Regisseur Rainer Erler (Foto von 2004) bleibt lieber in Australien

Filmemacher Rainer Erler genießt mit 90 sein Leben

Samstag, 26. August 2023 | 07:52 Uhr

Von: APA/dpa/lby

Mehr als 40 Spielfilme, 14 Romane, gut zwei Dutzend Erzählungen und Kurzgeschichten sowie fünf Bühnenwerke – das Werk des Münchner Regisseurs, Produzenten und Autors Rainer Erler ist so umfangreich wie kontrovers. Mit künstlerischen Beiträgen wie dem erfolgreichen Psycho-Thriller “Fleisch” sorgte er immer wieder für Diskussionsstoff. Am 26. August feiert der kritische Geist in seiner Wahlheimat Australien seinen 90. Geburtstag.

“Mit einem kleinen Sektempfang für Freunde und einem Abendessen im Kreis der Familie. Das genügt”, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Seine Liebe zum fünften Kontinent ergab sich durch das Filmemachen. Er produzierte in 30 Ländern – für drei Filme (darunter “Das schöne Ende dieser Welt”) ging es nach Australien. Vor allem die Stadt Perth hat es ihm angetan, und auch seiner Familie. “Unsere Tochter Tatjana ging hier zur Schule, studierte da und ist seit 23 Jahren mit einem Australier verheiratet”, sagt Erler.

Wenn es in den letzten Jahren in seiner bayerischen Heimat kalt wurde, zog er mit seiner Frau Renate ins warme West Australien. Und wenn es dort Winter wurde, ging es wieder zurück nach Bayern. “So haben wir das einige Jahre lang gemacht”, erzählt Erler. Die Flugverbindung sei gut gewesen: Dreimal täglich habe eine Maschine von Perth mit Ziel München abgehoben. Doch dann kam Corona: “Seit 2020 sind wir nicht mehr nach München geflogen.”

Die Reisestrapazen eines langen Flugs wollen sich die betagten Eheleute nicht mehr antun. Warum auch? “Wir sind hier gut versorgt”, sagt er. Seine Tochter wohne mit Mann und den zwei Kindern gleich nebenan. Wehmut kommt bei dem nunmehr seit 20 Jahren im Ruhestand lebenden künstlerischen Allrounders dennoch gelegentlich auf: Die alten Freunde und Kollegen vermisse er, sagt er. Viele von ihnen seien aber schon gestorben.

Sein letzter großer Film – “Die Kaltenbach-Papiere” – war starbesetzt mit Mario Adorf und Ulrich Tukur im Jahr 1990 entstanden. “Aufzuhören war für mich schwer”, verrät er. Filmemachen sei sein Leben, sein Lebenselixier gewesen. Aber auch ein Ventil, um auf Missstände und ungesunde Entwicklungen hinzuweisen. “Ich war ja auch immer Autor, und Themen gab es auch damals schon mehr als genug.”

Zu den bekanntesten Werken des gebürtigen Münchners gehören die gesellschaftskritische Komödie “Seelenwanderung”, das Polit-Drama “Plutonium”, die Science-Fiction-Filme “Das blaue Palais” und “Operation Ganymed” sowie der Psycho-Thriller “Fleisch”, in dem Erler bereits 1979 das Thema Organhandel packend thematisierte. An Kinoverleiher in 127 Ländern sei der Film verkauft worden, erinnert sich Erler. “Sogar in der DDR war es ein unglaublicher Erfolg. Die haben dort zwölf Millionen Kinokarten verkauft.”

Das politische Treiben in Deutschland beobachte er jetzt aus “sicherer Distanz”, wie er sagt. Und was er sieht, begeistert ihn nicht gerade. “Wenn die Grünen und die SPD ohne die FDP ihre Pläne und Visionen durchsetzen könnten, hätte die Zukunft in Sachen Klima und Energie eine bessere Chance”, meint er. Dass Außenministerin Annalena Baerbock kürzlich aufgrund technischer Mängel beim Regierungsflieger nicht nach Australien reisen konnte, sei in Erlers neuer Heimat eine “Lachnummer” gewesen.

Ansonsten aber sei “Made in Germany” bei Autos, Küchengeräten und anderen technischen Produkten in Australien immer noch ein Gütesiegel. Das gilt auch für Erlers künstlerische Hinterlassenschaft: Wo Erler drauf steht, ist zeitlose Qualität drin.