Von: APA/dpa
Die Stimme von Jack Antonoff strahlt trotz eines Alltags, der stressig sein muss, Gelassenheit aus. “Ich bin Optimist. Aus welchem verdammten Grund auch immer”, witzelt der 39-Jährige am Telefon. Er steht kurz vor der Veröffentlichung der neuen Platte “Bleachers” – seiner gleichnamigen Band. Es ist das vierte Album der Indie-Pop-Kombi, aber für Antonoff eine von sehr, sehr vielen Platten, denn der 39-Jährige ist schon seit Jahren für diverse Popgrößen tätig.
Taylor Swift, Lana Del Rey, Florence and the Machine, Clairo, Lorde und einige mehr vertrauen auf Antonoffs Können als Co-Songwriter und Produzent. Das brachte ihm bereits zehn Grammys ein, kürzlich erst den als Produzent des Jahres. Bei all dem Erfolg bleibt der Musiker gelassen. “Ich bin sehr dankbar, aber ich verbringe nicht viel Zeit damit, darüber nachzudenken. Ich denke eher über das nach, was ich mache”, sagt Antonoff. Und das sei in erster Linie Musik.
Mit Songs wie “Modern Girl” oder “Tiny Moves” auf dem neuen Album gelingen immer wieder tanzbare und mitreißende Momente. Meist sind es Lieder, die Antonoff über seine kürzlich geheiratete Ehefrau geschrieben hat, die Schauspielern Margaret Qualley. Sie spielt auch in den Musikvideos mit. Ihren Einfluss auf die Platte beschreibt er als “endlos” und freut sich, die Songs als Momentaufnahme auch in ein paar Jahren noch mal selbst zu hören. “Ich schreie auf dem Album eigentlich nur heraus, wie es sich gerade anfühlt, ich zu sein.”
Auch der Track “Isimo” handelt von Qualley. Songs wie dieser geben dem Album die nötige Tiefe, die über eine romantisierte Melancholie hinausgeht. “Das ist mein Lieblingstext von einem lyrischen Blickwinkel aus”, erzählt Antonoff. Es geht um emotionalen Ballast und wie beide Partner ihn zusammen tragen können. Doch dabei geht es nicht um Beziehungsprobleme, sondern um eigene Päckchen. Wie etwa den Verlust seiner jüngeren Schwester Sarah, die an einem Gehirntumor starb, als er 18 Jahre alt war.
Deswegen geht es in Songs wie “Woke Up Today” – wie auch schon auf früheren Bleachers-Alben – um den Schmerz dieses Verlustes, den Antonoff seither spürt. Aber auch die aufgeladene weltpolitische Situation und den einhergehenden Weltschmerz thematisiert er parallel in “Hey Joe” oder “Self Respect”. “Ich glaube, das Einzige, warum Menschen sich wirklich grauenvoll fühlen, ist, wenn sie ihre Gefühle verweigern.” Es gehe vor allem darum, zu akzeptieren, wie man sich fühlt. Das sei auch das Geheimnis zu einem guten Song. “Der einzige Ratschlag, den ich habe, ist, dass man seine Vision unverfälscht lassen sollte, denn das ist das Einzige, was man wirklich hat”, rät er. Das Wichtigste als Songwriter und Künstler sei, Dinge in die Welt zu entlassen, die man wirklich liebt und von denen man denkt, dass die Welt sie braucht.
Typisch für Antonoffs Songwriting ist die Bereitschaft zu Spielerischem, die eine Leichtigkeit verleiht. So entstand auch das Feature mit Lana Del Rey in “Alma Mater”, das dem Album nach dem ersten Viertel die nötige Abwechslung und Kantigkeit gibt. Jack Antonoff ist der beste Beweis dafür, dass es keine TikTok-Optimierung mit hohlen Phrasen und verkürzten Hooks braucht, um sich Gehör zu verschaffen.
Sein Leben zu leben und zu genießen, für seine Schwester, die es nicht mehr kann. Die emotionale Offenheit, die er durch seine Frau neu gelernt hat. Und auch die vielen Freunde und Künstler, die seinen Alltag ausmachen und die am Album mitgearbeitet haben: Matty Healy von The 1975 spielt Klavier, St. Vincent, Florence Welch, Clairo und Lana Del Rey steuern Gesang bei. All das vereint Antonoff im aktuellen Album. “Wenn man das Glück hat, seine Leute zu finden, macht man einfach mit. Vielleicht bin ich deshalb so optimistisch.”
(Von Jonathan Penschek/dpa)