Von: apa
Ein Song verkörpert wohl wie kein anderer Heavy Metal: “Painkiller” von Judas Priest. Das ikonische Schlagzeugintro des Liedes, bei dem am Montag alle 9.000 Fans in der Wiener Stadthalle sofort wussten, was Sache ist, ertönte gegen Ende einer furiosen Darbietung der britischen Genre-Legende: Die Gitarren jaulten auf, Bass und Drums trieben an, Sänger Rob Halford (72) kreischte wie ein Jungspund – Adrenalin pur, mehr Metal geht nicht. Davor überzeugten auch weitere Urgesteine.
Judas Priest, die 1974 ihr erstes Album veröffentlicht haben, brachten vor wenigen Wochen ihre 19. Studioarbeit heraus. Die starke LP “Invicible Shield” untermauerte den Ruf der Band als “Metal Gods”. Zwar sind mittlerweile nur noch Halford und Bassist Ian Hill von jener Besetzung dabei, die vor 50 Jahren erstmals aufhorchen ließ. Gitarrist Glenn Tipton musste zuletzt nach Erkrankung vom Tourneeleben Abschied nehmen. Aber mit Richie Faulkner, 2011 für den ausgestiegenen (oder je nach Ansichtssache: gefeuerten) zweiten Gitarristen KK Downing gekommen, hat man einen fantastischen Ersatz an Bord.
Mehr noch: Der 44-jährige Faulkner brachte frische “Firepower” (so auch ein Albumtitel von 2018) und zimmerte live – unterstützt von Live-Musiker und Produzent Andy Sneap – mit seinem Instrument das Fundament für Priest-Klassiker wie “You’ve Got Another Thing Coming”, “Turbo Lover”, “Breaking The Law” oder “Hell Bent For Leather” (mit Halford am Motorrad). Es war eine mehr als 90-minütige dynamische, druckvolle (angetrieben von Drummer Scott Travis und Hill) Darbietung ohne Durchatmen. Wobei die Stärke von Judas Priest nicht nur in kompromissloser Härte, sondern auch im abwechslungsreichen Songwriting liegt.
“Wir haben einfach Glück, uns sind immer tolle Lieder eingefallen”, meinte Hill im Gespräch mit der APA vor der Show. “Natürlich muss man sich motivieren, man darf sich nicht am Vermächtnis ausruhen, sondern versuchen, jedes Album anders zu machen. Richie, Glen und Rob sind die Songschreiber, ich kann da nicht so viel dazu sagen, aber das ist der Weg: Wir wollen keine Füller.” Als Beweis für die Relevanz auch nach fünf Dekaden brachten Judas Priest beim Konzert drei neue Tracks von “Invincible Shield”, die mit den bekannten Hits problemlos mithalten konnten.
Bevor Halford und Co. das Hochamt des Heavy Metal zelebrierten, zeigten sich zwei weitere Institutionen des Schwermetalls bzw. harten Rocks von einer ungebremsten Spielfreude. Uriah Heep, oft schon in die Schublade “Oldies” gesteckt, überraschten mit einem knackigen, zeitlosen Set: Mit “Gypsy” (von 1970) intonierte man sogar einen “Song zum Headbangen”, wie Gitarrist Mick Box, der letzte der Originalbesetzung, schmunzelnd anmerkte. Nach dem Gassenhauer “Easy Livin'” ließen Uriah Heep die Stadthalle zum “zwei Akkorde Folk-Metalsong” (Box) “Lady In Black” mitsingen.
Saxon, nicht viel später als der Headliner gegründet, waren Anfang der 1980er-Jahre Vorreiter der sogenannten New Wave Of British Heavy Metal (NWOBHM). Die Originalmitglieder an den Saiten haben sich längst verabschiedet und die Drummer sich die Klinke (oder vielmehr die Stöcke) in die Hand gegeben, aber Sänger Peter “Biff” Byford hat die Band unnachgiebig durch Höhen und Tiefen geführt. Mit “Hell, Fire And Damnation” hat man zuletzt wieder ein ordentliches Album abgeliefert, drei Songs waren in der Stadthalle zu hören, gebettet zwischen NWOBHM-Kracher der Sorte “Wheels Of Steel” oder “Heavy Metal Thunder” – mit einem 73-jährigen Frontman, dessen Stimme über die Jahrzehnte nicht gelitten hat.
“Metal Masters” hieß das Motto der Veranstaltung. Die drei Acts haben bewiesen, dass Metal nicht nur Spaß macht, sondern durchaus Qualitäten hat – und auch älteren Herren bestens steht.
(Von Wolfgang Hauptmann/APA)