Blauer Dunst, viel Qualm - und das Leben drumherum

Leben mit dem Laster: Peter Kleins Roman “Rauch”

Dienstag, 29. April 2025 | 07:39 Uhr

Von: apa

Wenn ein Roman “Rauch” heißt, das vierte Wort des Buch-Textes bereits “Zigarette” und das vorletzte Wort “rauchen” lautet, dann ist wohl ziemlich offensichtlich, worum es in der Erzählung geht. Und so ziehen sich auch Rauchschwaden aller Art durch das Erstlingswerk des Autors Peter Klein, jedoch geht die Handlung über puren Nikotinkonsum hinaus. Was nur folgerichtig ist, denn immerhin hat jeder Raucher und jede Raucherin auch ein Leben rund um die eigene Angewohnheit herum.

So spielt etwa eine ungewöhnliche Jobkarriere eine Hauptrolle in dem rund 250 Seiten starken Werk, das im Wiener Milena-Verlag erschienen ist. Weiters geht es um das Verraten eigener Ideale, große Dichter, um Beziehungen – und wie es eben zum Leben dazugehört, spielt auch der Tod dann und wann eine Rolle.

Konkret heißt das: Die Hauptfigur Sam – eigentlich: Thomas – Sapadi, aufgewachsen in der Steiermark, dann Teil einer revolutionären WG in Tirol, macht seinen beruflichen Weg über eine kritische Dissertation zum Werk von Rainer Maria Rilke über – nicht allzu anspruchsvolle – Literaturkritiken, das Lektorat von Speisekarten (weil ihm im Nobelrestaurant alter Bekannter viele Schreibfehler aufgefallen waren) bis hin zum Werbetexter. Kurze und vor allem provokante Slogans sind genau seines – und bringen ihm letztlich erstmals im Leben ein stattliches Einkommen ein.

Mit dieser Unterstützung kapitalistischer Verkaufsstrategien hat er freilich längst alles verraten, was ihm dereinst als Revolutionär gut und richtig erschien. Doch das scheint ihn genau so wenig zu stören, wie auf jeden Versuch, das Rauchen aufzugeben, fast schon logischerweise ein Neuanfang als Raucher folgt.

Nachdem in der Erzählung die umstrittene Wahl Kurt Waldheims zum Bundespräsidenten erwähnt wird, kann man den Zeitpunkt der Handlung mit 1986 bzw. den späten 80er-Jahren festmachen. Eine Zeit also, in welcher in Lokalen und öffentlichen Räumen noch hemmungslos geraucht werden durfte. Und in welcher Sam von seiner Freundin, mit der er in einem Innenstadtlokal – no na – durch das Fragen nach einer Zigarette erstmals in Kontakt getreten ist, der Intoleranz bezichtigt wird, weil er unfreundlich auf ein amerikanisches Ehepaar reagiert, das sich über den Qualm vom Nebentisch – eben jenem von Sam samt Begleitung – beschwert und meint, dies wäre jenseits des großen Teichs schon lange nicht mehr möglich.

Eine Situation, die heute aufgrund der nun geltenden Rauchverbote nicht mehr denkbar ist. Ebenso wenig, wie dass jemand vom Tod der eigenen Mutter erst nach drei Tagen erfährt, weil er sich in diesen drei Tagen nicht in seiner Wohnung aufgehalten hat. Viele Botschaften auf dem Anrufbeantworter und sogar Telegramme blieben in dieser Zeit ungehört und ungelesen. Kein Handy? Achtzigerjahre eben!

Durch die Erbschaft des Hauses seiner Mutter und dessen Verkauf kommt Sam noch einmal zu einem Batzen Geld und beschließt letztlich, sich in seiner alten steirischen Heimat eine Immobilie zu kaufen und herrichten zu lassen. Dieser Schritt fällt in eine Zeit, in der er es aus Solidarität mit seiner Freundin eben dieser gleichtut. Denn die beschließt, mit dem Rauchen aufzuhören, obgleich sie diesem Laster weit weniger intensiv gefrönt hat als Sam.

Für den Hauptprotagonisten des Romans setzt sich nun eine Spirale aus billigen Tricks, Betrug samt Selbstbetrug, Ausreden und Schönredereien in Kraft. Denn er kann längst nicht mehr ohne Nikotinkonsum leben. Nach einem zarten Anfang mit Nikotinkaugummis und Nikotinpflastern beginnt er, sich für einen rauchfreien Tag mit einer erschnorrten Zigarette am Abend zu belohnen. Dazu kommt gelegentliches Kiffen beim Besuch eines befreundeten Pärchens – was für ihn ja nicht Rauchen in dem Sinn ist. Schließlich raucht er fast genau so viel wie vorher, will das aber konsequent vor seiner Lebensgefährtin verbergen, weil er eben das Gefühl hat, diese mit dem weiteren Ausleben seiner Sucht zu betrügen.

Sam Sapadis Geschichte vom Ausbruch aus der sozialen Enge der Provinz, vom beruflichen Aufstieg und damit verbundenen neuen Zwängen und Abhängigkeiten ist auch eine subjektiv erlebte Entwicklungsgeschichte Österreichs ab den 1970er-Jahren. Erzählt wird sie von Peter Klein, der als Universitätslektor und in verschiedenen Funktionen für das ORF-Radio gearbeitet hat und dabei von 2014 bis 2019 Programm- und Senderchef von Ö1 war. Nun hat er während der Pension seinen ersten Roman geschrieben.

Sams Lebensphasen werden durch verschiedene Zigarettenmarken definiert, weshalb auch die Kapitel-Überschriften aus Zigarettenmarken bestehen – mit einigen Ausnahmen wie “Zigarillos”, “Joints” oder “Nicorette”. Auch das Artwork des Buches greift das zentrale Thema auf: Blauer Dunst auf dem Cover, der EAN-Code auf der Rückseite wird als glimmendes Ende einer “Tschick” dargestellt.

Starke Raucher und Raucherinnen werden sich in so mancher Passage dieses Romans wiedererkennen, während Nichtraucher und -innen in ihrem Nichtrauchen – das vom Hauptprotagonisten übrigens stellenweise als aktive und anstrengende Tätigkeit gesehen wird – bestätigt fühlen. Und allen, denen es tatsächlich- zumindest bis dato – gelungen ist, mit dem Rauchen aufzuhören, werden angesichts Sams Eskapaden zumindest ein klein wenig Stolz verspüren.

Übrigens “weiß” der Hauptdarsteller, dass er sein Laster einmal ad acta legen wird. Es muss ja nur nicht jetzt gleich sein. Perfekt zusammengefasst ist diese Haltung in einem Satz gegen Ende des Romans, dessen Formulierung stark an das legendäre Abschlusslied von Konzerten der Ersten Allgemeinen Verunsicherung erinnert, wenngleich es in diesem um ähnliches Verhalten beim Alkoholkonsum ging: “Eines Tages würde er mit dem Unsinn Schluss machen. Morgen vielleicht. Oder übermorgen. Oder am Tag danach.”

(S E R V I C E – Peter Klein: “Rauch”, Milena-Verlag, 250 Seiten, 25,00 Euro)

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