Fernsehlegende Eva Maria Klinger wird 80

Eva Maria Klinger: “Ich galt immer als blond und herzig”

Mittwoch, 31. Juli 2024 | 08:47 Uhr

Von: apa

Für die älteren Österreicherinnen und Österreicher hat Eva Maria Klinger den Status einer Fernsehlegende. Als eine der ersten “Ansagerinnen” auf den heimischen Bildschirmen erreichte sie nahezu 100 Prozent Bekanntheit. Kurz vor ihrem 80. Geburtstag am 8. August, den sie mit ihrem Sohn und dessen Familie an der französischen Atlantikküste verbringen wird, blickt die Kulturjournalistin im Gespräch mit der APA zurück.

APA: Frau Klinger, wie sehr spielt das Fernsehen noch eine Rolle in Ihrem Leben?

Eva Maria Klinger: Das spielt eine große Rolle. Ich bin ja mit dem ORF sozialisiert worden. Bevorzugt schaue ich mir Nachrichten und Diskussionssendungen an, am liebsten live, also nicht im Nachhinein als Stream, sondern ganz altmodisch vor dem Fernsehapparat. Wann immer möglich, schaue ich die ZIB 1, vor allem aber die ZIB 2. Und meist schaue ich vorher und nachher noch ZDF und ARD.

APA: Das klingt nach einem Newsjunkie, der sich seinen Tagesrhythmus vom Fernsehen diktieren lässt.

Klinger: Wenn man älter wird und mehr zu Hause ist, ergibt sich das fast von selber. Früher, als ich fast jeden Abend unterwegs war, ist sich oft wenigstens die ZIB 2 ausgegangen. Und dann schau’ ich natürlich Filme – bevorzugt jene österreichischer Machart, denn ich sehe gerne, wie sich die heimische Schauspielergilde entwickelt.

APA: Wie beurteilen Sie die österreichischen Nachrichtensendungen?

Klinger: Sie sind glaubwürdig, gut recherchiert, journalistisch redlich gearbeitet. Den Öffentlich-Rechtlichen glaube ich die Nachrichten.

APA: Die Kritik, dass in den heimischen Nachrichten die Welt nur sehr verkürzt dargestellt wird und die Nabelschau überwiegt, teilen Sie nicht?

Klinger: Es stimmt, es ist schon sehr viel Innenpolitik – aber ich muss gestehen, sie interessiert mich auch. Aber die ORF-Auslandskorrespondenten sind fantastisch. Zusätzliche Internationalität bekomme ich dann von ARD und ZDF. Ich schaue etwa nebenher in der Früh ihr Morgenmagazin.

APA: Vielen Menschen geht es so, dass sie angesichts der vielen Krisen und Kriege kaum mehr Lust haben, sich mit den ständigen schlechten Nachrichten zu konfrontieren.

Klinger: So ist eben die Welt, und ich kann mich nicht von ihr verabschieden. Man hat damit zu leben – so wie mit dem Alter, das unweigerlich über einen hereinbricht. Es ist die Realität – und ich bin Realistin. Ich kann auch nur das glauben, was ich wirklich erklären kann. Also muss ich mich informieren und damit auseinandersetzen.

APA: Sie sind Kulturjournalistin. Welchen Stellenwert nimmt die Kultur in den österreichischen Medien ein?

Klinger: Es gibt viel zu wenig Berichterstattung. Vor allem zu wenig vertieft. Es sind oft nur so ein paar Sätze, ein paar Häppchen hingeworfen. Es passiert wirklich sehr viel auf dem Gebiet der Kultur, oft unter Selbstausbeutung der freien Künstler in allen Bereichen. Aber was dann tatsächlich referiert wird, ist nur ein Bruchteil davon. Ich glaube, dass es auch daran liegt, dass sich nur ein kleiner Prozentsatz der Bevölkerung wirklich für Kultur interessiert. Ich habe natürlich einen Freundeskreis, der kulturell interessiert ist. Da denke ich mir immer: Alle sind so. Aber so ist Österreich nicht! Auch in den Zeitungen werden die Kulturteile immer schmäler – und da gibt es immer häufiger nur noch Vorschauen statt Inhalte, weil es angeblich zu wenig gelesen wird. Das ist für mich ein desaströser Befund …

APA: Für Sie ist ein Leben ohne Kultur nicht vorstellbar?

Klinger: Nein. Seit ich nicht mehr voll im Beruf stehe, hab’ ich das Interesse für bildende Kunst noch vertieft. Und ein altes Hobby, für das ich nie Zeit gefunden hatte, habe ich reaktiviert: Ich gehe in Zeitgeschichte-Vorlesungen. Ich mache aber keine Prüfungen, weil ich mich nicht mehr stressen will.

APA: Sie haben ja ein Doktorat?

Klinger: Ja, in Theaterwissenschaft und Germanistik.

APA: Wie andere in der Pension Doktortitel zu sammeln, hat Sie nie interessiert?

Klinger (lacht): Nein. Und selbst auf diesen Titel, den ich 1970 erworben habe, lege ich keinen Wert.

APA: Hat er Ihnen jemals genützt?

Klinger: Als ich am 27. Juni 1967 diesen Sprecherinnen-Wettbewerb gewonnen habe, der von Hans-Joachim Kulenkampff geleitet wurde, war ich ein nettes, junges, offensichtlich relativ telegenes Mädchen von 22 Jahren. Bald galt ich immer als blond und herzig. Das hat mich natürlich gestört, weil ich gedacht habe, ich bin nicht nur herzig, ich kann auch denken und reden. Aber das hat damals im ORF niemanden interessiert. Damals waren Frauen entweder Putzfrauen, Sekretärinnen oder Sprechpuppen. Wir durften die Texte ja auch gar nicht selber schreiben, sondern mussten die paar Sätze, die wir bekommen haben, auswendig lernen. Das war der Anfang der so genannten großen Popularität, denn Fernsehen war damals wichtig. Rundherum waren Männer für alles verantwortlich. Da hab ich mir gedacht: Jetzt mach ich mein Studium fertig, und wenn ich dann die Frau Doktor bin, werden alle ein bisschen respektvoller mit mir umgehen. Dann hab ich im Sommer 1970 promoviert – und es hat sich nichts geändert. Das war erst im Laufe der 1970er mit der Frauenbewegung der Fall. Der ORF war eben ein Spiegelbild der Gesellschaft. Das geht gar nicht gegen Gerd Bacher, den ich hoch geschätzt habe. Er war von den fünf Generalintendanten und der einen Generalintendantin, die ich gehabt habe, der bedeutendste …

APA: Aber ein Macho war er schon?

Klinger: Er war sehr charmant zu Frauen, aber dass sie im Beruf gleichwertig wären – auf diese Idee ist er sehr lange nicht gekommen … Aber allmählich hat sich das gewandelt. Es gab dann auch Redakteurinnen, vor allem im Kulturressort. Trautl Brandstaller war 1986 die erste Hauptabteilungsleiterin – nachdem sie jahrelang gegen viele Widerstände das Frauenmagazin “Prisma” erfolgreich geleitet hat.

APA: Unlängst waren Sie “Bei Stöckl” zu Gast. Dort wurde Ihnen ein Ausschnitt einer Ihrer Moderationen von einst vorgespielt – mit hochtoupierter Frisur … Mit welchen Gefühlen sehen Sie diese Bilder von einst?

Klinger: Ich lächle. Erstens ein bisschen aus Wehmut und Nostalgie, weil es einfach schön ist, jung zu sein. Aus den Begleitumständen hab ich mich ja lösen können. Es war zwar ein mühseliger, aber ein schöner Weg. Ich verdanke dem ORF meinen Werdegang.

APA: Sind Sie eine typische Frau, die von der Gesellschaftspolitik der Kreisky-Ära profitiert hat?

Klinger: Ja, voll und ganz! Es war ja noch in meiner Ehe so, dass der Ehemann bis 1976 zustimmen musste, ob die Frau arbeiten gehen darf. Das ist in meinem Fall schlagend geworden, denn ich war mit einem relativ wohlhabenden Mann verheiratet, der 26 Jahre älter war und eigentlich eine ganz andere Lebensform leben wollte als ich. Ich hab sehr schnell geheiratet und bin leider erst im Laufe der Ehe draufgekommen, dass das gar nicht mein Leben ist: dass ich auf jeden Fall auch ökonomisch unabhängig sein und einen Beruf haben will. Ich musste mir diese Freiheit damals im wörtlichen Sinne erkaufen.

APA: Sie haben dann aber ein mehrjähriges “Gastspiel” im Radio gegeben?

Klinger: Als in der Kulturredaktion bei Volkmar Parschalk eine Stelle frei wurde, bin ich 1984 ins Radio übersiedelt. Dort bin ich fast acht Jahre geblieben und habe in einer sehr angenehmen und sachbezogenen Atmosphäre sehr viel gelernt. Der damalige TV-Programmintendant Ernst Wolfram Marboe hat eines Tages zu mir gesagt: “Was machst denn Du im Radio? Du gehörst doch ins Fernsehen!” Er hat dann bewerkstelligt, dass ich in die Kulturredaktion Fernsehen wechseln konnte.

APA: Werden Sie heute auch noch auf der Straße erkannt und angesprochen?

Klinger: Ja, aber es müssen Menschen sein, die über 50 sind. Meine große Popularität kam ja durch das Ansagen. Das habe ich von 1967 bis 1984 gemacht. Ab und zu ergibt sich ein sehr nettes Gespräch. Damals, mit der hundertprozentigen Bekanntheit, war es eher anstrengend.

APA: Mit diesem Bekanntheitsgrad wurden Sie sicher auch von politischen Parteien als Kandidatin angefragt?

Klinger: Nein. Der ORF ist meine Ausbildung und mein Lebensweg, und daher ist Äquidistanz zu allen Parteien und Institutionen das Um und Auf. Eine Nähe oder eine Verhaberung wäre für mich nie infrage gekommen.

APA: Im Theater in der Josefstadt leiten Sie allerdings seit vielen Jahren Gespräche mit Künstlerinnen und Künstlern des Theaters.

Klinger: Als Herbert Föttinger designiert wurde, habe ich mich erstmals in meinem Leben mit einer Idee beworben und Künstlergespräche vorgeschlagen. Er war sofort Feuer und Flamme. Damit habe ich seit 2006 – ich war damals schon in der ORF-Pension – einmal im Monat ein “JosefStadtgespräch”. Natürlich entwickelt sich da eine gewisse Nähe – aber die strenge Äquidistanz ist auch nicht mehr notwendig.

APA: Bei dieser “gewissen Nähe”: Wie glücklich sind Sie mit der designierten Föttinger-Nachfolgerin Marie Rötzer?

Klinger: Sehr. Wäre ich in der Findungskommission, hätte ich sie auch gewählt. Als Nestroy-Jurorin war ich ja sehr oft in St. Pölten – und da hat sie mir mit ihrem Programm sehr imponiert. Die Josefstadt ist ein spezielles Biotop, da hätte man niemanden aus Nürnberg oder Ingolstadt nehmen können. Frau Rötzer hat den Einblick! Sie ist eine sehr kluge Dramaturgin, die auch international gearbeitet hat. Sie hat immer schon Schauspielertheater gemacht, und wenn sie modernisiert, ist es in einer moderaten Form. So scheint mir, sie ist die Richtige für die Josefstadt.

(Das Gespräch führte Wolfgang Huber-Lang/APA)

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