Milow setzt weiter auf organische Musik

Milow im Duett mit totem Vater: KI “nicht verdammen”

Sonntag, 16. Februar 2025 | 07:05 Uhr

Von: apa

Auf dem neuen, am 21. Februar erscheinenden Album “Boy Made Out Of Stars” von Milow befindet sich ein Duett des Popsängers mit seinem 2008 verstorbenen Vater. Mit Künstlicher Intelligenz (KI) wurde die Stimme des Papas aus Aufnahmen isoliert, die dieser als 20-Jähriger gemacht hat. “Viele warnen vor Gefahren der KI und verteufeln sie”, so Milow im APA-Interview. “Ich mache mir auch Sorgen. Ja, es gibt Gefahren, aber man sollte die Technologie nicht grundsätzlich verdammen.”

“Ich hatte nur diese Aufnahmen zur Verfügung und konnte das Duett nur mit Hilfe der KI realisieren”, erzählte der in Antwerpen geborene Musiker. “Dabei habe ich nur einen winzigen Bruchteil dessen angewendet, was mit KI heute schon möglich ist und diese Technologie sehr umsichtig eingesetzt.” Man müsse wachsam sein, sich aber nicht “durch nur negative Gedanken von den wirklich tollen Möglichkeiten ablenken lassen”: Für ihn sei der Song “einer der wichtigsten” seiner Karriere gewesen, betonte Milow, darum sei er für die neuen Möglichkeiten “dankbar”.

“Nicht das Ende von allem”

Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz sei “nicht das Ende von allem”, prognostizierte der 43-Jährige. “Es gibt viele Momente in der Musikgeschichte, wo man dachte, neue Technologien sind das Ende von irgendetwas. Als zum Beispiel Drumloops aufkamen, dachten viele, dass künftig Schlagzeuger keine Jobs mehr haben würden. Aber es gibt immer noch Drummer. Um das Copyright wird allerdings eine große Debatte ausbrechen. Weil KI und ChatGPT nichts Neues erfinden – sie recyceln. Wir Musiker sind alle inspiriert, manchmal bewusst, manchmal unterbewusst. Aber wenn ChatGPT etwas generiert, kommt das von etwas, das es schon gab und auf dem Rechte bestehen.”

Abgesehen vom Duett hatte Milow bei der Arbeit an den neuen Songs allerdings keine KI-Hilfe notwendig. Geboten werden handgemachte Singer-Songwriter-Stücke im Popgewand. “Das ganze Album klingt, zumindest für meine Ohren, so organisch, weil es live aufgenommen wurde”, sagte Milow. Er habe sich für eine Old-School-Arbeitsweise entschieden: “Ich war drei Wochen mit der Band im Studio. Das tut man heutzutage nicht mehr. Man holt auch keine echten Bläser ins Studio. Und niemand dreht Videos zu allen 15 Songs. Wir haben das aber gemacht. Die Zeit wird zeigen, ob es das letzte Album ist, das ich mir auf diese Weise zu realisieren erlaubt habe.”

“Machmal zweifelt man”

Dabei war Milow zunächst so “verunsichert wie nie zuvor”, schrieb er in einem Fanmagazin. Warum eigentlich? “Ich weiß gar nicht”, antwortete er der APA. “Das ist jetzt mein achtes Album, und ich will den bisher erreichten Standard nicht unterschreiten. Ich lege mir die Messlatte stets höher. Beim Coronaalbum (‘Nice To Meet You’, veröffentlicht 2022, Anm.) war ganz klar, was ich zu tun hatte. Ich konnte im Lockdown nur in Belgien aufnehmen. Und ich wollte optimistische Songs schreiben, die den Leuten, die zu Hause sitzen, Hoffnung geben.” Dieses Mal habe er dagegen alle Freiheiten – künstlerisch und logistisch – gehabt. “Ich hätte das Album auch in Costa Rica machen können. Zu viele Optionen überfordern mich manchmal.”

Jonathan Ivo Gilles Vandenbroeck, wie Milow mit bürgerlichem Namen heißt, spricht offen über Selbstzweifel, die er mitunter auch in Songs thematisiert, “weil viele Leute sich abmühen und unsicher sind”: “Immer wenn ich an neuer Musik arbeite, kommt irgendwann der Gedanke: Kann ich jemals wieder einen Song schreiben? Oder einen guten Song? Das klingt vielleicht dumm. Aber manchmal zweifelt man. Das ist auch dem Druck geschuldet, den ich mir selbst auferlege.”

“Bleib optimistisch”

“Boy Made Out Of Stars” erforscht nicht nur dunkle Materie. “Get Up And Go” ist beispielsweise ein aufbauender Song. “Solche Lieder schreibe ich besonders gerne. Weil man sich selbst damit sagt: Bleib optimistisch!” Zugleich gebe man diese Parole dem Publikum weiter. Entstanden sei der Song am Ende einer Zeit des Zweifelns, so Milow. “Es geht darum, wie ich mein Mojo und meine Selbstsicherheit wieder gefunden habe.” Zugleich sei sein “Get Up And Go”, also sein Antrieb aufzustehen und weiterzumachen, die Musik. “Menschen haben mich enttäuscht, aber Musik war immer für mich da.”

Viele könnten angesichts der Weltlage Optimismus sicher gut gebrauchen. “Es stimmt schon, in den letzten paar Wochen ist mehr passiert, als sonst in Monaten”, nickte Milow. “Die Parameter lassen wenig Optimismus zu. Ich sehe es als eine Aufgabe für Musiker, Leuten durch schwierige Zeiten zu helfen. Manche sagen, Musik ändert nichts. Ich weiß, dass ein Gehirnchirurg wichtigere Arbeit leistet. Aber auf der anderen Seite kann Musik kraftspendend sein. Kleine Dinge (wie Songs) können dir helfen, deine Meinung zu ändern oder dir Optimismus geben.”

Viele Acts folgen heute einem dem Erfolgsalgorithmus von Streamingdiensten ausgerichteten Schema. “Mich schockiert das nicht”, meinte Milow. “Ich habe im Musikbusiness wiederholt gesehen, wie erfolgreiche Dinge kopiert werden. Schon vor Spotify wurde Musik nach Formeln produziert. Es gab auch immer schon Leute, die Texte nicht deswegen verfassten, weil sie etwas gefühlt haben und ausdrücken wollten, sondern um Geld zu verdienen. Das mag für kurze Zeit funktionieren, aber es steckt kein Herz darin. Die junge Generation hat ein gutes Gespür dafür, was real und was fake ist. Für jeden KI-Song gibt es Künstler wie Chappell Roan, die ihren eigenen Weg gehen. Darum mache ich mir keine allzu große Sorgen. Aber wer weiß, wenn ich nächstes Mal wiederkomme und ein Computer das Interview führt, hab ich mich getäuscht”, lachte Milow.

(Das Interview führte Wolfgang Hauptmann/APA)

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