Von: apa
Um den angeblichen Gegensatz von Volkskultur und Hochkultur zu widerlegen, bei der Freunde der Blasmusik gegen Fans der Avantgarde ausgespielt werden sollen, ist ein Gespräch mit Trompeter Thomas Gansch ein probates Mittel. Der Mitbegründer von Formationen wie Mnozil Brass und Blasmusik Supergroup hat sein ganzes bisheriges Musikerleben als Grenzüberschreiter verbracht. Im Jahr seines 50. Geburtstags, den er am 31. Dezember feiert, setzt er ein Feuerwerk an Aktivitäten.
“Ich hab eigentlich immer viele Projekte, aber heuer sind schon einige ganz spezielle dabei, die dem Jubiläum geschuldet sind”, erzählt der in St. Pölten geborene und in Melk aufgewachsene Musiker, der in den vergangenen Wochen gleich zwei Unfälle zu verkraften hatte. “Aber jetzt ist meine Pechsträhne vorbei!” Nun blickt er voll Vorfreude auf das Kommende, denn der Terminkalender für 2025 ist zwar unglaublich dicht, “aber gut eingeteilt. Es gibt immer schöne Pausen und Regenerationszeiten dazwischen. Wenn man immer nur liefern muss, wird es sehr belastend für die Psyche.”
“Kondition, Disziplin und Regeneration”
Gansch hat die Erfahrung, Dinge nicht mehr selbst steuern zu können, sondern “von ihnen überwältigt” zu werden, bereits zweimal gemacht, zuletzt 2022. “Da war es besonders schlimm. In der Corona-Zeit wurde alles verschoben, und dann kam alles auf einmal. Da war ich absolut am Limit. 2023 hab ich dann weniger gespielt und als Ausgleich und Vorbereitung zum Meditieren angefangen.”
Aber noch immer gibt es Momente, die schiefgehen können. Wie jüngst in Holland, wo der Arbeitstag am Vormittag Proben und am Nachmittag und Abend zwei Konzerte vorsah. Er habe dann das Finale verpatzt, sei aber froh, dass es sich konditionell gerade ausgegangen wäre, sagt der Trompeter im Gespräch mit der APA. “Es ist Kondition, Disziplin und Regeneration. Was ich mache, ist Spitzensport, aber man sieht es nicht. Ich muss täglich drei Stunden üben, damit alle Muskeln jederzeit funktionieren. Bei mir ist es ja noch einmal speziell, weil ich so viele verschiedene Dinge mache. Das ist schon anspruchsvoll.”
Neue Komposition für Wynton Marsalis
Anspruchsvoll ist etwa auch ein Kompositionsauftrag für eine Orchestersuite, die vom großen Jazztrompeter Wynton Marsalis für das Jazz at Lincoln Center Orchestra beauftragt wurde und in weniger als einem Monat fertig werden muss. “Wir spielen das gemeinsam, das ist eine große Ehre für mich. Wynton Marsalis ist ja ein großes Vorbild von mir.” Der gemeinsame Auftritt findet am 4. April im Wiener Konzerthaus statt.
Wird die Zeit da nicht etwas knapp für eine 20-minütige Suite? “Ein Teil ist mir ziemlich klar, der ist fast fertig, die anderen sind nur in Skizzen da. Aber ich werde das schaffen. Hoffe ich.” Steht da noch eine Schreibklausur an? “Klausuren funktionieren bei mir gar nicht. Ich schreibe vorwiegend beim Zugfahren, meist mit dem Computer, in den ich Musik eintippe. Seit 30 Jahren arbeite ich mit demselben Programm – und jetzt stellen sie es ein! Ich fürchte, ich werde mich umstellen müssen”, stöhnt Gansch.
Kapitän auf dem Traumboot der Blasmusik
Zu seinen Jubiläumsprojekten für das halbe Zentenarium zählen eine weitere Zusammenarbeit mit dem Tonkünstlerorchester Niederösterreich (“Gansch Schön Groß”) und ein Revival seiner Gansch & Roses, mit denen er im Herbst als Gansch & Roses 50th Anniversary Band auf Tournee geht. “Da hol’ ich mir ein paar richtige heiße Idole von mir – lauter alte Herren”, lacht der Musiker, der nach ein paar Konzerten mit seiner Blasmusik Supergroup in Kürze zum 30-jährigen Bandjubiläum von Mnozil Brass zu einer US-Tournee aufbricht.
Auf noch ein ganz spezielles Abenteuer hat sich der vielseitige Blasmusiker, der auch zur “Schlagertherapie” lädt oder “Alpen & Glühen” veranstaltet, zum Geburtstag eingelassen: “Im Juni machen wir als Brass Boat eine Kreuzfahrt: Mit dem Traumboot der Blasmusik fahren wir von Düsseldorf nach Amsterdam, mit meinen Kollegen Leonhard Paul und Holger Müller und mir als trompetenden Kapitän. An Land gibt’s drei große Konzerte und an Bord viele kleine sowie Workshops und so. Da bin ich gespannt!”
“Strau$$ – ein Tänzchen zwischen den Stühlen”
Und natürlich darf 2025 ein Projekt für das Johann Strauss-Jahr nicht fehlen. Unter dem Titel “Strau$$” lädt er gemeinsam mit Mnozil Brass zu einem “Tänzchen zwischen den Stühlen”. “Die zwei Dollarzeichen zeigen, dass es auch ein wenig um die Geschichte der Kommerzmusik geht. Strauss ist für mich eine liebliche Suppe, die immer ein bisschen gleich schmeckt. Dabei war Strauss ein großer Kunst- und Musikliebhaber. Die Frage ist, wie sehr ihn der Erfolg dazu gezwungen hat, sich immer wieder auf dasselbe einzulassen. Wahrscheinlich war er nicht immer happy mit dem, was er gemacht hat, aber er wird wahrscheinlich mit seinem Kontostand happy gewesen sein …”
Nicht ganz happy ist Gansch mit dem einstigen Musiksuperstar, der Publikum in Russland und den USA gleichermaßen begeisterte. “Ich hab ein durchaus ambivalentes Verhältnis zu Johann Strauss. Als angehender Musiker hab ich für ganz wenig Geld viel im Walzer Orchester im Kursalon und auf Bällen gespielt. Strauss hieß immer: Knochenjob. Dann bin ich insofern geschädigt, als dass mein Geburtstag zu Silvester ist: Da wird immer der Donauwalzer gespielt. Am nächsten Tag wollen dann alle das Neujahrskonzert schauen, während ich nur ausnüchtern und meine Ruhe haben will. Und schließlich spielen sie auch in der AUA immer Strauss oder die Gassenhauer von Mozart. Das macht mich fertig. Wie also soll ich mich Strauss annähern, ohne zu verzweifeln?”
Donauwalzer in Hochwasserversion
Für “Strau$$”, das nach einem sommerlichen Try Out in Wiesbaden am 29. September im Wiener Konzerthaus aufgeführt wird, “hab ich mir daher erlaubt, den Donauwalzer und die Tritsch-Tratsch-Polka komplett zu verhunzen. Die Musik wird ein bissl ungewohnt sein – aber man wird sie erkennen. Aus Tritsch-Tratsch habe ich Tritsch-Trash gemacht, und der Donauwalzer heißt nun: ‘An der schönen blauen Donau, Hochwasserversion’. Das wird lustig, mit viel Choreografie. Die Choreografin hat schon haufenweise Schritte geschickt, die wir lernen müssen. Das wird eine Herausforderung.”
Eine andere Herausforderung bleibt dem Musiker voraussichtlich erspart: Die Blasmusik gegen die Vereinnahmung durch die Kulturpolitik einer FPÖ-geführten Bundesregierung zu verteidigen. Eine brave, traditionelle Volkskultur und eine böse, kritische Avantgarde – mit dieser Vorstellung kann Gansch gar nichts anfangen. “Das gehört doch dazu, das Anecken! Auch das Volkstheater hat immer davon gelebt, dass man die Mächtigen kritisiert und ihnen den Spiegel vorgehalten hat. Die FPÖ hätte am liebsten nur Kunst, die sich selber finanziert. Dann können wir 365 Tage im Jahr Gabalier-Konzerte anhören. Das wird sicher immer gut verkauft sein – hat aber mit einem übergeordneten kulturellen Auftrag nichts zu tun. Kunst hat ja einen nicht ans Materielle gebundenen Wert. Sie soll uns zum Nachdenken bringen.”
Musik: Ein Boden, den man gemeinsam bestellt
Dass der Solokünstler in den unterschiedlichsten Konstellationen mit einer Vielzahl von Kolleginnen und Kollegen auftritt, zeigt auch seine grundsätzliche Auffassung: Besser gemeinsam statt einsam. “Eine Musikgruppe ist ab einer gewissen Größe immer ein Abbild der Gesellschaft. Nur hat man mit der Musik einen Boden, den man gemeinsam bestellt. Auf diesem Boden begegnet man sich respektvoll, egal, wie die anderen denken.”
Die zunehmende Spaltung der Gesellschaft sei auch auf Entfremdung und Distanzierung zurückzuführen, sagt Thomas Gansch. “Diese Spaltung passiert ja kaum Aug in Aug, die wird vorwiegend in den Sozialen Medien geschürt. Dort herrscht die totale Empörungslust. Alles endet innerhalb kürzester Zeit bei einem ‘Entweder-Oder’.” Ganschs Motto ist daher eher ein verbindendes “Und”: “Ich möchte gegen Spaltung in jeder Form auftreten.” Und man ist versucht hinzuzufügen: In jeder Formation.
(Das Gespräch führte Wolfgang Huber-Lang/APA)
(S E R V I C E – https://ganschathome.com)
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