Von: APA/dpa
Ausgemergelt, mit angespanntem Oberkörper und ein verschreckendes Lachen: Als Batmans späterer Gegenspieler zeigte Joaquin Phoenix in “Joker” einmal mehr, dass er zu den allerbesten Schauspielern seiner Generation zählt. Seine verstörende Verkörperung von Arthur Fleck, ein gescheiterter Comedian, der immer tiefer in Wahnvorstellungen versinkt, brachte Phoenix 2020 den längst überfälligen Oscar als bester Hauptdarsteller ein. Am Montag (28. Oktober) wird er 50 Jahre alt.
Das dämonische Kichern gibt er jetzt auch in “Joker: Folie à Deux” zum Besten. Phoenix ist an der Seite von Lady Gaga dazu noch singend zu erleben. Regisseur Todd Phillips hat die Fortsetzung als eine Art Musical inszeniert. Die düstere Originalversion war bei Kritikern und Zuschauern besser angekommen. Phoenix jedoch ist auch in dem Sequel wieder überragend gut.
Praktisch mit jeder Rolle zieht er die Zuschauer in seinen Bann. Drei Mal war er zuvor schon für einen Oscar nominiert gewesen – für “Gladiator”, “Walk the Line” und “The Master”. Doch sein Können kehrt er öffentlich nie heraus. Im Gegenteil, in seinen seltenen Interviews ist er bescheiden. Das Rampenlicht meidet er gewöhnlich, sein Privatleben hält er am liebsten unter Verschluss.
Redselig war Phoenix ausnahmsweise Ende September in dem über einstündigen “Talk Easy”-Podcast. Seine Partnerin, die Schauspielerin Rooney Mara (39), bezeichnete er darin als seine Ehefrau. Über eine Hochzeit der beiden, die sich erstmals 2017 öffentlich als Paar zeigten, war bisher nichts bekanntgeworden. Auch die Geburt ihres ersten Kindes, Söhnchen River im August 2020, behielten sie zunächst für sich.
Erst im November des Jahres nahmen sie indirekt darauf Bezug, als das Paar in der Zeitschrift “People” den Umgang mit Migrantenkindern, die 2018 an der US-Grenze von ihren Familien getrennt wurden, scharf kritisierte. “Als neue Eltern ist es uns unerträglich vorzustellen, wie es sich anfühlen würde, unser Kind für einen Tag von uns genommen zu bekommen, geschweige denn für Jahre”, schrieben sie in einer Kolumne, einen Tag vor den damaligen US-Präsidentschaftswahlen.
Phoenix und Mara (“The Social Network”, “Verblendung”) sind seit langem in den USA politisch aktiv. Sie sind auch bekennende Tierschützer und ernähren sich vegan. In diesem Sommer wurden sie erneut Eltern. Bei der Berlinale im Februar war Mara zur Premiere ihres Films “La Cocina” noch mit deutlichem Babybauch über den roten Teppich gegangen.
In dem jüngsten Podcast-Interview schaute Phoenix auf seine ungewöhnliche Kindheit zurück. Mit einem alten Kombi seien seine Hippie-Eltern mit den fünf Kindern River (Fluss), Rain (Regen), Liberty (Freiheit), Summer (Sommer) und ihm – Leaf (Blatt) – von Florida nach Los Angeles gekommen. “Wir müssen verdammt schäbig ausgesehen haben”, erzählt er, aber viele Leute hätten ihnen geholfen.
Alle schauspielerten schon als Kinder. Er hatte als Leaf Phoenix Gastrollen in TV-Serien, als Teenager spielte er in Ron Howards Komödie “Eine Wahnsinnsfamilie” (1989) mit. River, der Älteste der Geschwister, hatte mit Filmen wie “Stand by Me – Das Geheimnis eines Sommers”, “My Private Idaho” oder “Sneakers – Die Lautlosen” Erfolg. Drei Tage nach Joaquins 19. Geburtstag brach River in einem Club in Los Angeles zusammen. Joaquin setzte einen verzweifelten Notruf ab. River starb an einem “Speedball”, einer Mischung aus Heroin und Kokain. Er war 23.
Sein verstorbener Bruder habe ihn zur Schauspielerei ermutigt, sagte Phoenix 2019 beim Toronto International Film Festival. “Dafür stehe ich in seiner Schuld. Die Schauspielerei hat mir so ein unglaubliches Leben beschert.” Er sei 15 oder 16 Jahre alt gewesen, als ihm River den Martin-Scorsese-Film “Wie ein wilder Stier” gezeigt habe. In seiner Oscar-Dankesrede für “Joker” zollte Phoenix seinem älteren Bruder erneut Tribut.
Mit seiner Nebenrolle als der irre und grausame Kaiser Commodus in Ridley Scotts “Gladiator” (2000) feierte Phoenix seinen internationalen Durchbruch. Mit dem Auftritt in dem Historienepos holte er seine erste Oscar-Nominierung. Die Zweite gab es für seine brillante Darstellung von Countrystar Johnny Cash in der Filmbiografie “Walk the Line” (2006). Die nächste folgte für das Sektendrama “The Master” (2013) mit Philip Seymour Hoffman als charismatisch-herrischer Guru und Phoenix als dessen traumatisierter Anhänger.
Unter der Regie von Spike Jonze verliebte sich Phoenix in der Science-Fiction-Romanze “Her” (2013) in eine weibliche Computerstimme namens Samantha (Scarlett Johansson). Er spielt einen Grübler und Einzelgänger, der unter der Trennung von seiner Ehefrau Catherine (Rooney Mara) leidet. Hier standen sich Phoenix und Mara erstmals bei Dreharbeiten gegenüber.
Regisseur Gus Van Sant, der 1991 River Phoenix für das Roadmovie “My Private Idaho” vor die Kamera holte, setzte 2018 in “Don’t Worry, weglaufen geht nicht” auf Joaquin Phoenix. Der spielt den alkoholsüchtigen US-Cartoonisten John Callahan, der nach einem Autounfall querschnittsgelähmt ist. Es ist fast zum Lachen, wenn Phoenix mit rotblonder Topffrisur und unbändiger Energie im Rollstuhl über Gehsteige rast. Und ebenso schockierend, wenn er besessen versucht, an Hochprozentiges heranzukommen. Mara wirkte in einer Nebenrolle als seine Geliebte mit.
In “Maria Magdalena” (2018) standen sich Mara in der Titelrolle und Phoenix als Jesus aus Nazareth schließlich als Hauptdarsteller gegenüber. Schon bei den Dreharbeiten zeigten sie sich im echten Leben als Paar. Für Altmeister Ridley Scott, der ihm 2000 die “Gladiator”-Rolle gegeben hatte, ließ er sich 23 Jahre später auf das Historienepos “Napoleon” ein – als Frankreichs machthungriger Kaiser.
Phoenix hatte auch schon eine denkwürdige Begegnung mit der deutschen Regielegende Werner Herzog (“Fitzcarraldo”, “Grizzly Man”). Er war als Erster zur Stelle, als 2006 Phoenix’ Wagen in Hollywood von der Straße abkam und sich überschlug. “Ich hörte, wie eine deutsche Stimme sagte, entspann dich”, wurde Phoenix damals von der “Los Angeles Times” zitiert. “Werner Herzogs Stimme ist so beruhigend und schön.” Er habe sich gleich sicher gefühlt. Herzog wiederum gab an, überall sei Benzin gewesen und Phoenix habe im Schock mit einem Feuerzeug hantiert. Das habe er ihm schnell weggenommen.
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