Von: apa
Dyse sind immer für eine Überraschung gut: Schon bisher hat sich das deutsche Rockduo, bestehend aus Gitarrist Andrej Dietrich und Drummer Jarii van Gohl, wenig um Genregrenzen und Erwartungen gekümmert. Mit der EP “Audiochimaere” wagen sie sich nun in den Hip-Hop vor, was nicht nur kurzweilig und amüsant gelingt. Angesichts des weltweiten Rechtsrucks “wollten wir auch politisch ein Statement setzen”, so van Gohl. “Hört es euch an, macht euch auf, nehmt die Botschaft mit.”
Mit den sechs neuen Stücken soll nicht nur die Zeit bis zum nächsten Album überbrückt werden. “Wir hatten Lust, noch mal andere stilistische Mittel zu nutzen”, erklärte van Gohl im APA-Interview. “Gerade im Universum von Dyse haben wir ja die Möglichkeit, uns relativ frei zu bewegen und Dinge auszuprobieren.” Also ab in den Hip-Hop, mit dessen Elementen die Musiker schon immer wieder gespielt haben. So gibt es etwa im Titelsong entspannte Beats und reichlich Rapgäste, “die aber alle keine Hip-Hopper sind”, lachte der Drummer. “Das hat für uns diesen Charme ausgemacht.”
“Jetzt gerade braucht es Mut”
Ziemlich experimentell ist “Die Gehirne der Anderen” geworden, in dem sich Dietrich austoben darf, während “Edelstahlgebäck” mit elektronisch gefärbtem Beat ordentlich in die Beine fährt und auch live für viel Stimmung sorgt, wie Dyse vergangene Woche bei ihrem Wienkonzert in der Arena bewiesen haben. Ganz auf Gitarren verzichten müssen die Fans aber nicht, ist “Der Rand ist hoch” doch ein knackiger Punkrockkracher. “Du kannst nur wachsen, wenn du über den Tellerrand schaust”, beschrieb van Gohl die Stoßrichtung. “Persönlich, aber auch gesellschaftlich.” Oder wie es Dietrich ausdrückte: “Es geht darum, die Schubladen beiseite zu legen und alles zuzulassen. Einfach mutig sein. Jetzt gerade braucht es Mut!”
Damit sprachen die Musiker auch die jüngsten Wahlerfolge von AfD, FPÖ oder Donald Trump an. “Klar macht es mir Sorgen”, nickte van Gohl. “Aber wir sind hier, um positive Zeichen zu setzen. Natürlich können wir sagen: Fickt die AfD! Krieg ist scheiße! Stimmt auch. Die Problematik ist aber, dass immer alle gegen etwas sind. Unsere tiefe Überzeugung ist, für etwas zu sein. Das klingt schon mal ganz anders. Sei doch für Veränderung, sei positiv und geh diesen Weg.” Das führe nicht zuletzt zu einer intensiveren Selbstreflexion, war Dietrich überzeugt. “Du kommst tiefer zu dir. Immerhin musst du überlegen: Für was bin ich? Und was kann ich dafür tun? Die eigene Auseinandersetzung steht da an erster Stelle und treibt das ganze Ding an.”
Lust am Ungewöhnlichen bleibt eine Konstante
“Audiochimaere” als musikalische Spielwiese sei jedenfalls ein Angebot an alle. “Es war an der Zeit und hat in uns gebrannt”, erklärte van Gohl, wobei Dietrich den herausfordernden Aspekt nicht unerwähnt lassen wollte. “Für uns war es ja auch ein Sprung ins kalte Wasser. Aber wir haben es gemacht. Vielleicht ist das irgendwie unsere Philosophie. Wir standen an dieser Kreuzung und haben überlegt: Was machen wir?” Dass nicht jedem Dyse im Rapmodus zusage, sei aber auch klar. “Aber es braucht diese Reibung”, so van Gohl. Nur mit kompletter Ablehnung könne er nichts anfangen. “Mich stört einfach hart faschistisches Denken. Und das gibt es auch musikalisch. Was soll denn das? Es ist doch viel schöner, eine Diversität zu erfahren. Man muss nicht alles gut finden, aber man soll den Dingen ihren Platz geben.”
Die Lust am Ungewöhnlichen bleibt somit eine Konstante im Dyse-Kosmos. Das bestätigte sich auch beim Konzert, bei dem das Publikum die mittlerweile bestens etablierte Livetradition, einen imaginären “Höllenjungen” aus dem gleichnamigen Song über die Köpfe zu tragen, mit Feuereifer umsetzte. Diese Art des Humors sei ein zentraler Bestandteil. “Es ist ein bisschen mehr als ein Konzert”, zeigte sich van Gohl stolz, der live auch als Vielredner und Motivator stets gute Figur macht. “Das ist einfach authentisch, so sind wir auch. Ich könnte nicht mit Andrej touren und einfach nur eine Band sein, die wie eine Maschine funktioniert. Wir könnten vielleicht größer sein, wenn wir wirklich wollen würden. Aber dann müsste ich mich selbst bescheißen.”
(Das Gespräch führte Christoph Griessner/APA)
(S E R V I C E – www.dyse-band.de)
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