Von: apa
Die polnische Autorin Joanna Bator ist am Samstag in Salzburg mit dem Österreichischen Staatspreis für Europäische Literatur ausgezeichnet worden. Sie erzähle in ihren Büchern “dutzende kleiner Geschichten, die kunstvoll zu wunderbaren Romanen verflochten werden und uns Leserinnen und Leser vom ersten Satz an in eine oftmals fremd wirkende Welt ziehen, die einem aber nach einigen Seiten schon vertraut ist”, sagte Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer (Grüne) bei der Verleihung.
“Dort lebt man dann gemeinsam mit den Figuren der Romane, die so wirklich, lebendig und leibhaftig erscheinen, dass man sich kaum wundern würde, ihnen auf der Straße zu begegnen. Joanna Bator hat damit ihre Geburtsstadt Wałbrzych, aus der sie mit 19 Jahren nach Tokio, New York, Berlin und London aufgebrochen ist, auf der Landkarte der Weltliteratur eingeschrieben und den widerständigen Frauen aus Polen einen Platz im Gedächtnis der Leserinnen und Leser gesichert”, würdigte Mayer die 56-jährige Schriftstellerin weiter. Die Auszeichnung ist mit 25.000 Euro dotiert und wurde im Mozarteum im Rahmen eines Festakts verliehen.
Laut Autorin Sabine Scholl, die die Laudatio hielt, berichten die Romane Bators von den großen Transformationen, denen Europa im 20. Jahrhundert unterworfen wurde – vom Nationalsozialismus zum Kommunismus zum Kapitalismus, wobei in allen Systeme Frauen die Verliererinnen gewesen seien – und deren Folgen bis heute. “Sie zeigen, wie entscheidend es für das Haus Europa ist, mehr über die Geschichte der östlichen Mitgliedsländer zu wissen, die mit der unseren dicht verwoben ist. Sie warnen vor Gespenstern, die uns alle heimsuchen und auffordern, nicht zu schweigen, nicht untätig zu bleiben.”
Bator selbst hielt in ihrer Dankesrede fest, dass Bücher die Welt verändern würden, indem sie die Realität der Menschen veränderten. “Ich freue mich, dass meine Geschichten die Kraft haben, Grenzen zu überwinden und Menschen in jenem kollektiven Reich der Vorstellungskraft zusammenzubringen, das wir alle so sehr brauchen.”
Joanna Bator wurde am 2. Februar 1968 geboren und lebt heute als Hochschuldozentin in Japan und Polen. Sie ist vielfach ausgezeichnet. Für ihren Roman “Dunkel, fast Nacht” wurde sie 2013 mit dem Nike-Preis, dem wichtigsten Literaturpreis Polens, geehrt. Die 2021 erschienene Übersetzung von Lisa Palmes machte auch im deutschen Sprachraum Furore. Schon 2014 waren Esther Kinskys Übertragungen der beiden zusammenhängenden Romane “Wolkenfern” und “Sandberg” erschienen (und später mit dem Hermann-Hesse-Preis ausgezeichnet worden). Lisa Palmes’ Übersetzung von “Bitternis” erhielt im Vorjahr ausgezeichnete Kritiken.
Der Österreichische Staatspreis für Europäische Literatur würdigt seit 1965 das literarische Gesamtwerk einer europäischen Autorin bzw. eines europäischen Autors, das international besondere Beachtung gefunden hat, wobei auch deutsche Übersetzungen vorliegen müssen. Zu den bisher Ausgezeichneten gehören Mircea Cărtărescu, Karl Ove Knausgård, Zadie Smith, Michel Houellebecq, Drago Jančar, László Krasznahorkai und Ali Smith. Im Vorjahr wurde die Französin Marie NDiaye geehrt.