Von: apa
Geht es um anspruchsvolle Musik mit elektronischer Schlagseite, ist sein Name nicht weit: Oliver Johnson sorgt als Dorian Concept seit zwei Dekaden für Sounds, die unwiderstehlich zwischen Clubtauglichkeit und Experiment oszillieren. Am 21. Februar feiert der Wiener Musiker und Produzent sein 20-Jahr-Jubiläum mit einem Auftritt im Konzerthaus. Mit der APA sprach er zuvor über seine musikalische Entwicklung, das anarchistische Internet und den ausklingenden Beat.
APA: Welche Gefühle kommen hoch beim Blick auf eine 20 Jahre dauernde Karriere: Nostalgie, Stolz, Vorfreude auf das Kommende?
Dorian Concept: Gute Frage. Man ist irgendwo dazwischen. Mit 40 fühlt man sich jung genug, dass man denkt: Da geht noch was. Andererseits überwältigt es mich fast, was schon alles passiert ist. Man klopft sich auch selbst ein bisschen auf die Schulter. Dafür, dass ich alles schon so lange machen und immer noch gerne mache! Das ist nicht selbstverständlich.
APA: Gibt es besonders einprägsame Erlebnisse von Ihren Anfängen?
Concept: Es gibt zu viele Dinge, um spezielle Ereignisse hervorzuheben. Wenn ich müsste, dann wäre es wohl die Erfahrung, auf Ninja Tune zu veröffentlichen. Das war vor 20 Jahren für mich ein Label, bei dem ich selbst immer geschaut habe, wenn etwas Neues rauskommt. Das war ein Traum und Wunsch, den ich mir erfüllt habe. Aber auch die Zusammenarbeit mit einer Band wie The Cinematic Orchestra, von denen ich mit 16 oder 17 schon ein riesiger Fan war. Das sind Meilensteine, von denen man nicht erahnt hätte, dass sie möglich wären.
APA: Haben Sie bemerkt, als die Musik von der Leidenschaft in Richtung Professionalisierung schwenkte?
Concept: Ich wusste schon recht früh: Das ist das, was ich machen will. Es braucht dafür eine notwendige Hingabe. Vielleicht hat mir auch eine gewisse Ignoranz gut getan gegenüber dem, wie die Realitäten sind. Hätte ich früher gewusst, wie kompliziert es als Selbstständiger sein kann… Letztlich hat es sich angefühlt wie die einzige Karte, die ich habe. Ich hatte auch diese Leidenschaft und das Sitzfleisch. Vor 20 Jahren hat es sich in der kreativen Welt noch nicht so prekär angefühlt. Es gab mehr Möglichkeiten, die Welt war vielleicht auch weniger dicht besiedelt. Es war etwas übersichtlicher. So konnte ich mit weniger Angst an alles gehen. Die Leidenschaft war jedenfalls zuerst da, dann ist der Rest von selbst gekommen.
APA: Als Sie begonnen haben, befand sich die klassische Musikindustrie am Peak, gleichzeitig wurde das Internet als Vertriebsraum eröffnet – mit allen Vor- und Nachteilen. Für Sie ein guter Zeitpunkt, um einzusteigen?
Concept: Ja, auf jeden Fall. Es hat sich irgendwie anarchistisch angefühlt. Das Internet war noch nicht voller Werbung. Soziale Plattformen wie MySpace haben ihr Potenzial zum Monetarisieren und Kapitalisieren noch nicht erkannt und waren daher reine Plattformen der Verbindung. In den meisten Fällen nicht so wie jetzt zwischen Kreativen und Publikum, sondern viel mehr zwischen Kreativen, Produzenten und Produzentinnen, Musikern und Musikerinnen. Ich habe 2006 mein erstes YouTube-Video hochgeladen, ein Jahr nach Gründung der Plattform. Das war ein Dorf im Vergleich zu jetzt! Man hat jedenfalls mehr Möglichkeiten gesehen, es war noch nicht so ausdefiniert. Zudem gab es die Independent Labels der späten 90er-Jahre, die auf einer unabhängigen Basis ihr eigenes Süppchen gekocht haben. Für mich, meine Freunde und Bekannten waren das immer die Vorbilder: Die Leute, die es geschafft haben, Sachen auf ihre Art und kompromisslos zu machen.
APA: Wie sehen Sie die Musiklandschaft heute, mit all den digitalen Vertriebs- und Promotionmöglichkeiten?
Concept: Es überwältigt mich teilweise. Letztens habe ich gehört, dass heute an einem Tag so viel Musik erscheint wie in den 80ern in einem Jahr. Zudem merke ich immer wieder, dass von mir Nummern unlizenziert verwendet oder Samples hochgeladen werden. Es entsteht einfach eine sehr komplizierte und unübersichtliche Musiklandschaft. Teilweise hat man das Gefühl, man versinkt mit dem Chaos. Es fühlt sich manchmal an wie ein Kampf um das eigene geistige Eigentum, den man nicht gewinnen kann. Andererseits ist durch die Überflutung wieder ein Bedürfnis nach Authentizität da. Es bekommen in vielen Fällen schon jene Sachen Aufmerksamkeit, die es auch verdienen. Ich habe die kreative Welt immer in Stimmungen gesehen. Schon in den 90ern war es für mich zentral, wenn jemand seinen eigenen Sound hat, wenn eine eigene Handschrift zu erkennen ist.
APA: Eine besondere Handschrift haben auch Ihre eigenen Sounds stets ausgemacht. Wie hat sich Ihr Stil über die Jahre entwickelt?
Concept: Es gab schon immer viele Umwege, wirklich linear war es nie bei mir. Das hat sich lustigerweise schon sehr früh gezeigt. Mein Vater hat mir gesagt, dass ich bei Besuchen meiner Großeltern in den USA in den Supermärkten stets das seltsamste Müsli ausgesucht habe, das ich finden konnte. In seiner Beobachtung hatte ich also schon als Kind und Jugendlicher einen seltsamen Geschmack. (lacht) Und auch in meiner Laufbahn hat sich gezeigt, dass ich offenbar den Mut zum Anderssein und Andersmachen habe. Diese Umwege zu erforschen war für mich das Lineare. Das erkenne ich erst jetzt. Das Schöne am Älterwerden ist ja: Man kann zurückschauen und merkt, dass man seinem Herzen gefolgt und sich treu geblieben ist – selbst wenn man sich dadurch Chancen verbaut hat.
APA: Wie schafft man die Balance zwischen Kreativität und geschäftlichen Aspekten?
Concept: Ich habe noch keine Formel gefunden. Meine Erfahrung ist aber: Man sollte im besten Fall immer das priorisieren, was einem am meisten Freude macht und was diese Flamme am Leben erhält. Weil das immer auch die Rechnungen zahlen wird. Vielleicht nicht die nächste, sondern erst in fünf Jahren, aber eben doch. Professionalisierung und Kreativität haben immer etwas Polares. Wie in vielen Sachen ist ein Hin und Zurück. Die Gefahr beim Älterwerden ist, dass du dich zu sehr professionalisierst und so eine Art Vakuum schaffst. Jung und kreativ hängt oft zusammen. Vielleicht versteht man weniger, hat weniger zu verlieren und probiert mehr aus.
APA: Wie planen Sie ein Konzert, das 20 Jahre umspannen soll?
Concept: Ich werde an dem Abend alles aufs Brett legen, aufteilen und mich damit spielen. Einfach weg von Perfektionismus und Overthinking, sondern auf eine spielerische Art zurückschauen. Es wird auch Videofootage aus meiner Teenagerzeit geben, von allen möglichen wilden Auftritten und Eskapaden. (lacht) Ich werde ein Soloset spielen und dann noch im Trio mit Clemens Bacher alias Cid Rim sowie Manu Mayr, mit denen ich alle Klassiker aus meinem Repertoire aufmachen möchte. Solo und Kollaborationen, das ist die Waage, die sich halten muss.
APA: Gibt es noch offene Wünsche für die nächsten 20 Jahre?
Concept: Es ist vielleicht eine klassische Entwicklung: Jetzt, wo ich in meinen 40ern angekommen bin, ist es als Papa nicht mehr so spannend, um 2 Uhr früh im Club zu stehen. (lacht) Ich fühle mich gerade im Studio sehr wohl. Es gibt viele Möglichkeiten mit Filmmusik, für Serien, aber auch Videospiele könnten spannend sein. Mehr und mehr merke ich, dass der Beat, der damals sehr präsent und immer irgendwie da war, langsam ausklingt. Es entsteht Platz für die melodiöse Arbeit und wird weniger dicht bei mir. Aber auch die Zusammenarbeit mit Ensembles wie dem Klangforum Wien oder Studio Dan finde ich sehr spannend. Da gibt es viel zu erforschen zwischen elektronischer Musik und akustischen Spielmöglichkeiten. Ich möchte einen Prozess finden, bei dem sich die Dinge nicht mehr so getrennt anfühlen. Vielen geht es aktuell um ein World Building. Der multimediale und gesamtästhetische Ansatz wird vielen wichtiger und interessanter zu erforschen. Vielleicht sind wir unter den ersten, die das ausprobieren: Musik als Hauptdarsteller, aber auch mit all den anderen Medien und Mitteln, die da sind.
(Das Gespräch führte Christoph Griessner/APA)
(S E R V I C E – www.dorianconcept.com)
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