Von: apa
“Es ist schwer, durch irgendeine Stadt zu spazieren, ohne die Grafik auf T-Shirts, auf Sneakers oder sonst wo zu sehen.” Das sagt Aubrey Powell, Mitbegründer des Designstudios Hipgnosis, im APA-Interview über das ikonische Plattencover zu Pink Floyds “Dark Side Of The Moon”. Hipgnosis hat über zehn Jahre wahre Kunstwerke zur Verpackung von Alben geschaffen, viele davon sind heute legendär. Der Film “Squaring The Circle” erzählt die Geschichte(n) dahinter. Ab Freitag im Kino.
In der linear gestalteten Dokumentation von Regisseur Anton Corbijn lässt “Po” Powell die Entwicklung des Labels und dessen Schaffen ausführlich Revue passieren: von der Gründung der Firma mit dem Kreativgenie Storm Thorgerson über die Hochblüte der Musikindustrie, als 100.000 Dollar für die Gestaltung von Plattencovern bezahlt wurden, bis zum Ende der Geschäftsbeziehung der beiden Männer. Dazwischen kommen Stars wie Paul McCartney, Jimmy Page und Robert Plant, David Gilmour und Roger Waters oder Peter Gabriel zu Wort.
Der Film ist in Schwarz-Weiß gehalten, nur die eingeblendeten Albumcover erstrahlen in voller Farbenpracht. “Ein brillantes Konzept”, so Powell im Interview mit der APA. “Ich wollte unbedingt Corbijn als Regisseur, auch wenn ich ihn erst überzeugen musste. Und ich wollte keine Weißwaschung.” Die Produktionsfirma stand allerdings vor einem Problem: Wie könnte man all die Größen vor die Kamera holen, für die Hipgnosis tätig war? “Da habe ich auf mein Telefon gezeigt und gesagt: Ruft sie doch an”, lacht Powell.
Das Interesse an Hipgnosis sei über die letzten Jahre stetig gewachsen, berichtet der Brite. Es gab Ausstellungen, es erschienen Bücher und “Museen begannen Cover-Artwork ernst zu nehmen, sie wurden nicht mehr als Pop-Trash angesehen”. Vorhersehbar war das nicht: “Storm und ich haben Hipgnosis 1964 gegründet, um unseren Lebensunterhalt zu finanzieren. Natürlich hatten wir auch Spaß. Wir schenkten Texten, Musik, Bandnamen oder Titeln keine Beachtung. Wir setzen einfach interessante Ideen um und versuchten, diese zu verkaufen.”
1973 designte Hipgnosis das Cover für “Dark Side Of The Moon”, das Album verkaufte sich laut Powell 65 Millionen Mal. “Das hat alles verändert, plötzlich waren wir nicht mehr arm”, erinnert er sich. “Bang! Hipgnosis starte voll durch. Ab dann waren wir sehr beschäftigt, ich habe zehn Stunden am Tag gearbeitet, sieben Tage die Woche. Es folgten zehn komplett verrückte Jahre.” Die Ideen wurden immer schriller, für “Wings Greatest” etwa fotografierte man aufwendig auf einem Berg in den Schweizer Alpen, was dem fertigen Cover nicht anzusehen ist. “Das hätte man doch auch im Studio machen können”, wird in der Doku angemerkt. Ja, aber Geld spielte eben keine Rolle.
“Niemand hat je nein zu Hipgnosis gesagt”, schmunzelt Powell, von der APA darauf angesprochen. “Je ungeheuerlicher die Vorschläge, desto begeisterter waren die Künstler. 10cc sind das beste Beispiel dafür.” Für das Cover ihrer LP “Are You Normal” schlug Hipgnosis vor, ein Schaf auf einer Couch mit dem Meer in Hintergrund zu fotografieren. Powell: “Da steckte viel Symbolik dahinter: Das Schaf verkörpert den Menschen, das Sofa verweist auf Freud, das Meer auf das Unterbewusste. Die Band hat das nicht verstanden. Aber es hieß: Ok, macht das Foto an der englischen Küste. Ich wies darauf hin, dass es Februar sei und ich deshalb dafür nach Hawaii will, um ein Schaf abzulichten. Sie sagte: Klar, logisch, mach das.”
Spannend zu sehen ist in dem Film, wie diese Grafiken, Montagen und Fotos lange vor der Möglichkeit der Verwendung des Computers entstanden. Für das jeweilige Ergebnis alles andere als ein Nachteil: “Ich begrüße moderne Technologie”, so Powell. “Aber wenn man für ein Coverbild wie für ‘Wish You Where Here’ einen Stuntman in Brand setzt, überträgt sich die Emotion auf das Foto. Heute ist das am Computer in zwei Stunden erledigt. Aber das Foto würde nicht diese Intensität von Anspannung transportieren.”
“Squaring The Circle – The Story Of Hipgnosis” wartet mit vielen Anekdoten auf. Eine, die es nicht in den Film schaffte, erzählt Powell im Interview: “Wir haben sechs Cover für Led Zeppelin designt. Wir kamen immer mit guten Ideen an – offenbar mit einer Ausnahme.” Für die Hülle der LP “Physical Graffiti” habe Thorgerson das Foto eines Tennisschlägers auf grünem Gras vorgeschlagen. “Dazu muss man wissen, Racket bedeutet Tennisschläger, aber es gibt auch die Redewendung making a racket, einen furchtbaren Lärm machen. Jimmy Page knurrte: ‘Wollt ihr damit sagen, Led Zeppelin machen Lärm?’ Storm: ‘Ja, genau!’ Wir wurden der Tür verwiesen, das Cover gestaltete jemand anderer.”
Ob viele Alben allein wegen der Cover von Hipgnosis gekauft wurden? “Das würde ich gerne denken”, schmunzelt Powell. “Wir waren in einer glücklichen Position, weil unsere Arbeiten so anders waren, unsere Cover daher oft in den Geschäften prominent ausgestellt wurden. Das Cover war ein Plus für jede Band. Alle Künstler, für die wir gearbeitet haben, nahmen das Artwork sehr ernst. Kunden wie Peter Gabriel, Genesis oder Pink Floyd schrieben über ernste Themen – über Wahnsinn, Tod, Depression, Verlust. Sie wollte ein Cover, das den Leuten etwas zum Nachdenken gab und in dem Intelligenz steckte.”
Powell besitzt immer noch Hipgnosis und betreut das Vermächtnis. Von Thorgerson hat er sich 1983 getrennt. “Storms Ego war außer Kontrolle. Diese wunderbare Synergie zwischen uns und der geistige Schlagabtausch verwandelten sich zu einem Kampf zwischen ihm und mir.” Das Ende des Films lässt offen, ob sich die beiden je versöhnt haben. “In Wahrheit unterhielten wir uns immer gut, wenn wir uns über den Weg liefen”, beteuert der 77-Jährige. “Als Storm einen Schlaganfall erlitt und bei ihm gleichzeitig Krebs diagnostiziert wurde, habe ich ihn jeden Monat besucht. Ich wollte für ihn da sein – und ich war da bis zu seinem Tod.”
(Von Wolfgang Hauptmann/APA)
(S E R V I C E – www.squaringthecirclefilm.com)