Der Künstler 2023 vor "seinem" Eisernen Vorhang in der Staatsoper

Der Künstler Anselm Kiefer feiert den 80. Geburtstag

Samstag, 08. März 2025 | 08:35 Uhr

Von: APA/dpa

Seine Stellung in der Kunstwelt sucht seinesgleichen. Zum 80. Geburtstag von Anselm Kiefer gibt es ein Event, das das veranschaulicht: Zwei renommierte Museen schließen sich erstmals zusammen, um die gesamte Bandbreite seiner Kunst zu zeigen. Die Retrospektive “Anselm Kiefer: Sag mir wo die Blumen sind” ist seit Freitag geöffnet, dem Tag vor dem heutigen 80. Geburtstag des deutschen Malers und Bildhauers, der seit mehr als 30 Jahren in Frankreich lebt.

So bedeutend, könnte man bei der Schau der Amsterdamer Museen Van Gogh und Stedelijk denken, ist das Werk Kiefers, dass man zwei Häuser braucht, um ihm gerecht zu werden. In Amsterdam ist Kiefers Werk in seiner ganzen Bandbreite zu erleben: Im Van-Gogh-Museum treffen 25 Werke von Kiefer auf einige der ikonischsten Gemälde Vincent van Goghs, denn Kiefer hat sich immer wieder auf den niederländischen Meister bezogen, besonders auf dessen Sonnenblumenbilder.

Im Stedelijk Museum wiederum entfaltet sich Kiefers Kunst in seiner vollen Symbolkraft. Neben ikonischen Werken aus den 1980ern sind eigens für die Schau geschaffene Arbeiten zu sehen – darunter das monumentale Titelwerk. Mit Uniformen, getrockneten Rosenblättern und Gold inszeniert es den ewigen Kreislauf von Leben und Tod. 24 Meter misst die Installation um das historische Treppenhaus herum – mächtig und erdrückend, wie sein Gesamtwerk.

Kunst in Asche und Blei

Kiefer wurde am 8. März 1945 in Donaueschingen geboren, wenige Wochen vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Seine Kindheit verbrachte er zwischen den Trümmern eines zerstörten Deutschlands. Diese frühe Erfahrung der Zerstörung ist in seinem gesamten Werk spürbar: Seine Bilder sind oft menschenleer, seine Landschaften verbrannt, seine Materialien schwer und voller Geschichte.

Krieg, Mythen und Kosmos bestimmen sein monumentales Schaffen, das sich mit Geschichte, Philosophie und der Natur des Universums auseinandersetzt. Seine künstlerische Sprache ist unverkennbar: graue, mit Asche und Stroh bedeckte skulpturale Landschaftsbilder, in Gips gehüllte Sonnenblumen, monumentale Bleibücher und gigantische Leinwände, die oft wie Ruinen vergangener Zivilisationen wirken.

Werke von physischer Präsenz

Monumentalität bedeute für Kiefer nicht nur Größe. Sie ist eine Reflexion über das Unermessliche, die Unendlichkeit des Universums. “Wo fängt die Monumentalität an, und wo hört sie auf?”, fragte er einst im Deutschlandfunk. “Es gibt eigentlich gar nichts Monumentales – im Verhältnis zum Kosmos.”

Seine Werke – Gemälde, Skulpturen, Installationen – haben eine physische Präsenz. Ungewöhnliche Materialien wie Blei, Asche, verbrannte Sonnenblumen, Erde und verkohltes Stroh brennen sich in ihre Oberfläche ein wie Erinnerungen in die Geschichte. Sie sind Symbole für Vergänglichkeit und Transformation, für Energie und kosmische Zusammenhänge.

Ein radikaler Beginn

Seit den späten 1960er-Jahren setzte er sich mit der deutschen Geschichte auseinander, oft provokant. Seine 1970 entstandenen “Heroischen Sinnbilder” – Selbstporträts mit Hitlergruß – sorgten für Kontroversen, vor allem in Deutschland. Dort war er der Erste, der auf so radikale Weise das Tabu der Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit durchbrach.

Statt die Inszenierung einer radikalen Erinnerungskultur wurden darin politische Sympathie und eine ästhetische Faszination für den Faschismus gesehen. Anerkennung fand er zunächst nur im Ausland, insbesondere in den USA und Frankreich.

Frankreich: seine zweite Heimat

1992 verließ Kiefer Deutschland und ließ sich in Frankreich nieder. In Barjac, in der Nähe von Nîmes im Süden des Landes, schuf er ein über 40 Hektar großes Ateliergelände mit unterirdischen Kammern, Pavillons und einem Amphitheater. 2007 zog er nach Paris, wo er seitdem ein 35.000 Quadratmeter großes Atelier im Vorort Croissy-Beaubourg besitzt.

Frankreich hat ihn längst wie einen Nationalhelden aufgenommen. Im Jahr 2020 beauftragte Staatschef Emmanuel Macron Kiefer damit, mehrere Werke für das Panthéon zu entwerfen. Zuletzt hatte der französische Staat 1924 einen Künstler damit beauftragt, ein Werk für die Ruhmeshalle und Grabstätte berühmter französischer Persönlichkeiten zu schaffen.

Zu Macron hat Kiefer die besten Beziehungen. “Macron ist mein Freund”, sagte er dem Radiosender France Inter. Aber nicht, weil er Präsident sei. Man spreche über Literatur und Dichter, die man bewundere.

Keiner so wie er

Für den verstorbenen William Rubin, Ex-Kurator des New Yorker Museum of Modern Art, war Kiefer der gefragteste zeitgenössische Künstler überhaupt. Er glaube nicht, dass einer der zeitgenössischen amerikanischen oder europäischen Maler so gut sei wie Kiefer, zitierte ihn das Kunstmagazin “stayinart” einmal. Deutschland hätte seit dem Zweiten Weltkrieg keinen außergewöhnlicheren Geist im Bereich der Kunst hervorgebracht.

Für den britischen Kunsthistoriker Simon Schama besitzt Kiefer die Fähigkeit, die Vergangenheit in unseren Köpfen präsent zu halten. Wie der Fachmann in einer Sendung der britischen BBC sagte, führe er den Krieg gegen das Vergessen. Und das mache keiner so wie er.

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