezember (20.15 Uhr) auf der Streamingplattform ORF ON, einen Tag später (18. Dezember, 20.15 Uhr) sendet ORF 2 den Fernsehfilm. Mit der APA sprach Altenberger im Voraus über “Wonder Woman”, Brüllen ohne Drehbuch und ihre Happy-End-Skepsis.
APA: Kannten Sie das Weihnachtsoratorium von Johann Sebastian Bach schon vor dem Dreh?
Verena Altenberger: Mir war bewusst, dass es existiert und bestimmt habe ich die eine oder andere Nummer unbewusst gehört, aber in Wirklichkeit war es mir kein Begriff. Ich habe das Weihnachtsoratorium nie als konzertante Aufführung erlebt und nie zur Gänze durchgehört.
APA: Wenn es nicht das Weihnachtsoratorium war, was war es dann, dass Sie dazu bewogen hat, am Film mitzuwirken?
Altenberger: Vor allem – und das ist in Wirklichkeit immer mein einziger Hauptgrund – das interessante Drehbuch. Und dann ist es mir ein paar Mal passiert, dass ich Filme gesehen und mir gedacht habe: “Oh, da inszeniert aber einer tolle Frauenrollen.” Und dann war es immer Florian Baxmeyer in der Regie. Ich wusste daher, dass ich mit Baxmeyer als Regisseur keine Angst davor haben muss, 25 Drehtage lang nur “die Frau von…” spielen zu müssen. Und ich hatte auch große Lust darauf, historisch zu drehen.
Grenzen der Vorstellungskraft erreicht
APA: Sie verkörpern Anna Magdalena, die Frau von Johann Sebastian Bach. Ganze sieben Kinder hat sie verloren. Das ist eigentlich unvorstellbar, oder? Wie nähert man sich so einer Rolle an?
Altenberger: Sieben Kinder verlieren – der Satz ist zu groß, um da emotional anzudocken. Das übersteigt meine Grenzen der Vorstellungs- und Einfühlungskraft. Das Einzige, was ich in dem Moment machen konnte, war, an den tiefstsitzenden Kern einer Trauer zu kommen, die ich in meinem Leben erlebt habe, und sie in dem Moment anzuwenden.
APA: Sehr wohl vorstellbar und leider vielfach gelebte Realität ist hingegen, dass Frauen zugunsten der Familie ihre Karriere hintanstellen oder gar aufgeben. Anna Magdalena setzt alles daran, die Familie zusammenzuhalten, während Johann Sebastian Bach so gefesselt von seiner Musik ist, dass er keine Zeit – ja sogar eher Kälte – gegenüber seinen Kindern aufbringt…
Altenberger: Anna Magdalena war Wonder Woman. Die Frau hatte zu Lebzeiten und zu Anfang ihrer Beziehung mit Johann Sebastian die bessere Karriere von den beiden. Ich habe mir vorgestellt, wenn die beiden über den Marktplatz gegangen sind, hat man ihr respektvoll zugenickt. Sie war der Star. Sie war die Familienmanagerin und hat 13 Kinder bekommen. Und sie war eine außergewöhnliche Künstlerpersönlichkeit, hat selber komponiert und war die Starsopranistin ihrer Zeit. Bachs Sopranarien sind total anspruchsvoll und das ist deshalb so, weil er immer ihre Fähigkeiten im Kopf hatte, wenn er komponiert hat. Ich glaube, dass nicht die Zeit, in der sie gelebt hat, ihr Unrecht getan hat, sondern die Geschichtsschreibung. Ich mutmaße, weil sie selbst so eine große Künstlerpersönlichkeit war, hat sie verstanden, wie groß auch das Werk ihres Mannes ist und es aus Liebe zur Musik unterstützt und mitgetragen.
Brüllen ohne Drehbuch
APA: Anna Magdalena macht im Film eine spannende Entwicklung durch. Zunächst findet sie keine kritischen Worte gegenüber Johann Sebastian, nimmt alles einfach auf sich, bis es dann doch mit einer Wucht aus ihr herausbricht. Wie haben Sie diese Entwicklung empfunden?
Altenberger: Es gibt eine Szene, wo sich die beiden so richtig anbrüllen. Die stand so nicht im Drehbuch (lacht). Wir alle haben gemerkt, da schluckt jemand verdammt viel, da staut sich etwas auf, und das muss auch mal raus. Sie muss Johann Sebastian auch mal damit konfrontieren, dass sie eine Karriere haben könnte, von der er nur träumt. Ich liebe den Satz von ihr, dass man sich auch daran erinnern wird, wie er die Menschen behandelt. Ich bin sehr froh, dass diese Szene jetzt im Film ist.
APA: In Wahrheit halten im Film die Frauen alles zusammen – nicht nur Anna Magdalena, auch andere. Sie schlichten zwischen den Streithähnen und klopfen auf Finger, wenn es nötig ist. Ist das denn zufriedenstellend, wenn Frauen so dargestellt werden, dass sie immer hinter den Männern die Scherben aufkehren?
Altenberger: In der Realität sind die starken Bünde im Hintergrund Männerbünde. Wenn Frauen noch was lernen müssen, dann wahrscheinlich Solidarität und Netzwerken. Die Tatsache, dass in dem Film die Frauen alles regeln, würde ich also als Mikrofeminismus bezeichnen, den Florian Baxmeyer betrieben hat. Die Realität ist unfeministischer.
Miriam Feuersinger macht es besser
APA: Man hört Anna Magdalena im Film immer mal wieder singen. Sind Sie das selbst oder ist das die Gesangsstimme einer anderen Person?
Altenberger: Die Stelle, an der ich die Arie “Schlafe, mein Liebster” kurz anstimme, singt Miriam Feuersinger. Das ist die gefragteste Bach-Sopranistin, die man in Europa derzeit engagieren kann. Es ist eine totale Ehre, dass sie die Anna Magdalena singt. Ich hatte Operngesangsunterricht, ich konnte natürlich die Arie in- und auswendig. Ich habe mich bis zu meiner Perfektion vorbereitet, und dann kam jemand und hat es wirklich gut gemacht (lacht).
Harte wie kitschige Realität
APA: Am Ende geht im Film alles gut – wie könnte es bei einem Weihnachtsfilm auch anders sein? Wie kitschig darf es für Sie in einem Film sein?
Altenberger: Nie ist im Film etwas so kitschig, so verrückt oder so explizit, wie das Leben nun mal so ist. Wir kommen mit Filmen nie an die Realität heran – nicht in der Härte und auch nicht im Kitsch.
APA: Und stellen Sie Happy Ends zufrieden?
Altenberger: Persönlich bin ich eine Freundin des offenen Endes. Ich finde es reizvoll, weil unbefriedigend. Ich habe als Schauspielerin zwar keine Angst vor Kitsch, aber ein bisschen vor dem Happy End. Und dann schaue ich einen Film mit Happy End an und denke mir, dass man sich vielleicht öfter trauen sollte, ein gutes Ende zu haben.
(Das Gespräch führte Lukas Wodicka/APA)
Aktuell sind 0 Kommentare vorhanden
Kommentare anzeigen