Von: apa
Sein Name steht für verbale Feuerwerke mit Scharfzüngigkeit sowie höchster Unterhaltungs-und Humorgarantie: Fernsehikone Harald Schmidt. Im APA-Interview lässt die 66-jährige TV-Legende wissen, dass er in der Debatte um das “Sylt-Video” Antisemitismus “völlig draußenlassen” würde, ein Präsident Trump nicht automatisch Schlechtes bedeute, der nächste Papst aus Afrika kommen sollte und er dem ORF eine vom ihm moderierte Sendung ans Herz legt: Die “Ösis für/nach Afrika-Gala”.
Und nach getaner Interview-“Arbeit” sorgte Schmidt noch für ein fast zweistündiges Lachtränenmeer. Nämlich anlässlich seines dritten, ausverkauften Gastspiels beim Zillertaler Theaterfestival “Steudltenn”. Im “Doppel-Zwiegespräch” mit Intendant Hakon Hirzenberger, das fast zum Monolog mutierte, gab er die Nonstop-Anekdotenmaschine mit köstlichem Lästermaul-Einschlag. Ein Beispiel: “Ich habe festgestellt: Bei den D-Day-Feierlichkeiten wirkten viele Veteranen fitter als der Joe (Biden, US-Präsident, Anm.).”
APA: Herr Schmidt, jetzt im Zillertal. Kürzlich in Klagenfurt und Gmunden. Derzeit auch an der Volksoper in “Die Dubarry”. Sie sind oft in Österreich. Was macht diese ungeheure Anziehungskraft aus?
Harald Schmidt: Die persönlichen Dinge, die Beziehungen zu den Verantwortlichen bei diesen Veranstaltungen, wie etwa zu Hakon Hirzenberger. Dann die Gastronomie. Und ich bin bequem und schlafe nicht mehr so gerne unter Moskitonetzen. Und das muss man ja in Österreich noch nicht. Aber wenn das mit der Wärme so weitergeht, kommt die Tigermücke vielleicht auch hier her (schmunzelt). Und dieses Klischee-Österreich, das ich liebe. Deshalb fahren ja auch viele hierher. Ich bin überzeugt: Viele von unseren asiatischen Freunden glauben, dass Sisi noch lebt.
APA: Wann gehts wieder aufs TV-“Traumschiff”? Die Rolle gleich wie bisher oder größer?
Schmidt: In Kürze. Ich gehe am Polarkreis auf das Schiff. Wir drehen einmal in Norwegen und dann geht die Fahrt von Kopenhagen nach Finnland. Das ist aber die Folge “Miami”. Man muss halt aufpassen, dass nicht ein Eisberg ins Bild kommt. Die Rolle ist gleich wie bisher. Selbst der Text ist gleich wie bisher (lacht). Ich möchte mich da im Alter nicht mehr allzu sehr umstellen.
APA: Seit unserem letzten Gespräch bei “Steudltenn” vor einem Jahr gab es zwei große “Bomben” im deutschen Fernsehen: Den Gottschalk-Abschied bei “Wetten, dass..?” und das angekündigte Stefan Raab-Comeback. Ihre Meinung?
Schmidt: Das mit Thommy hab ich gar nicht so wahrgenommen. Ich habe “Wetten, dass..?” seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen. Ich schaue nur Talkshows oder Medizinsendungen. Den “Bergdoktor” schaue ich ab und zu. Der Sigl Hans macht das sehr gut. Der hat die medizinischen Sachen sehr gut drauf. Mir wäre es schon zu anstrengend, den Text auswendig lernen zu müssen. Bei Raab ist es erstaunlich, dass er noch mal boxen will. Er wird ja auch nicht jünger. Ich habe seinen Geschäftssinn immer respektiert.
APA: Den hatten Sie doch auch immer?
Schmidt: Ja, aber er war immer sehr, sehr clever im Erfinden von Formaten. Ich eher im Fordern von Gagen.
APA: Zu einer leider verstorbenen Legende: Franz Beckenbauer. Ihre Erinnerung?
Schmidt: Wir hatten ein paarmal miteinander zu tun, sehr angenehm. Es wird nie mehr so eine Karriere geben wie die von Beckenbauer. Da können andere noch so viele Titel gewinnen. Weltmeister als Spieler und Trainer, eine einmalige Geschichte. Dann diese Leichtigkeit. Sein Stellenwert lag auch an der Persönlichkeit Beckenbauer. Es muss auch immer ein Schicksalsschlag überwunden werden. Dasselbe bei euch: Niki Lauda, Hermann Maier. Da können andere Kilos an Goldmedaillen gewinnen, sie kommen nicht heran.
APA: Kommende Woche beginnt die Fußballeuropameisterschaft in Ihrem Heimatland. Schon in Vorfreude? Wie beurteile Sie die Chancen Deutschlands und Österreichs?
Schmidt: Ich freue mich und erfahrungsgemäß wird man wieder alles schauen. Deutschlands Chancen auf den Titel stehen gut. Bundestrainer Nagelsmann hat das Richtige gemacht, junge Spieler geholt, ganze Blöcke wie etwa vom VfB Stuttgart, die einen Lauf haben. Mut zum Umbruch gezeigt. Und ich glaube, dass ihr weit kommen werdet, ich sehe euch mindestens im Halbfinale.
APA: Man hat aber nicht das Gefühl, dass eine solch nationale Euphorie herrscht in Deutschland wie beim “Sommermärchen” 2006…
Schmidt: Das liegt daran, dass man medial alle zwei Minuten “Sommermärchen” befohlen kriegt. Das “Sommermärchen” war in meiner Erinnerung jenes, in dem Italien Weltmeister wurde.
APA: Zu etwas gänzlich anderem: In Deutschland herrschte zuletzt, vor allem auch medial, helle Aufregung und Empörung über das sogenannte “Sylt-Video”, in dem junge Menschen vor einem Lokal rassistische Parolen grölten. Man sah teils den Antisemitismus zurückkehren. Waren Sie schockiert?
Schmidt: Nein, ich bin nie auf Sylt. Dass im Suff alles mögliche gegrölt wird, kann ja niemanden überraschen. Ich weigere mich an jeder Aufgeregtheit teilzunehmen, die mir hingehalten wird. Das Thema hat sich genau einen Tag lang gehalten, dann kam das nächste Hochwasser. Antisemitismus würde ich hier völlig draußenlassen. Es war ausländerfeindlich. Ich würde sehr vorsichtig sein, den Antisemitismus zu instrumentalisieren. Es wird ja auch alles gleichgesetzt: rechts, rechtsradikal, reaktionär. Die Begriffe werden inflationär verwendet. Aber ich weiß, wie die Situation der Medien ist: Sie müssen schreiben und für Aufreger sorgen. Die Klickzahlen müssen stimmen.
APA: Viele sehen in Europa generell zunehmend die “rechte Gefahr”. Zittern Sie etwa vor der AfD?
Schmidt: Die AfD ist eine Partei, die zur Wahl steht. Wer sie wählt, weiß, was das Programm ist, das wird auch nicht verheimlicht. Die Partei sitzt im Bundestag und Länderparlamenten. Ich akzeptiere, was der Souverän entscheidet. Der Begriff “Souverän” ist mir heute in der Zillertalbahn eingefallen (lacht). Und: Ich bin ein großer Freund der Demokratie und der Akzeptanz von Wahlergebnissen. Dann ist es Aufgabe der Politik, damit umzugehen. Ich kann mich nicht über Wahlergebnisse aufregen. Wenn ich das nicht will, muss ich Wahlen abschaffen oder Ergebnisse vorher festlegen.
APA: Im November dann die Präsidentschaftswahl in den USA…
Schmidt: Ein Traum. Allein der Trump-Prozess vor kurzem. Mit Aussagen wie: “Sie haben mich als kleinen, jammernden Scheißer bezeichnet.” Antwort: “Richtig.” Das ist einfach New York. Auch der Wahlkampf wird noch groß. Ich freue mich auf die TV-Duelle Biden-Trump. Die Verurteilung nützt Trump sicher. So nach dem Motto: “Euer Donald kämpft für euch.”
APA: Wäre ein erneuter Präsident Trump gut für die Welt?
Schmidt: Ganz ehrlich: Er war jedenfalls kein Kriegstreiber. Abgesehen davon, ist vieles identisch mit der Politik Bidens, etwa was die Migration an der Grenze zu Mexiko betrifft. Ich sehe als Europäer keinen Unterschied in den Auswirkungen. Mich interessieren nur zwei Fragen: Haben wir Krieg, und was macht die Börse?
APA: Die Jugend gilt als teils wütend aufgrund der Klimapolitik. Tangiert Sie das?
Schmidt: Nein. Ich hatte zuletzt ein anderes Highlight: Die Eröffnung der Wiener Festwochen mit dem Aufruf zur Revolution und der Ausrufung der “Freien Republik Wien”. Gesponsert von der Stadtsparkasse Wien. Da sage ich: Wenn das kommt, möchte ich sofort die Staatsbürgerschaft beantragen (lacht).
APA: Wie steht’s als gläubiger Katholik um Ihre Kirche? Zufrieden mit dem Papst?
Schmidt: Jetzt, wo mein Papst gesagt hat: “Schluss mit der Schwuchtelei in den Priesterseminaren.” Und dann noch nachgelegt hat mit “Geschwätz ist Frauensache”. Vielleicht bekommt man auf diese Weise neue Mitglieder (lacht). Ich mag ihn. Es war bisher eigentlich immer der richtige Papst. Der nächste Papst sollte aber aus Afrika kommen. Es wär an der Zeit. Immer mehr Katholiken dort. Wo das wirkliche Elend herrscht, sieht die Sache ganz anders aus als bei uns: Da haben die Leute teilweise nichts anderes als den Glauben.
APA: Ein schwarzer Papst?
Schmidt: Würd’ ich gar nicht sagen, aber Afrika. Ein Tunesier hat ja nix mit einem aus Ruanda zu tun. Da bin ich schon wieder ethnologisch unfassbar genau (lacht). Nein, die Weltkirche muss auf die Plätze schauen, wo die heimliche Zukunft liegt. Riesiges Potenzial. Viele Menschen, all die Rohstoffe. Da muss man dann vielleicht noch dahin “rübermachen”. Apropos: Da fällt mir etwas ein…
APA: Ja bitte.
Schmidt: Die “Ösis für/nach Afrika-Gala”. Als Benefiz-Solidaritätskation und Beitrag für den Kontinent der Zukunft. Das würd’ ich zum Beispiel noch moderieren, im ORF. Bedingung wäre: Live, Open-Air auf dem Heldenplatz. Auftreten müsste Andre Heller, mit einem kurzen Zirkuselement. Und ganz wichtig: Elfriede Jelinek. Entweder zugeschaltet, sie tritt live auf oder sie lässt es vom Niki (Ofczarek, Anm.) vorlesen. Dann eine Lesung von Minichmayr (Birgit, Anm.) und ein kurzes Referat über die politische Weltlage von Harald Krassnitzer. Mit dem Satz: “Der Riss geht durch Familien.” Für die breite Masse würde ich das Neujahrskonzert vorziehen. An den Spendentelefonen müssen prominente Österreicher auf dem Weg nach oben – oder noch wahrscheinlicher auf dem Weg nach unten – sitzen. Stermann und Grissemann etwa, die sehr populär sind. Ich möchte aber klar stellen, dass das kein Remigrationskonzept ist. Nicht, dass man mir die Einreise verwehrt, ich klagen muss und dann doch kommen darf. Ich verzichte natürlich auf meine Gage, um die Wichtigkeit zu unterstreichen.
APA: Würden Sie alleine moderieren oder mit Sidekick?
Schmidt: Alleine natürlich. Die Zeit, in der man im ORF noch einen feschen Hasen danebengestellt hat, ist ja durch Wokeness vorbei.
(Das Gespräch führte Wolfgang Eder/APA)