Von: apa
Die Gruppe wird seit Gründung 1973 ihrem Namen gerecht: AC/DC stehen unter Strom. Sind Mitglieder gestorben oder zwischenzeitlich ausgefallen, hat die Formation weitergemacht. Mit Angus Young ist das letzte Originalmitglied dabei, ein Derwisch, der noch mit 69 in Schuluniform auftritt und mit seinem Gitarrenspiel ganze Stadien elektrifiziert – wie am Sonntag in Wien. Die Show von AC/DC war durch und durch “High Voltage” (so ein Songtitel). Am Mittwoch folgt die Wiederholung.
Der Anfang war Programm: AC/DC legten ohrenbetäubend im Ernst-Happel-Oval mit “If You Want Blood (You’ve Got It) los. Nicht anders will man es haben: “Spaß und Rock ‘n’ Roll”, wie Sänger Brian Johnson raunte. Es wurde nicht viel gesprochen, nicht lange gefackelt. Die Rhythmusmaschine mit den drei neuen Mitgliedern – Steve Young (seit 2014) an der Rhythmusgitarre, Matt Laug an den Drums (seit 2023) und Chris Chaney am Bass (seit heuer) – trieb unermüdlich an. Johnson kreischte sich die Seele aus dem Leib. Und Angus Young ist Angus Young: Einer der besten Rockgitarristen aller Zeiten, der ein grandioses Soli nach dem anderen seinem Instrument abkämpft.
Um es vorwegzunehmen: Der übersteuerte, matschige Sound musste als einziges Manko an diesem Abend vermerkt werden. Aber davon ließen sich weder Band noch ihre Anhänger aus der Euphorie reißen. Als das Riff für die Ewigkeit von “Back In Black” ertönte, schrien 59.000 Fans kollektiv auf. Nicht weniger Begeisterung bei der genialen Rockhymne “Thunderstruck”: AC/DC mögen seit dem Tod von Malcolm Young, dem vermutlich größten Rhythmusgitarristen, den die Rockmusik je hervorgebracht hat, etwas grobkörniger klingen, aber an Druck und Spielfreude haben sie nicht verloren.
Das Stück “Demon Fire” vom aktuellen (sehr soliden) Album “Power Up” nahm man hin. Das etwas später folgende “Shot In The Dark” vom selben Opus kam da schon besser an und hat auch das Zeug zum AC/DC-Klassiker. Aber natürlich waren es die Hits, die abgefeiert wurden: “Hells Bells” (mit herabschwebender Glocke), “Highway To Hell” (mit brennender Bühne) und “You Shook Me All Night Long” (mit gezündetem “Bengalo” in der Menge). Es ist Hochleistungssport, den Johnson und Angus Young beim Auftritt treiben. Ersterer, bei der vorangegangenen Tour wegen Hörproblemen von Axl Rose ersetzt, singt, als würde er jedes Wort aus den Tiefen seines Körpers würgen. Hut ab, wie viel Kraft in der Stimme des 76-Jährigen noch liegt.
Doch die Show an sich gehörte Angus: Bei “Shot Down In Flames” hüpfte er zum ersten und nicht letzten Mal im Duckwalk über einen Steg. “Dirty Deeds Done Dirt Cheap” beendete er mit einem furiosen Gitarrenbrett, das vermutlich bis zu den zeitgleich spielenden Wanda am Donauinselfest hallte. Bei “Sin City” malträtierte er die Saiten mit der Krawatte der Schuluniform. Längst ohne Kappe und Blazer, nur mehr in kurzen Hosen und aufgeknöpftem Hemd, setzte er bei “Let There Be Rock” zu einem extatischen, mehr als 15 Minuten langen Solo an, bei dem er sich irgendwann auf einer Hebebühne am Boden liegend im Kreis drehte – und kein Ton lag daneben.
Da braucht es wenig Firlefanz (der sich diesmal in erster Linie auf Videowalls und ein bisschen Pyrotechnik beschränkte), wenn man einen Angus Young im Line-Up hat und nach 90 Minuten Hochspannungs-Rock-‘n’-Roll auch noch mit den Songs “T.N.T” und “For Those About to Rock (We Salute You) ins Finale gehen kann. Diese Band scheint tatsächlich unkaputtbar.