"Photophobia"

Crossing Europe wieder mit Filmangebot zu Ukraine-Krieg

Samstag, 04. Mai 2024 | 07:28 Uhr

Von: apa

Mehrere Arbeiten widmen sich beim diesjährigen Filmfestival Crossing Europe in Linz wieder dem Krieg in der Ukraine. “Intercepted” von Oksana Karpovych verwendet für die Tonspur Telefonate von russischen Soldaten, die der ukrainische Geheimdienst mitgeschnitten hat. “Photophobia” zeigt das Leben im Schutzraum U-Bahnstation und “Silent Sun of Russia” den Frust der jungen Leute in Russland.

In “Intercepted” dokumentiert Oksana Karpovych die Zerstörung, die der russische Überfall auf die Ukraine dort angerichtet hat. Die Regisseurin setzt auf eine Bild-Ton-Schere: Dem Auge zeigt sie Bilder von Landschaften und Siedlungen, die zerbombt wurden, Kriegsruinen, ausgebrannte Panzer ebenso wie Detailaufnahmen aus zerstörten Wohnungen, die offensichtlich überstürzt verlassen wurden oder deren Bewohnern noch Schlimmeres widerfahren ist. Teils sieht man Versuche aufzuräumen, zu reparieren. Man weiß nicht wo die Schauplätze sind, wer einst hier lebte oder welches Schicksal die Menschen ereilte – es bleibt beim Zuseher, sich das auszumalen.

Überlagert werden diese bedrückend stillen Bilder auf der Tonspur von Telefonaten russischer Soldaten mit ihren Angehörigen, die der ukrainische Geheimdienst 2022 mitgeschnitten und veröffentlicht hat. Der eine berichtet, dass man Befehl habe, auf Zivilisten zu schießen, der andere glaubt immer noch, Nazis zu töten, es gibt Schilderungen von Plünderungen und Gräueltaten ebenso wie über Frust, Hunger, Angst.

Interessant ist auch das jeweilige Gegenüber zu Hause, das oft nur die von der russischen Propaganda gezeichnete Sicht kennt. Ein Soldat schildert, was er alles gestohlen hat von einer ukrainischen Familie unbekannten Schicksals: Schminksachen, Sportklamotten – seine Frau sagt, dass er nehmen soll, was er kriegt, Trainingsanzüge wären toll und und dass die Tochter einen Laptop bräuchte. Ein anderer wird von seinem Gesprächspartner gefragt ob er schon NATO-Basen gesehen habe, die müssten hier ja haufenweise geben – umso überraschter ist man in der Heimat, als der Soldat deren Existenz verneint.

“Silent Sun of Russia” begleitet zwischen 2018 und 2022 drei Frauen, die sich in Putins Reich keine Zukunft mehr sehen. Wirkliche Porträts zeichnet der Film nicht, die dänische Filmemacherin Sybilla Tuxen transportiert eher das Lebensgefühl junger Menschen, Perspektivlosigkeit, Verwirrung zwischen Propaganda und Wahrheit, die Angst vor der Zukunft, vor dem Krieg und davor kein Visum für die Ausreise zu bekommen. Die Kamera klebt auf den Protagonistinnen, die wiederum oft am Smartphone hängen – das Handy ist die einzige Quelle einigermaßen neutraler Information. Die Menschen um einen herum, selbst die Gebildeten, glauben, was sie aus den Staatsmedien über Nazis in der Ukraine hören. Aufmüpfigkeit, und sei es nur Sticker zu verteilen, ist gefährlich. Wie soll man Zukunftspläne machen, wenn man gar keine Zukunft sieht? Dieses Dilemma bekommt der Zuseher auf der Gefühlsebene völlig ungefiltert mit.

“Photophobia” von Ivan Ostrochovský und Pavol Pekarčík zeigt den Alltag einer Familie in Charkiw, die wie Hunderte andere seit Kriegsbeginn notgedrungen in U-Bahn-Stationen lebt. Für die elfjährige Vika und den zwölfjährigen Nikita ist diese unterirdische Welt im Neonlicht Spielplatz, Lernort, Zuhause. Ans Tageslicht zu gehen, bedeutet, sich der Gefahr von Bombardements auszusetzen. Ein Einblick in den Alltag des Krieges, der dennoch lebensbejahend ist.

(S E R V I C E – www.crossingeurope.at)