Jon Fosse erhält den Nobelpreis

Literaturnobelpreis geht an Norweger Jon Fosse

Donnerstag, 05. Oktober 2023 | 15:04 Uhr

Von: apa

Der Norweger Jon Fosse bekommt den Literaturnobelpreis 2023. Das wurde am Donnerstag von der Schwedischen Akademie in Stockholm bekannt gegeben. Der Preis ist heuer mit elf Millionen Schwedischen Kronen (930.000 Euro) dotiert, um eine Million Kronen mehr als im Vorjahr, als diese prestigeträchtigste Auszeichnung der Literaturwelt an die Französin Annie Ernaux ging. Übergeben wird der Preis traditionell am 10. Dezember, dem Todestag des Stifters Alfred Nobel.

Fosse wird “für seine innovativen Stücke und Prosa, die dem Unsagbaren eine Stimme geben”, geehrt. Er habe den Dichter im Auto nördlich von Bergen erreicht, sagte der Ständige Sekretär der Akademie Mats Malm. Während manche Gewinner ihm beim Anruf nicht glauben würden, habe Fosse ihm gleich vertraut. Sie hätten bereits über erste Details der Nobelpreis-Woche und das weitere Prozedere sprechen können. Fosse war zuletzt zwar hoch gehandelt worden, Favoritin der Buchmacher war allerdings die unter dem Pseudonym Can Xue schreibende 70-jährige Chinesin Deng Xiaohua gewesen.

Das Oeuvre Fosses umspannt unzählige Gattungen, von Theaterstücken über Romane bis zu Kinderbüchern und Übersetzungen. Als einer “der anerkanntesten und meistgespielten Theaterautoren unserer Zeit” verbinde er “eine Verwurzelung in der Sprache und Natur seiner norwegischen Herkunft mit künstlerischen Techniken der Moderne”, erläuterte Literaturwissenschafter und Akademiemitglied Anders Olsson im Anschluss an die Bekanntgabe. Zu Fosses “Wahlverwandtschaften” gehören große Namen wie Samuel Beckett, Thomas Bernhard oder Georg Trakl. Fosse dringe zum Kern “der menschlichen Beklemmung und Ambivalenz” vor. “Durch seine Fähigkeiten, den Orientierungsverlust der Menschheit zu evozieren, gilt er nicht nur im modernen Theater als Innovator.” Seine mehr als dreißig Stücke waren – übersetzt in über 40 Sprachen – auf Bühnen in der ganzen Welt in bisher über tausend Inszenierungen zu sehen.

Zuletzt waren es aber vor allem seine Romane, die das deutsche Leserpublikum in den Bann zogen. Sein Prosawerk umfasst unter anderem “Melancholie”, “Morgen und Abend” und “Das ist Alise”. 2016 erschien seine “Trilogie”, ein Dreiklang von Erzählungen, in dem es anhand des Paares Alida und Asle um Liebe und Verletzlichkeit geht. Mit “Der andere Name” startete 2019 sein siebenteiliges Opus magnum, das große Romanprojekt “Heptalogie”, auf deutsch. Die deutsche Übersetzung von Hinrich Schmidt-Henkel hält bei Band fünf, im Vorjahr bei Rowohlt unter “Ich ist ein anderer” erschienen. Der zweiteilige Abschlussband “Ein neuer Name” ist für 2024 angekündigt. “Der Nobelpreis für Jon Fosse ist eine große Freude: Die Auszeichnung würdigt das literarische Schaffen eines Autors, dessen Werke die Welt mit Tiefe und Intensität berühren, die das Gewöhnliche außergewöhnlich erscheinen lassen und deren poetisch einfache Sprache zu Musik wird”, ließ heute Rowohlt-Verlegerin Nicola Bartels wissen.

Jon Fosse wurde am 29. September 1959 im norwegischen Hagesund geboren. Heute lebt er nicht nur in Norwegen, sondern aufgrund seiner dritten Ehe mit einer slowakischen Wissenschafterin zeitweise auch im niederösterreichischen Hainburg an der Donau. Dort schätzte man sich am Donnerstag glücklich – auch wenn der Konnex mit dem Literaturnobelpreisträger für die Stadtgemeinde eher unverhofft zustande kam. “Wir freuen uns”, sagte Bürgermeister Helmut Schmid (ÖVP) zur APA. Fosse sei ihm aber persönlich nicht bekannt und bisher in der Gemeinde seines Wissens auch nicht präsent gewesen, betonte der Stadtchef. Dennoch soll der frischgebackene Träger der prestigeträchtigsten Auszeichnung der Literaturwelt auch seitens der Gemeinde zu einer Ehrung eingeladen werden. Erste diesbezügliche Planungen hatte Schmid während des APA-Gesprächs bereits im Hinterkopf.

Veröffentlichte er zum Beginn seiner Karriere allen voran Lyrikbände und Romane, gilt er mittlerweile als einer der meistgespielten Theaterautoren. Seine Werke wurden in mehr als 40 Sprachen übersetzt und er selbst mit unzähligen Auszeichnungen bedacht, darunter der internationale Ibsen-Preis und der Europäische Preis für Literatur. Nachdem er 2000 in Wien mit einem Nestroy prämiert wurde, meinte er ein Jahr danach im APA-Interview: “Ich habe keinerlei Bedürfnis, als Berühmtheit zu gelten und führe daher momentan eine Art Doppelleben. Natürlich freue ich mich über den Erfolg, aber ich brauche ihn nicht unbedingt.”

Ö1 wiederholt am Sonntag, den 8. Oktober, um 14.05 Uhr eine “Menschenbilder”-Sendung aus dem Jahr 2014. “Schreiben ist hören, nicht sehen” lautet der Titel des Porträts.