Günther Fischer hatte kreative Symbiose mit Manfred Krug

Komponist Günther Fischer legt zum 80er Autobiografie vor

Donnerstag, 20. Juni 2024 | 09:33 Uhr

Von: apa

Erst das Traumduo des Jazz in der DDR, dann das spektakuläre Zerwürfnis: Durch die neue Autobiografie des Saxofonisten und Komponisten Günther Fischer zieht sich wie ein roter Faden auch die Geschichte des Filmstars und Sängers Manfred Krug. “Die Zusammenarbeit mit Manfred Krug war eine der schönsten und kreativsten Zeiten in meinem Leben”, schreibt Fischer in seinen Erinnerungen, die pünktlich zu seinem 80. Geburtstag am Sonntag (23. Juni) erscheinen.

“Künstlerisch verstanden wir uns ausgezeichnet”, meint der Jubilar über Krug. Menschlich war es irgendwann aus. Günther Fischer war schon zu DDR-Zeiten vor allem als Filmkomponist Legende. Er studierte Anfang der 1960er-Jahre zuerst am Robert-Schumann-Konservatorium in Zwickau, später an der Musikhochschule Hanns Eisler in Berlin. Als Student begann er in der bekannten Klaus-Lenz-Band und verdiente sich nebenbei etwas mit Kompositionen und Arrangements. Mit seiner eigenen Band tourt der Musiker, der inzwischen in Irland lebt, bis heute. In seinem schlicht “Autobiografie” betitelten Buch kommen Wegbegleiter wie Armin Mueller-Stahl, Gojko Mitic oder Andreas Dresen zu Wort. Aber keine Etappe scheint Fischer so nah zu gehen wie die mit Manfred Krug.

Die Lieder des Schauspielers und Sängers entdeckte Fischer noch als Schüler in Zwickau in der Musikbox einer Milchbar. Als sie sich 1965 näher kennenlernten, war der sieben Jahre ältere Krug “in der DDR schon so etwas, was man heute als Superstar bezeichnen würde”, schreibt Fischer. Der Star bat den Jungmusiker, ihm eine Melodie zu schreiben. Krug dichtete den Text. Mit “Der Tag beginnt” und “Du gehst” begann eine Symbiose, die die beiden über ein Jahrzehnt und vier Alben trug. Der Erfolg der üppig arrangierten Chansons war enorm.

Das Ende beschreibt Fischer so: Krug verließ 1977 die DDR, “weil er wegen seiner Unterschrift gegen die Ausbürgerung von Wolf Biermann in Ungnade gefallen und beruflich kalt gestellt worden war. Eigentlich hat mir Krug verübelt, dass ich nicht mit ihm in den Westen ging, er dachte mit mir und der Musik dort ein zweites Standbein zu haben. Ich aber dachte an meine Mutter und die Repressalien, die sie zu befürchten hatte, außerdem wollte ich mich nicht in die Abhängigkeit von Krug begeben, da ich wusste, wie besitzergreifend er war.” Zum endgültigen Bruch sei es dann gekommen, “als mein angeblicher Freund, ohne mit mir vorher zu sprechen, in widerwärtiger Art und Weise über mich, meine Frau und meine Kinder in der Zeitschrift ‘Der Spiegel’ herzog.”

Krug hatte im Jänner 1993 bitter mit Fischer abgerechnet. “Sei froh, dass Du ein passabler Musiker bist”, schrieb Krug im “Spiegel”. “Als Freund, muss ich sagen, bist Du eine Null, ein klassisches DDR-Produkt, einer von den armen Hunden, mit denen sie’s ja machen konnten.” Der Vorwurf des damals längst auch im Westen erfolgreichen “Liebling Kreuzberg”: Verrat. Krug unterstellt Fischer, für die Stasi gespitzelt zu haben im Gegenzug für Privilegien wie Autos, Häuser und Westreisen. Krug spricht in dem Text von “enttäuschter Liebe” und verabschiedet sich für immer. 2016 starb Krug.

Fischer weist die Vorwürfe kategorisch zurück. Der “Super Illu” sagte er zum Beispiel vor zehn Jahren: “Ich habe weder Herrn Krug noch andere bespitzelt. Ich war nie ein IM. Damit ist dieses Thema beendet.” Ganz zu Ende ist es aber wohl nie. In seinem Buch rechtfertigt sich Fischer selbst nicht mehr. Doch schreibt sein Kollege Rainer Oleak: “Ein Mann wie Günther Fischer, der eine hohe künstlerische Leistung erbringt und aufgrund dieser Leistung etliche Privilegien besitzt, hat es überhaupt nicht nötig gehabt, mit der Stasi zu kungeln. Er war ein Weltstar. Punkt.”

(S E R V I C E – Günther Fischer: Autobiografie. Eulenspiegel Verlagsgruppe, 304 S., 29,50 Euro)