Greg Anderson und Stephen O'Malley luden zur Messe des Krachs

Lärmgötter Sunn O))) zelebrierten 25-Jahr-Jubiläum in Wien

Dienstag, 19. September 2023 | 10:22 Uhr

Von: apa

Zurück zum Ursprung: Die US-amerikanischen Lärmgötter Sunn O))) sind anlässlich ihres 25-Jahr-Jubiläums aktuell auf Europatournee und begeistern die Fans in ihrer reduziertesten Form. So standen Stephen O’Malley und Greg Anderson, die mit ihrem Drone-Metal-Projekt in den vergangenen Jahren unzählige Kollaborationen eingegangen sind, Montagabend zu zweit auf der Bühne der Wiener Arena und ließen die Wände erzittern.

Genau so hat es Ende der 1990er-Jahre begonnen: Zwei dem kathartischen Erlebnis zugewandte Männer mit jeweils einer Gitarre sowie einer Armee an Verstärkern zelebrieren die pure Lautstärke mittels im Zeitlupentempo dargebrachter Riffs, die sie Schicht für Schicht zu einem monströsen Gebilde auftürmen. Was auf Platten wie “Black One”, “Monoliths & Dimensions” oder “Life Metal” schon mächtig klingt, wird live zum überwältigenden Erlebnis. Das hat sich mittlerweile längst herum gesprochen, scheinen Sunn O))) nach einem Vierteljahrhundert Bandgeschichte doch so populär wie nie zuvor zu sein.

Wobei sich die Form des Zuspruchs auch verändert habe, wie O’Malley vor dem Wien-Konzert im APA-Interview erklärte. “Wir lieben es, live zu spielen. Das spiegelt sich auch im Publikum wieder. Die Leute können es heute noch besser genießen, als es früher der Fall war. Es geht nicht nur rein um die Lautstärke, sie ziehen auch emotional viel raus.” Was durchaus eine Herausforderung ist: Geht das Licht aus und beginnt der Nebel langsam über die Bühne zu ziehen, dauert es nicht lange, bis O’Malley und Anderson aus der hinter ihnen aufgebauten Verstärkerwand das Maximum herausholen.

So wirkte es auch in der Arena so, als ob man sich im Bauch einer riesigen Maschine befand, die auf voller Belastung lief. In ihren mittlerweile zum Markenzeichen gewordenen schwarzen Mönchskutten gekleidet, reckten die beiden Musiker immer wieder die Faust, um danach in aller Ruhe den nächsten Akkord anzuschlagen. Nur selten waren sie aber wirklich auszumachen. Stattdessen dienten drei kreisrunde Scheinwerfer als willkommene Lichtspender, die die düstere Atmosphäre in passenden Momenten durchschnitten. Einzelne Nummern rückten dabei in den Hintergrund, viel mehr war es ein einziger Sog, den Sunn O))) erzeugten und der für ein Grummeln im Bauch und kitzelnde Fußsohlen sorgte.

Leichter Musikgenuss geht definitiv anders. Für O’Malley und Anderson spielten Erwartungen oder Konventionen aber ohnehin nie eine Rolle. “Es ging immer nur um unsere Vorstellungen, es gab keine Kompromisse”, nickte O’Malley. “Mal abgesehen von jenen die du eingehen musst, um bestimmte Dinge überhaupt zu realisieren. Aber grundsätzlich waren und sind wir sehr frei: Solange Greg und ich uns einig sind, können wir es versuchen. Ob es dann funktioniert, steht natürlich auf einem anderen Blatt.” Das hat es allerdings oft, wenn man sich die dichte Diskografie der Gruppe ansieht: Zu neun Studioplatten sowie drei kollaborativen Unterfangen mit namhaften Kollegen wie Ulver, Scott Walker oder Boris gesellen sich unzählige Livemitschnitte, EPs und weitere Veröffentlichungen.

Wie aber eine künstlerische Partnerschaft am Leben halten, die nach außen hin im Output so streng wirkt, weil ganz dem reinigenden Krach gewidmet? “Ich könnte es nicht in Worte fassen”, meinte Anderson. “Wir sind Freunde, Verbündete, Kollaborateure – und das seit langer, langer Zeit. Eigentlich versuche ich, nicht zu viel darüber nachzudenken. Das gilt generell für diese Band: Analysiere es nicht zu sehr!” Um dann lachend nachzuschieben: “Vielleicht irgendwann mal, wenn wir im Pflegeheim sind. Aber jetzt? Nein, genieß es einfach. Lebe im Moment und sei präsent. Genau darum geht es für uns – und für das Publikum.”

Als solches erfuhr man erneut, wieso O’Malley die Livedarbietungen als “pure Energie” beschrieb: Trotz des repetitiven Grundcharakters, den vor allem die Duokonstellation von Sunn O))) aufweisen kann, waren diese knapp eineinhalb Stunden alles andere als eintönig. Hier wurden Dinge alleine aufgrund der körperlich spürbaren Wucht in andere Verhältnisse gesetzt. “Du bekommst eine Auszeit vom Alltag, diese ein oder zwei Stunden verändern deine Realität”, ließ O’Malley dazu wissen. “Für das Publikum wird das Konzert dadurch nochmals stärker zu einem gemeinschaftlichen Erlebnis.”

Als Übertitel für die aktuelle Tour, bei der Sunn O))) etwa auch dreimal im Berliner Kultclub Berghain zu erleben waren, haben die beiden das buddhistische Konzept “Shoshin” gewählt, was sich etwa mit Anfängergeist übersetzen lässt. “Es geht um den Zustand, in dem du dich befunden hast, als alles begonnen hat”, erläuterte Anderson. “Darin liegt eine besondere Freude. Wir spielen einige wirklich alte Stücke, und es ist schön, sich an die Momente zu erinnern, in denen sie entstanden sind.” Für O’Malley geht es auch um die eigene Wahrnehmung: “Selbst wenn du im Zen-Buddhismus ein Meister bist, gibt es die Möglichkeit, dass du nicht weißt, was gerade passiert. Nur so ist Wachstum möglich.” Kein Tag also ohne Überraschung – auch wenn es “nur” um ohrenbetäubenden Lärm geht.

(S E R V I C E – https://sunn.bandcamp.com; https://sunn.southernlord.com)