Von: apa
Das zweite Lido Festival ist Sonntag erfolgreich zu Ende gegangen. Mehr als 70.000 Fans über vier Tage feierten laut Veranstalter am Urfahraner Jahrmarktgelände in Linz bei einem abwechslungsreichen Musikprogramm. Würdige Schlusspunkte setzten Sam Smith mit herzerwärmendem souligen Pop und die Britpop-Legende The Libertines, die neue und alte Songs vortrug. Daran konnte auch der just bei den Headlinern einsetzende Regen nichts ändern.
Sam Smith begann seinen Auftritt auf der Mainstage mit “Stay With Me”, die textsicheren Fans auf seiner Seite. Die nicht-binäre britische Person begrüßte die vielen – dank der ausgeteilten Regenponchos – blau umhüllten Menschen mit “I wanna dance in the rain with you tonight”, bezog mit “Hello everyone up there in your house” auch die auf ihren Balkonen lauschenden Anrainer mit ein und legte richtig los mit der mitreißenden Show, die “Freedom” als wichtigste Nachricht transportieren sollte. Eine toll aufspielende Band und ebensolche Background-Vocals begleiteten Smith, der vom Glitzeranzug zum Abendkleid zum schlichten schwarzen Tanktop zum Regenbogen-Outfit und weiter wechselte, und unter anderem “Dancing with a Stranger”, “Good Thing”, “Lose You” Donna Sumners “I Feel Love” und zum Abschluss das mit einem Grammy ausgezeichnete “Unholy” intonierte. Ob allein zum Klavier, zu temporeichen Beats oder Disco-Sound, die starke Stimme des Briten besticht immer, Tänzerinnen und Tänzer, eine bezaubernde Duett-Partnerin und eine feiernde Crowd setzten dem Lido-Sounds-Sonntag einen würdigen Schlusspunkt.
Auf der Ahoi! Pop Summer Stage hieß das Motto: “Up The Bracket”! Peter Doherty, wie die meisten Fans eingepackt in einen Regenponcho, hatte nach einem Spaziergang mit Familie durch Linz auf die Bühne gefunden und spielte mit seinen Kollegen Carl Barât, John Hassall und Gary Powell ein teils ruppiges, aber äußerst unterhaltsames Konzert. Der Schwerpunkt lag auf aktuellem Material wie dem flotten, an alte Zeiten erinnernde “Run, Run, Run”, “Shiver” und “Songs They Never Play on the Radio”, letzteres filigran-zärtlich mit Doherty an der akustischen Gitarre und Barât am Keyboard. Applaus, als Doherty bei “Can’t Stand Me Now” zur Mundharmonika griff, viel Freude kam beim Klassiker “Gunga Din” auf – und ausgelassen gerockt wurde zu “The Good Old Days”. Zum Abschluss riet der gute Pete, der seinen Plastiküberzug schließlich zerriss und darunter ein Ruderleiberl mit der Aufschrift “Official Merchandise” präsentierte, keine Wurst am Hauptbahnhof zu essen und nicht zurückzuschauen – “Don’t Look Back Into the Sun” beendete dann auch das Programm auf der zweiten Bühne.
Vor dem Headliner auf der Mainstage begeisterten die Editors ihre Fans mit ihrem Mix aus Indie-Rock und New Wave. Sänger Tom Smith wechselte seine Gitarren, setzte sich ans Klavier. Die britische Band lieferte ein mitreißendes Set mit unter anderem “Sugar”, “A Ton of Love” und “Picturesque”. Rechtzeitig mit dem einsetzenden Regen endete ihre Show.
The Streets kamen mit Rap und basslastigem Sound auf die Mainstage. Das freundliche Mastermind Mark Skinner liebte die Kommunikation mit seinen Fans und spazierte so oft wie kein anderer in die Crowd. Er gab einen Song sogar auf den Schultern eines starken Besuchers im Publikum zu besten. Den Rückweg zur Bühne trat er liegend auf den Händen vieler begeisterter Gäste an.
Ihrem Ruf als einer der aktuell besten Live-Acts wurden Idles auf der Ahoi!-Bühne mehr als gerecht. Die britische Postpunk-Formation zog eine mitreißende Show ab, ständig in Bewegung und musikalisch in ihrem Genre sehr abwechslungsreich, die sich mehr Zuschauer verdient hätte. Es gab zwar einen kleinen Moshpit, aber keine Geländesperrung. Sänger Joe Talbot beeindruckte das wenig und er gab alles. Gitarrist Mark Bowen im violetten Kaftan (oder Kleid? Nachthemd?) wechselte nahtlos ans Keyboard oder drosch bei Bedarf auf das Schlagzeug ein, um dann mit dem Drumstick die Saiten seines ureigenen Instruments zu malträtieren: Wütende Songs, die soziale Ungerechtigkeiten, Rassismus, Sexismus, Ausbeutung, Kapitalismus und Gewalt beklagen.
Am Nachmittag sorgte Anja Plaschg alias Soap & Skin mit einem für ein Sommerfestival untypischen, aber umso spannenderen Auftritt für eine Alternative zu Punkrock und Rap. Sie inszenierte bei Tageslicht und Hitze auf der Mainstage ein Kammerkonzert, das sie mit “The End” am Klavier begann. Elektronische Versatzstücke hatten ebenso Platz wie zarte Klaviertöne (die zwischendurch aber durchaus auch wild ausfielen), alles getragen von Plaschgs intensiver Stimme bei zu eigen gemachten Stücken von The Doors, David Bowie und Lana del Rey. Soap & Skin ist eine Naturgewalt!
Wilder ging es bei The Hives zu, die Schweden rockten trotz immer noch warmer Temperaturen in ihren charakteristischen Anzügen die Ahoi! Pop Summer Stage. Beim Bad in der Menge hielt Sänger Howlin’ Pelle Almqvist ein Schild mit der Aufschrift “More Energy” in die Höhe – mehr war eigentlich nicht möglich. Deutschen Punkrock präsentierte davor die Bremer Band mit dem klingenden Namen Team Scheisse.
Das Vertrauen seiner Besucherinnen und Besucher hat das Lido Sounds schon im zweiten Jahr erspielt, denn 5.000 kauften bis Sonntagmittag Drei-Tagespässe zum Sonderpreis von 149,99 Euro direkt am Festival für das kommende Jahr. Seitens der Polizei hatte es bis zum letzten Festivalnachmittag nur “Kleinigkeiten” gegeben.