Von: apa
Jojo Moyes erzählt in ihrem neuen Roman “Zwischen Ende und Anfang” vom Stolpern, Aufstehen, Neubeginn und letztendlich von der Wichtigkeit von Akzeptanz und Vergebung. Probleme, mit denen viele zu kämpfen haben, verpackt sie in aufbauende Unterhaltungsliteratur, gewürzt mit Humor und Lovestorys. “Ich empfinde es immer wichtiger, uns daran zu erinnern, dass wir lachen können, weil wir in sehr komplizierten und oft ziemlich düsteren Zeiten leben”, sagte sie im APA-Interview.
Lila, Hauptfigur in “Zwischen Ende und Anfang” (erscheint am 10. Dezember), durchlebt schwere Zeiten. Ihr Mann hat sie wegen einer jüngeren, von ihm schwangeren Freundin sitzen lassen. Der Trennungsschmerz bzw. die Wut kommt zur Trauer um die unlängst verstorbene Mutter. Deren zweiter Mann Bill, mit dem Tod seiner Frau nicht klarkommend, zieht bei Lila und ihren beiden Kindern ein. Und dann steht mit Gene plötzlich der leibliche Vater von Lila vor der Tür, der ihre Mutter vor Jahren verlassen hat. Die beiden älteren Herren hassen einander, was zu tragikomischen Ereignissen führt.
Der Kampf einer alleinerziehenden Mutter den Alltag zu meistern, beruflich weiterzukommen und neue Beziehungen aufzubauen sind nur einige Themen, die Moyes ebenso einfühlsam wie witzig in eine turbulente Geschichte bettet. Es sei durchaus harte Arbeit, die richtige Balance zu finden, bejaht die 55-Jährige im Online-Gespräch mit der APA. “Wobei ich mich frage, ob wir Briten nicht besonders dazu neigen, so zu schreiben. Es liegt wohl in unserer Natur, über Dinge, insbesondere über uns selbst, zu lachen.”
Moyes’ Charaktere sind mehrdimensional. Das sei ja auch im echten Leben so: “Jeder, den ich kenne, ist kompliziert, vielschichtig, hat gute und schlechte Seiten, ist zur Selbstsabotage fähig. Gerade Letzteres scheint mit ein häufiges Problem zu sein”, sagt Moyes, die Biografien für ihre Protagonisten erstellt: “Ich habe festgestellt, dass die Figuren sonst nicht lebendig werden, wenn ich zu schreiben beginne. Ich recherchiere nicht, ich denke mir alles Mögliche über sie aus – wo sie in die Schule gegangen und bei was für Eltern sie aufgewachsen sind, was sich in ihrem Kühlschrank befindet, wie sie bei einer Schlägerei in einer Bar verhalten würden, all diese Dinge. 99 Prozent davon verwende ich nicht. Aber in meinem Kopf bauen sich die Figuren auf.”
Den Figuren in “Zwischen Ende und Anfang” fehlt es lange an Einsicht und Verständnis füreinander, Moyes hält den Lesenden da durchaus einen Spiegel vor Augen: “Es ist einfach, anderen die Schuld zu geben, sich in seinen eigenen Bedenken zu verstricken. Ich habe im Laufe der Jahre gelernt, dass die meisten von uns versuchen, das Richtige zu tun, auch wenn wir uns dabei von Zeit zu Zeit spektakulär falsch verhalten, besonders als Eltern.”
Nach der Kernaussage des Romans befragt, antwortet Moyes dann auch: “Es geht um mehr Akzeptanz und die Fähigkeit, zu sagen: Ja, Menschen, die wir lieben, werden Fehler machen und uns verletzen.” Man könne Menschen nicht ändern, aber sehr wohl die eigene Reaktion kontrollieren. “Sie können Ihr Leben nicht damit verbringen, sich über das Verhalten anderer zu empören. Die Lektion, die Lila sehr spät in diesem Buch lernt, ist, wie man akzeptiert, was ist, und mit so wenig Ärger und Groll weiterzumachen.”
Mit einem Augenzwinkern baut Moyes in den Roman wiederholt Dinge ein, die aktueller Gesprächsstoff und mitunter hart diskutiert sind – sei es, ob es um gesundes Essen geht oder darum, dass eine Schule kein Krippenspiel veranstaltet, “weil die Leute heutzutage multireligiös” seien, wie es an einer Stelle heißt. “Ich mag kleine Witze, die unter der Oberfläche lauern”, nickt Moyes. Ihre feine Klinge wirkt da viel sympathischer als das allgemeine Geschrei. “Wenn man sich nicht aufregt, kann man über solche Sachen gut lachen. Es gibt eine Menge Dinge, über die man lachen kann, statt sich aufzuregen, einfach darüber schmunzeln, das ist besser für alle.”
Nicht zum Lachen ist es Moyes bei wiederholten Fragen, ob sie über ihre eigene Familie schreibe. Das hat die Bestsellerautorin in der Vergangenheit mehrmals thematisiert. “Mit zunehmendem Alter werde ich weniger extrovertiert. Es ist aber schwer, ehrlich zu sein und auf interessante Weise über Dinge zu sprechen, ohne dabei etwas von sich preiszugeben”, betont Moyes. Generell hasse sie es, wenn Autoren und Autorinnen ihre Familien bloßstellen: “Damit habe ich ein moralisches Problem.”
Ihre Romane verfasst Moyes in einem “sehr kahlen” Büro: “Weil ich keine Ablenkung will.” Außer dem Schreibtisch gibt es eine Küchenzeile mit Kaffee und zwei Sessel – “das ist alles”. Sie benütze Post-its und manchmal Whiteboards. “Ich schreibe, wann immer ich kann. Ich habe drei Kinder. Ich habe Tiere. Ich führe ein chaotisches und geschäftiges Leben. Aber ich bin sehr diszipliniert, also schaffe ich es irgendwie. Abends kann ich nicht mehr schreiben, weil ich alt bin, müde werde und um halb zehn einschlafe”, schmunzelt Moyes.
(Das Interview führte Wolfgang Hauptmann/APA)
(S E R V I C E – Jojo Moyes: “Zwischen Ende und Anfang”, aus dem Englischen von Karolina Fell, Wunderlich Verlag, 528 Seiten, 27,50 Euro)
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