Mathieu taucht tief ins Bewusstsein seiner Hauptfigur ein

“Deep Me”: Mathieus dunkler Comic-Blick in die Zukunft

Dienstag, 01. August 2023 | 07:17 Uhr

Von: apa

In Marc-Antoine Mathieus neuem Science-Fiction-Comic “Deep Me” ist zunächst mal alles schwarz. Schon das Cover des gut 120 Seiten starken Bandes lässt eher an eine Mondfinsternis zu Mitternacht denken denn ein futuristisches Setting. Doch trifft Letzteres in eindrucksvoller Manier zu, verhandelt der französische Starzeichner doch die Zukunft der Menschheit. Ein gewagtes Experiment, nicht nur, was den Inhalt betrifft.

“Adam? Adam? Hören Sie uns?” Den Namen seines Protagonisten verrät uns Mathieu bereits im ersten Panel, alles weitere muss sich die Leserschaft hingegen hart erarbeiten. Und nicht nur die: Es dauert lange, bis auf den schwarzen Seiten neben den Sprech- und Gedankenblasen andere Schattierungen auftreten und schemenhaft Figuren auszumachen sind. Für Adam ist diese Situation nicht nur frustrierend, sondern in höchstem Maße irritierend: Ist er blind? Liegt er im Koma? Wieso können ihn seine Mitmenschen nicht wahrnehmen, er sie aber zumindest hören? Und außerdem: Wo befindet er sich überhaupt?

Es ist ein eigenartiges Gefühl, wenn man sich einem Comic in erster Linie auf Basis des geschriebenen Wortes annähert. Immerhin verwendet Mathieu für seine verschiedene Charaktere auch unterschiedliche Schriftarten. Gemein ist ihnen, dass sie offenbar alle etwas von Adam wollen und sich gleichzeitig ziemlich unsicher sind, wozu dieser noch im Stande ist. Dabei bleibt sein Wille ungebrochen. “Nein. Ich darf nicht zweifeln. Ich muss stark bleiben”, versucht er, sich selbst Mut zu zureden. “Ich muss dem Dunkel entgegentreten, sonst werde ich verrückt.”

Damit es nicht soweit kommt, beginnt Adam seine Wachphasen durchzunummerieren, um ein wenig den Überblick bewahren zu können. Wie viel Zeit tatsächlich vergeht und was sein Umfeld letztlich mit ihm vor hat, darüber kann er nur Mutmaßungen anstellen. Einziger konkreter Anhaltspunkt ist eine Erinnerung, eine kurze Sequenz in einem Flugzeug, die sich sukzessive aus der Finsternis schält und offenbar den Schlüssel zu seinem Geheimnis bereithält. Das scheinen auch seine Betreuer/Überwacher/Entführer zu bestätigen, in dem sie dauernd von der “Eclipse” sprechen und ihn durchlöchern. Was nicht nur seinen Überlebensdrang, sondern auch seinen Widerwillen massiv steigert.

In welche Richtung Mathieu seine Erzählung schließlich abbiegen lässt, sei hier nicht verraten. Nur so viel: In Zeiten, die an Untergangsszenarien nicht gerade arm sind und mit rasanten technologischen Entwicklungen aufwarten, scheint “Deep Me” bestens in die allgemeine Stimmung zu passen. Die Geschichte ist letztlich wie ein Blick ins schwarze Loch unserer Zukunft, und zwar in mehrfacher Hinsicht. Ein Comic- und Gedankenexperiment, das seine Leser nicht so schnell loslassen wird.