Georg Friedrich Haas zählt heute zur Elite der lebenden Komponisten

Auf dem Weg zum Licht: Komponist Georg Friedrich Haas ist 70

Mittwoch, 16. August 2023 | 07:15 Uhr

Von: apa

Es hat lange gedauert, bis Georg Friedrich Haas’ Werke in der breiteren Öffentlichkeit wahrgenommen wurden. Mittlerweile hat sich der in Vorarlberg aufgewachsene Künstler jedoch in der absoluten Spitzenklasse der renommiertesten lebenden Komponisten Österreichs etabliert. Am heutigen Mittwoch feiert der derzeit vielleicht erfolgreichste Tonschöpfer des Landes seinen 70. Geburtstag.

Von großem Optimismus ist das Werk des Jubilars allerdings nicht geprägt – allein der Blick auf die Titel offenbart die etwas düstere Grundhaltung: “Melancholia”, “Nacht-Schatten”, “Koma” oder “Bluthaus”. Es schmerze, wenn man lange Zeit die eigenen Werke nicht in der entsprechenden Qualität hören könne, erinnerte sich der Komponist einst, der nach eigenen Angaben seine Berufswahl schon als Kind getroffen hat.

Allerdings blickt der Künstler auch auf eine durchaus schmerzhafte frühe Lebensgeschichte zurück. Geboren wurde Georg Friedrich Haas am 16. August 1953 in Graz, er wuchs allerdings im Bergdorf Latschau (Vorarlberg) auf. 2016 sprach er erstmals im Interview mit der “Zeit” über seine nationalsozialistische Herkunftsfamilie. Er selbst sei noch bis zum Studienbeginn “indoktriniert” gewesen und habe sich erst dann befreien können. Vor allem sein Großvater Fritz Haas, ein bekannter Architekt, war überzeugter Nationalsozialist und habe ihn stark beeinflusst. Diese frühe, prägende Phase seines Lebens schildert Haas in der 2022 erschienen Autobiografie “Durch vergiftete Zeiten – Memoiren eines Nazibuben” (Böhlau).

Schuldgefühle wegen seiner Familie seien eine wichtige Quelle der “Dunkelheit in meiner Musik”, eine weitere seine lange unterdrückte sadomasochistische Neigung, die ein großer Faktor für seine 2013 erfolgte Übersiedlung nach New York gewesen sei. 2016 schließlich gingen Haas und seine Gattin Mollena Williams-Haas unter anderem in einem großen Interview mit der “New York Times” in die Offensive und sprachen über ihre sadomasochistische Beziehung, die sie im 2018 erschienen Dokumentarfilm “The Artist & The Pervert” auch in Bewegtbild bannten. Alles Schritte einer persönlichen Befreiung. “Ich habe Frieden geschlossen mit mir selbst. Die Vergangenheit liegt hinter mir”, konstatiert Haas in seinen Memoiren.

In New York ist Haas heute Professor für Komposition an der Columbia University. Zunächst aber zog es den jungen Haas von 1972 bis 1979 nach Graz, wo er an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst Komposition bei Gösta Neuwirth, Klavier bei Doris Wolf und Musikpädagogik studierte. 1978 begann er an der Grazer Musikhochschule zu unterrichten. Zwischen 1981 und 1983 führte ihn ein Postgraduiertenstudium bei Friedrich Cerha an die Hochschule für Musik und darstellende Kunst nach Wien. Auch danach sind die beiden Komponisten eng verbunden geblieben, war es doch nicht zuletzt Cerha, der 2007 Haas für den Österreichischen Staatspreis vorschlug.

In seinen Werken versucht Haas, sukzessive musikalisches Neuland zu erobern, wobei er sich intensiv mit der Mikrotonalität auseinandersetzt, also mit Intervallen arbeitet, die kleiner als ein Halbtonabstand sind und in Abkehr von der wohltemperierten Skala gleichsam magische Klangwelten schaffen. Hiermit wurde Haas zum zentralen Proponenten der sogenannten Spektralmusik, die sich auf die Obertöne fokussiert.

Zugleich beschäftigt sich Haas immer wieder mit den musikalischen Vorläufern. So entstand 1999/2000 “Torso”, eine Orchestrierung der unvollendet gebliebenen Klaviersonate in C-Dur von Schubert. Mozart hat er nicht nur in seinem frühen Streichorchesterwerk “…sodaß ich’s hernach mit einem Blick gleichsam wie ein schönes Bild…im Geist übersehe” (1990/1991) geehrt, sondern auch in den “7 Klangräumen” (2005). Und im “Concerto für Violoncello und Orchester” (2003/2004) führt das Soloinstrument ein Zitat aus Franz Schrekers Oper “Der ferne Klang” an.

Die Trias aus Bregenzer und Schwetzinger Festspielen sowie den Donaueschinger Musiktagen dominierte lange Zeit Haas’ Karriere. So wurden seine Opern “Nacht” (1998) und “Die schöne Wunde” (2003) in Bregenz uraufgeführt, die wichtigen Werke “Hyperion”, “Natures mortes” und “Limited approximations” in Donaueschingen. Seine beiden vergangenen Opern “Thomas” (2013) und “Koma” (2016) hingegen erblickten in Schwetzingen das Licht der Welt. Aber auch das Festival “Wien Modern” hat Haas bereits einen Schwerpunkt gewidmet, und setzt verlässlich Arbeiten des Meisters auf den Spielplan. Seine jüngste Bühnenarbeit, die Oper “Liebesgesang” mit einem Libretto von Händl Klaus, soll indes kommendes Jahr ebenso in Bern Uraufführung feiern wie “Sycorax” im Vorjahr.

Neben der eigenen kompositorischen Arbeit stand für Haas stets die Weitergabe seines Wissens im Mittelpunkt seines Schaffens. Seit 1989 lehrte er Kontrapunkt und Analyse an der Grazer Musikhochschule, 2003 wurde er zum außerordentlichen Universitätsprofessor ernannt. Zwischen 2005 und 2013 leitete Haas eine Kompositionsklasse an der Hochschule für Musik der Musik-Akademie der Stadt Basel und wurde Professor für Komposition an der Columbia University New York.

Mit dem Großen Österreichischen Staatspreis hat Haas 2007 die höchstrangige Auszeichnung der Republik für Künstler erhalten. Und 2013 bekam Haas den mit 60.000 Euro dotierten Musikpreis Salzburg.