Andy McCluskey bei einem Auftritt 2011 in New York

Pop-Ikonen OMD auf neuem Album zeitlos gut

Donnerstag, 26. Oktober 2023 | 07:03 Uhr

Von: APA/dpa

Mit Synthie-Pop-Hits wie “Enola Gay”, “Maid Of Orleans” oder “Souvenir” stürmten Orchestral Manoevres In The Dark – kurz OMD- in den 80er- und 90er-Jahren die Charts und die Radiowellen. Nach über 40 Jahren Bandgeschichte hat sich das Duo seinen markanten Sound bewahrt. Am Freitag erscheint das neue Album “Bauhaus Staircase”.

Als die Schulfreunde Andy McCluskey und Paul Humphreys 1978 in einem Club in Liverpool unter dem sperrigen Namen Orchestral Manoevres In The Dark auftraten und ihre minimalistische Elektromusik spielten, taten sie das eigentlich nur zum Spaß. “Es war nur eine Mutprobe”, erzählt McCluskey (64) im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur in London und lacht. “Wir haben uns diesen verrückten Namen gegeben, damit die Leute wussten, dass wir anders sind. Wir haben nicht versucht, cool zu sein. Es war nur ein Hobby, das versehentlich zu einer 45-jährigen Karriere wurde.”

Anfangs habe niemand die Band und ihre “merkwürdige Musik” gemocht. Doch das änderte sich. In ihrer langen Karriere veröffentlichten OMD mehr als ein Dutzend Alben, machten einige Besetzungen durch und trennten sich zeitweise. Seit 2006 ist das Duo McCluskey und Humphreys wieder gemeinsam aktiv. “Bauhaus Staircase” ist das vierte Studioalbum seit der Reunion und das 15. insgesamt der ikonischen Synthie-Pop-Band.

“Ich bin ein Kunstfreak, ich habe Kunst immer geliebt”, sagt McCluskey auf die Frage nach der Verbindung zwischen OMD und der von Walter Gropius begründeten Bauhaus-Schule. “Eigentlich sollte ich selbst auf eine Kunstschule gehen. Doch vorher ging es mit der Band los, deshalb kam ich nie dazu. Aber ich lasse mich viel von der Kunst inspirieren. Und Bauhaus liebe ich ganz besonders, weil ich diese klare, schlichte Umsetzung von Design in funktionale Ästhetik mag.”

Der Albumtitel und der Titelsong sind ein Plädoyer für freie Kunst. “Wenn die Zeiten schwierig sind, brauchen wir Kunst umso mehr, weil sie zu uns sprechen und unsere Seele erheben kann”, sagt der Sänger, der auch eine politische Komponente sieht. “Totalitäre Regime mögen keine Kunst. Sie verstehen es nicht, sie haben Angst, dass es kritisch sein könnte, und begreifen nicht, dass es kritisch ist.”

Zuletzt wiederum habe die Pandemie die Kunst bedroht. “Wir konnten nicht ins Museum gehen, ins Theater oder zu Konzerten”, sagt der Frontmann, der auch für seine kuriosen, extatischen Tanzbewegungen bekannt ist, während sein Kollege Paul Humphreys statisch in die Tasten haut. “Die Regierung hat Künstler nicht unterstützt. Es gab kein Geld für Musiker, Schauspieler, Maler oder Tänzer.”

Überhaupt hat die Zeit in der Pandemie großen Einfluss auf das Album gehabt. Mehrere Songs auf “Bauhaus Staircase” hatte McCluskey während dieser Zeit komponiert. “Ich habe sie als musikalische Umarmungen und Liebeserklärungen an Menschen geschrieben, die mir wichtig sind”, erzählt der 64-Jährige. “G.E.M.”, “Where We Started” und “Aphrodite’s Child” sind solche musikalischen Geschenke. McCluskey lacht. “Als das Album entstand, hab ich alle angerufen und gefragt, ob ich die Songs bitte für eine OMD-Platte zurückhaben kann.” Die Adressaten bleiben anonym. “Aber die Lieder drücken meine Liebe für sie aus.” Das erhebende “Look At You Now” klingt ein wenig nach deutschem Schlager.

“Bauhaus Staircase” ist zugleich ungewohnt politisch. Der Song “Kleptocracy” etwa kritisiert korrupte Politiker und den Einfluss des Geldes auf die Demokratie. “Ich glaube an die Demokratie. Sie ist nicht perfekt, aber ich finde, das ist die beste Gesellschaftsform”, sagt McCluskey. “Neuerdings scheint es allerdings, als hätten lügende Narzissten unsere Demokratien gekapert.” Dann schimpft der Sänger wütend über Donald Trump, Boris Johnson und Wladimir Putin und entschuldigt sich anschließend für die Kraftausdrücke. “Zu sagen, dass ich ein wenig genervt bin, wäre noch milde ausgedrückt.”

Musikalisch klingen Orchestral Manoevres In The Dark faszinierend zeitlos und stilecht. “Wir können gar nicht anders als nach OMD zu klingen”, sagt McCluskey, dessen markante, versatile Stimme sich nicht verändert hat. Die elektronischen Klänge von Paul Humphreys sind ebenso unverkennbar. Das wunderbare “Don’t Go” ist das beste Beispiel dafür. “Vor 45 Jahren haben wir versehentlich einen Sound geschaffen, der heute wunderbarerweise wiedererkennbar ist. Die Kunst besteht darin, nicht wie eine schlechte Kopie von uns zu klingen.”

Nach den guten Kritiken und dem Erfolg von “The Punishment Of Luxury” aus dem Jahr 2017 hätten sie sich gut überlegt, ob sie überhaupt ein weiteres Album rausbringen sollten. “Wie Paul immer sagt: Wir machen kein neues Album, weil unsere Managerin sagt, dass wir ein neues Logo für die nächsten Tourshirts brauchen”, sagt McCluskey. “Der einzige Grund, ein Album zu veröffentlichen, ist, dass man eine Sammlung von Liedern hat, die gut genug sind, damit die Leute sie hören wollen.”

Die Produktivität seit der Reunion hat sich ausgezahlt. “Wir sind nicht nur eine Nostalgie-Band”, freut sich Andy McCluskey. “Die neuen Alben wurden gut aufgenommen und haben uns modern gemacht.” Das zeigt sich auch an den Konzerthallen, die für OMD zuletzt wieder größer wurden.