Von: apa
Als Ergänzung zum Lido Sounds in Linz laden die Lido Nights zum Clubbing ins Brucknerhaus ein. In der Nacht auf Samstag trat dort Blümchen auf. Jasmin Wagner hat ihr Alter Ego erfolgreich wiedererweckt. “Wenn ich auf die Bühne gehe, habe ich vielleicht am meisten Spaß. Ich erinnere mich an die Zeit, in der ich Teenager war. Gleichzeitig mag ich die Energie, die Blümchen-Songs haben. Das kann ich mit dieser Distanz total umarmen”, sagte die 44-Jährige im APA-Interview.
Von 1995 bis 2001 verbuchte Wagner als Blümchen zahlreiche Hits mit Elementen aus Techno und Rave. Ihre erfolgreichste Single “Herz an Herz” schaffte es in die Top Ten in Österreich ebenso wie “Boomerang” und eine Coverversion von Nenas “Nur geträumt”. Nach dem vorläufigen Schlussstrich unter diesen Karriereabschnitt, machte Wagner unter eigenem Namen als Sängerin, Schauspielerin und Moderatorin weiter. 2022 präsentierte sie erstmals ein neues Blümchen-Programm. Mittlerweile veröffentlicht sie unter diesem Namen wieder Songs, auch in Zusammenarbeit mit anderen Acts. “Ich finde es schön, dass Blümchen-Songs gute Laune machen. Das ist voll in Ordnung für mich”, sagt sie.
APA: Frau Wagner, wie fühlt es sich an, wieder Blümchen zu sein?
Jasmin Wagner/Blümchen: Es ist im Moment eine wunderbare Zeit für mich. Weil es für mich eine neue Dimension von Blümchen sein darstellt. Alle, die die 90er-Jahre mitgemacht haben, feiern den Sound, aber dieser Sound existiert auch weiter in den Herzen und in den tanzenden Beinen einer jungen Generation. Die lieben diese Soundelemente. Und junge Künstler erzählen meinen musikalischen Weg weiter, indem sie Hyper-Pop machen. Sie sagen, sie sind durch mich inspiriert und ich sei die Wegbereiterin dieses Genres. Da vereint sich gerade Gegenwart mit Vergangenheit – und führt auch in die Zukunft.”
APA: Wie wichtig war es für Sie, nicht nur auf Nostalgie zu setzen?
Wagner/Blümchen: Das war tatsächlich meine Motivation, 2019 wieder mit Blümchen anzufangen, mich wieder mit meinem Alter Ego zu konfrontieren, zu überlegen, wie müsste Blümchen 2019 sein, wie kann ich das darstellen, mit Leben, Lieben und der Leidenschaft von damals füllen, als ich angefangen habe mit 15. Ich musste mir das bauen. Eine wichtige Motivation war definitiv zu sagen: Wenn ich jetzt im 90er-Universum wieder eine Größe bin, weil wir uns gerne an die 90er erinnern, weil wir diese Reise durch die Zeit gerne machen, weil wir in Nostalgie schwimmen und schweben, dann ist das fein. Aber ich möchte auch im Heute wieder stattfinden. Dass mir das gelungen ist, wundervoll. Bei so was wie den Lido Nights dabei zu sein, ist ein Anzeichen dafür. Natürlich liebe ich es auch, auf 90er-Bühnen zu stehen. Aber durch musikalische Kooperationen in den letzten Jahren habe ich Hits im Heute und erzähle meine musikalische Geschichte weiter. So schließt sich ein Kreis.”
APA: Hatten sie Zweifel an einem Blümchen-Comeback?
Wagner/Blümchen: Erstmals war es ein Ding der Unmöglichkeit. Als ich das Kapitel 2001 geschlossen habe, fühlte sich das wie für immer an. Weil ich auch nicht damit rechnen konnte, dass die 90er so was werden wie die 70er und 80er. Ich kannte damals das Phänomen, dass man auf Motto-Partys geht, die einem Jahrzehnt gewidmet sind, dass man dort die Musik aus den Siebzigern oder Achtzigern hört. Als das dann genauso mit den 90er-Jahren passierte, war ich irritiert. Auf einmal waren die 90er auch eine Modemarke. Wenn man 90er-Jahre Kostüm googelt, findet man mehrere Angebote (lacht). Ich hab gesehen, dass Kollegen von früher auf die eine oder andere Art wieder auf der Bühne sind. Bei mir führte aber erst eine persönliche Krise dazu, dass ich gedacht habe: OK, so wie ich bisher gelebt habe, was ich bisher gemacht habe, funktioniert nicht mehr für mich. Was ist denn das nächste? Dann haben die 90er sehr laut bei mir angeklopft. Irgendwann lautete die Überlegung, wie mache ich es, statt immer nur zu denken, ich kann das nicht machen.
APA: Im Rückblick schaut immer alles besser aus. Wird auch, was die 90er betrifft, vieles verklärt?
Wagner/Blümchen: Wenn wir uns an die 90er zurückerinnern, haben wir das Grundgefühl, alles war so frei, im Wachstum, es schien keine Grenze zu geben, die Budget-Töpfe waren voll, es konnte alles immer teurer und teurer werden. Man konnte so richtig aus dem Vollen schöpfen und alles ging. Die Probleme, die wir heute haben, die gab es allerdings damals auch schon. Nicht umsonst sang Michael Jackson “Heal The World”. Das war damals schon wichtig, dieses Fünf vor Zwölf. Jetzt sind wir so weit nach Zwölf, dass wir die Probleme nicht mehr ignorieren können. Wir hätten in den 90ern schon ahnen können, dass sie da sind, wir konnten sie aber noch gut genug ignorieren.
(Das Gespräch führte Wolfgang Hauptmann/APA)