Von: apa
“Do you like your music heavy?” Es gibt wohl Fragen, die braucht man gar nicht erst zu stellen, um zu wissen, dass sie lediglich höchst rhetorisch sind. Als Metallica-Frontman James Hetfield sie an das Publikum im Magna Racino im niederösterreichischen Ebreichsdorf richtet, ist der Samstagabend bereits vorangeschritten – und die rund 60.000 Pilger mittendrin in einer höchstprofessionellen Audienz der Thrash-Metal-Legenden.
Eine Entscheidung wurde dem Publikum bereits im Vorfeld des Österreich-Gigs von Metallica abgenommen. Denn auf anderen Stopps auf der aktuellen Tour steht die Band an zwei Abenden mit unterschiedlicher Setlist auf der Bühne. Gibt es nur ein Konzert, so wie im Racino, so nimmt die Band dem Publikum gnädig die Qual der Wahl und pflastert das musikalische Programm gleich mit allen Hits voll. 15 Lieder gehen sich gerade so aus, nur wenige davon unter fünf Minuten lang. Kein Schaden, denkt sich wohl der geneigte Fan – denn in einer durchschnittlichen Nummer der Metal-Könige tut sich ohnehin mehr als in so manchem ganzen Pop-Album.
Und so startet der Abend gleich wuchtig mit “Whiplash”, das auch schon 41 Jahre auf dem Buckel, aber an Energie nichts eingebüßt hat. Die folgenden “Creeping Death” und “For Whom the Bell Tolls” sind nur unwesentlich jünger und die Performance tilgt auch sogleich Befürchtungen, die nach den Vorbands (erwähnenswert vor allem die Stimmungsbringer Five Finger Death Punch) entstanden waren: Der Sound wird keineswegs vom Winde verblasen und Hetfields glasklare Stimme tut ihr übriges. Was das Gesamtbild etwas stört, sind lediglich die recht zentral platzierten Bierzelte, die die Sicht auf die Bühne verstellen – da nutzt es auch nichts, dass sich die gelben Dächer vom Farbkonzept her gut ins Designs des aktuellen Metallica-Albums einfügen.
Als nächstes steht mit “Enter Sandman” das erste ganz große Highlight an. Das drückt sich nicht nur dadurch aus, dass das textsichere Publikum den Song trägt, sondern auch durch die von den 60.000 Zuhörern gefühlt rund 10.000 angefertigten Handyvideos. Letztere Zahl sollte später nur bei “Nothing Else Matters” überboten werden – und bei einer Jam-Session zwischen zwei Liedern, als Kirk Hammett und Robert Trujillo plötzlich Falcos “Der Kommissar” im Metal-Gewand anstimmen.
Vier Lieder, die in “Vienna” (was zugegebenermaßen nicht nur US-Amerikanern leichter über die Lippen geht als “Ebreichsdorf”) dargeboten werden, stammen vom neuesten Album “72 Seasons”, mit denen Metallica beweisen, dass sie auch mit neuen Songs richtig Gas geben können. So wie mit ihrer Bühnenshow nach über 40-jähriger Erfahrung – perfekt, routiniert und über so manche Strecke vielleicht sogar zu makellos und geschliffen.
Das Publikum – vom Luftgitarristen im Volksschulalter bis hin zu Metal-Veteranen, die wohl schon zur Zeit des Metallica-Debüts dem Party-Alter entwachsen waren – schwebte nichtsdestotrotz in höheren Sphären, als der Abend mit “One” und dem epischen “Master of Puppets” beendet wurde. “We do what we love doing!”, hatte Hetfield da schon ins Mikrofon gerufen. Es gab wohl kaum Leute zu diesem Zeitpunkt und an diesem Ort, die da widersprechen wollten. Das änderte sich allerdings später bei der Abreise, wo sowohl mit Autos als auch mit Shuttlebus angereiste Fans über teilweise stundenlange Wartezeiten klagten. Wohl eine der vorhersehbaren Erscheinungen bei einem Konzert dieser Größenordnung.
(Von Peter Lindner/APA)