Von: apa
Garish ist zurück: Mit “Am Ende wird alles ein Garten” legt das Quartett acht Jahre nach der letzten Studioplatte ein neues Werk vor, das wieder voller kluger Sätze, augenzwinkernder Momente und großer Melodien ist. Die Band versprüht eine Leichtigkeit, die einem Nichtmüssen, dafür Wollen geschuldet scheint. “Es ist recht entspannt im Sinne von: Es schaut aus, dass diese Chemie, dieses Pingpong-Spiel untereinander nach oben offen verfügbar ist”, beschreibt es Thomas Jarmer.
Ein Altern in Würde
Der Sänger sieht die Gruppe, die neben ihm aus Gitarrist Julian Schneeberger, Bassist Kurt Grath und Schlagzeuger Max Perner besteht, an einem guten Punkt. “Du kannst dir nichts Besseres wünschen, als dass die Kurve gefühlsmäßig immer noch nach oben geht.” Man habe nie den Eindruck gehabt, “als würden wir nur Wasser hinzufügen, um das Ganze zu verdünnen. Oder als würden wir Dinge nur wiederholen. Gerade die Wiederholung haben wir strikt – manchmal viel zu strikt – vermieden”, betont er im APA-Gespräch. Perner ergänzt lachend: “Ich habe das Gefühl, dass wir in Würde altern. Solange wir dieses Gefühl haben, machen wir auch weiter. Warum nicht?”
Untätig war Garish seit “Komm schwarzer Kater” (2017) jedenfalls keineswegs, brachte die Band doch ein Livealbum ebenso unter die Leute wie eine Compilation zum 25-Jahr-Jubiläum. Von den Konzerten ganz zu schweigen. “Wir hätten eigentlich nach dem letzten Album recht schnell die Arbeit an etwas Neuem aufnehmen können”, nickt Jarmer. “An etwas sehr Konkretem.” Dem machte aber nicht zuletzt Corona einen Strich durch die Rechnung. “Wir standen im Studio, und es kam der Anruf: Die Session für heute ist beendet, es gibt einen Coronafall in der Familie. Hände hoch, es war erledigt.”
Keine Umwege gescheut
Aber wie heißt es so schön: Gut Ding braucht Weile. “Wir sind viele Umwege gegangen, um da jetzt anzukommen. Diese Umwege haben wir aber auch nicht gescheut”, betont Jarmer. “Sobald du eine erste Nummer hörst und dir denkst: Wow! Dann willst du weitermachen und weißt, dass es für die Band eigentlich gut ist und sie es kann. Die Frage ist nur: Wie?” Einige Zeit habe man anfangs im Studio verbracht, gemeinsam getüftelt, ein bisschen am Rechner herumprobiert, sei aber zunächst nirgends angekommen. “Bis wir festgestellt haben: Das ist nicht der Weg, den wir gehen sollten”, erinnert sich Perner. “Wir sind eine Band. Setzen wir uns doch gemeinsam in einen Raum, jeder an sein Instrument, und spielen wieder miteinander. Dann ist uns der Knopf aufgegangen.”
Es wurde also der “Jackpot” geknackt, und das nicht nur im gleichnamigen Song, der trotz melancholischem Gestus wie eine musikalische Umarmung wirkt. Sich nicht zufrieden geben, weitermachen, den Blick nach vorne richten heißt es im leichtfüßigen “Das können wir besser”, bei dem nicht nur mit Handclaps und fuzziger Gitarre Akzente gesetzt werden. Irgendwo zwischen Reduktion und rhythmischer Finesse hat es sich “Tausendmal Ja” gemütlich gemacht, während “Etui” einen kleinen Raum öffnet, in dem sich Intimität und Märchenanleihen die Hand reichen. Nicht zu vergessen all die schönen musikalischen Brüche, die sich auf der Platte verstecken. Tür um Tür wird geöffnet, um Neues hervorzuzaubern.
Umarmen statt spalten
Und dann ist da natürlich “Die Faust”: Hier ist von “nonstop Radau” die Rede, davon, wie sehr man sich über die Welt aufregen kann – nur um zum versöhnlichen Schluss zu kommen: “Halt mich, jetzt gleich. Das wär’ vielleicht kein Fehler, das weiß ich ganz genau.” Für Jarmer hat “die Nummer eine bestimmte Funktion. Ich wollte damit verfestigen, dass mir das Ganze rundherum so unglaublich zu schaffen macht und mir so am Arsch geht.” Rechtsruck, Kriege, gesellschaftliche Spaltung – ein Mangel an Hiobsbotschaften herrscht wahrlich nicht. “Wie geht man damit um? Welche Strategien sind davon ausgehend überhaupt denkbar? Und da rede ich gar nicht davon, die Welt zu verändern, sondern: Wie werde ich alleine damit fertig?”, fragt Jarmer.
“Ein guter Anteil der Menschen möchte das so, wie es jetzt ist”, konstatiert der Sänger, der sich davon isoliert fühlt. “Wie kann es das geben? Das zu begreifen und einen produktiven Umgang damit zu haben, ist enorm schwierig und herausfordernd. Schließlich musst du Zeit damit verbringen. In den USA müssen sie jetzt vier gute Jahre lang schauen, wo das hinführt. Ein Teil der Leute dort muss damit klarkommen, dass gerade alles komplett in die falsche Richtung geht. Der Aufwand, das wieder rückgängig zu machen oder dem etwas entgegenzustellen, ist so enorm, dass er gar nicht zu leisten sein wird.” All das schwinge für ihn in “Die Faust” mit. “Das in dieser Nummer zu wissen, war eine große Freude für mich. Sie ist richtig ein Platz zum Schreien. Da müssen wir live aufpassen, dass wir die nicht zu laut spielen”, schmunzelt er.
“Optimistisch, aber nicht bedingungslos”
Die Platte sei dennoch getragen “von einem grundsätzlichen Optimismus”, so Jarmer. “Auch im Affekt, im Zweifel. Optimistisch, aber nicht bedingungslos. Es braucht ein zueinandergewandt Sein.” Das spiegle sich auch im Titel wieder. “Es kann lange dauern, aber am Ende wird es irgendwie gut.” Dennoch wünsche er sich nicht zuletzt in Bezug auf sozialpolitische Themen eine “Neuerzählung”: “Ich kann die ganzen Schlagwörter, die kursieren, schon nicht mehr hören. Das alles heißt inhaltlich ja nichts mehr, weil es so relativiert worden ist. Aber auch die sprachliche Abnutzung, das Skandieren von diesem und jenem. Insofern braucht es eine Neuerzählung von all den Vorhaben.” Ein Versuch, den er nicht zuletzt in seinen Texten vornimmt. “In unserem Kleinen hat es stattgefunden und ist gutgegangen. Das ist Textarbeit ja auch: An das Große da draußen denken, aber ausgehend von etwas ganz Kleinem, ganz Einfachem.”
Musik könne jedenfalls verbindend wirken – selbst wenn das Arbeit für die Band bedeute. “Musik kann als Angebot gesehen werden, sich verstanden zu fühlen. Das habe ich seit jeher bewundert. Egal ob das bei Roy Black oder Tom Waits ist, es ist immer derselbe Anlass”, sagt Jarmer. Garish selbst habe das erst ab einem gewissen Zeitpunkt am Schirm gehabt. “Spielst du über den Bühnenrand hinaus, dann ist es sehr wahrscheinlich, dass etwas zurückkommt. Diese Veränderung hat bei uns im Publikumsbereich angefangen. Meine Scheu mich hinauszulehnen, war anfangs viel zu groß. Aber es ist jetzt maßgeblich dafür, wie die Konzerte sind. Du machst das sonst nirgends, sondern nur dort.” Gemeinsam darf man sich ab 20. März hinauslehnen, wenn Garish auf Österreichtournee geht.
(Das Gespräch führte Christoph Griessner/APA)
(S E R V I C E – Garish live: 20.3. Posthof Linz, 21.3. Dom im Berg Graz, 22.3. Spielboden Dornbirn, 4.4. Bäckerei Innsbruck, 5.4. ARGE Kultur Salzburg, 10.4. WUK Wien, 11.4. Kulturhof Villach, 23.5. OKH Vöcklabruck, 24.5. Kultur:Plattform St. Johann in Tirol, 4.6. Cinema Paradiso Baden, 5.6. Cinema Paradiso St. Pölten, 28.6. Burg Schlaining, www.garish.at)
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