Rainhard Fendrich versucht auch weiterhin, "positiv zu denken"

Rainhard Fendrich mit neuem Album “Wimpernschlag”

Montag, 20. Januar 2025 | 06:35 Uhr

Von: apa

Mit “Wimpernschlag” veröffentlicht Rainhard Fendrich am 31. Jänner nach fünf Jahren ein neues Album. Heuer stehen außerdem neben einer großen Tour zwei Feiern an: das 45-jährige Bühnenjubiläum und am 27. Februar der 70. Geburtstag. “Man schiebt die Jahre vor sich her, hat viel zu tun. Auf einmal steht diese Zahl vor dir. Und du denkst: Was ist jetzt los?”, sagt Fendrich im APA-Interview. Da sei es “automatisch” passiert, sich in Liedern mit der Zeit auseinanderzusetzen.

“Wimpernschlag” bietet wunderbar instrumentierten Pop, klassische Singer-Songwriter-Stücke, Ausflüge in Stile wie Rumba und Polka sowie witzige, autobiografische und nachdenkliche Texte. Aber auch kritische Töne (“Kinder des Krieges”, “Über’s Meer”) werden angeschlagen. “Ich bin kein Auftragskünstler”, betont der agile Wiener: “Ich kann nur über das schreiben, was mich berührt.” Wer ein Problem damit hat, dem sei gesagt: “Musik ist immer eine freiwillige Veranstaltung, man muss sie nicht hören.”

“Wir sind noch am Leben”

Das Album beginnt mit “Wir sind am Leben”, einem hymnischen Stück mit einem Schuss Elektronik und klarer Botschaft: “Solange es Menschen gibt, die aufstehen und ihre Meinung frei sagen und das Unrecht nicht vergessen, habe ich Hoffnung”, betont Fendrich. “Es ist so viel unvorstellbar Schreckliches auf der Welt in den letzten Jahren passiert. Mit dem Lied will ich sagen: Wir sind noch am Leben! Ich glaube ganz fest daran, dass es Lösungen geben muss und wird. Ich versuche, positiv zu denken.”

Weniger optimistisch klingt “Wake Up Call” mit Gedanken über den Klimawandel. Hören die Leute überhaupt den Weckruf? “Schon, aber sie ignorieren ihn”, antwortet Fendrich und fügt an: “Wer sind DIE Leute? Man glaubt, dass sich die gesamte Menschheit in Geiselhaft einer Handvoll narzisstischer Wahnsinniger befindet. Es geht nur um Profit. Die Industrieländer haben sich reich gemacht, und es ist ihnen vollkommen egal, ob in Afrika das Land verdorrt. Politiker wollen zuerst einmal ihre Klientel bedienen.” Es sei einfach, eine Tatsache wie den Klimawandel zu leugnen, “wenn man nach Erdöl bohren will”. Fazit: “Ich sehe dunkle Wolken am Horizont.”

Rechtsruck und Populisten

Fendrichs Meinung zur allgemeinen politischen Situation? “Der Rechtsruck in Europa basiert auf dem Versagen der Regierungen in den letzten Jahrzehnten”, betont er. “Ich glaube nicht, dass ein Drittel der Österreicher radikal rechts ist. Eine Regierung, die gefühlt mehr in Untersuchungsausschüssen sitzt als im Parlament, verliert nur irgendwann das Vertrauen. Das ist Wasser auf den Mühlen der Populisten.”

Er habe “noch nie so viel Angst gehabt um unsere Demokratie”, zeigt sich Fendrich nachdenklich. “Mit der Demokratie kann man keinen Wahlkampf gewinnen. Das ist wie mit der Luft: Erst wenn sie weg ist, spürt man die Folgen.” Als erstes würde immer die Meinungsfreiheit sterben. “Das passiert jetzt schon: beschimpfen, beleidigen, bedrohen, verfolgen.”

Autobiografische Einblicke

“Wimpernschlag” bietet viele autobiografische Einblicke wie etwa die große, Fendrich-typische Ballade “Hoit mi” – ein Lied, das er auch für sich selbst geschrieben habe: “Ich bin ein schwieriger Mensch, auch in einer Partnerschaft”, bekennt er: “Ich mache gerne viel allein. Ich kann allein sein, ich brauche das. Nur irgendwann kommt man drauf, dass man bestimmte Dinge nicht alleine schafft, etwa sich selber aufzufangen.”

Ein anderes Lied überrascht mit dem Titel “Nie wieder jung sein”. “Da denken sich vielleicht viele, er will sich was schönreden”, so Fendrich. “Natürlich ist die Jugend die Blütezeit, aber es kommt darauf an, in welcher Umgebung und in welcher Epoche. In meiner Jugend gab es ein spießiges Establishment. Mein Vater war ein hoch intelligenter, aber strenger Mann. Der hat nicht erzogen, sondern geherrscht. Im Internat galt noch das Züchtigungsrecht. Frei war ich das erste Mal mit 18, als ich über mein Leben selbst bestimmen konnte. Freiheit bedeutet für mich nicht, dass ich machen kann, was ich will, sondern dass ich nicht das machen muss, was ich nicht will. So muss man das Lied verstehen.”

Lustiges als Herausforderung

Mit dem Hit “Warteschleife” erfüllt Fendrich einen Wunsch vieler Fans: “Schreiben’S doch wieder mal was Lustiges.” Das sei allerdings heutzutage “eine ziemliche Herausforderung”. Beim satirischen Lied “Wladimir” mit einer treffsicheren Pointe bleibt einem das Lachen dagegen im Hals stecken. “Man glaubt gar nicht, wie viel Putin-Fans es in Österreich gibt”, so Fendrich mit Stirnrunzeln. “Putin ist ein Kriegsverbrecher, mit dem kann man doch nicht sympathisieren. ‘Der hat uns immer das billige Gas geliefert’ – wie herzlos und egoistisch sind die Leute geworden?”

Kritisch setzt sich Fendrich in “Glaub net alles” mit Falschmeldungen auseinander. “Vor nicht allzu langer Zeit haben Philosophen und Soziologen gesagt, dass die sozialen Medien aus dieser Welt eine bessere machen werden. Genau das Gegenteil ist eingetreten, die Leute sind ängstlicher und aggressiver”, betont Fendrich. Es werde nicht nur manipuliert, sondern auch “jeder Schmarrn gepostet, mit dem Finger auf Leute gezeigt, moralisiert und geschimpft”.

Große Tournee mit Österreichterminen

Am 11. April geht Fendrich auf große Konzertreise, die ihn neben Deutschland und der Schweiz auch zweimal in die Salzburgarena (27. April und 17. Mai) und die Wiener Stadthalle (25. April und 16. Mai) führt, überdies nach Dornbirn (1. Mai), Linz (5. Mai), Klagenfurt (6. Juli), Graz (28. Oktober) sowie Innsbruck (31. Oktober). “Ich war wirklich überrascht, dass der Zuspruch so groß ist”, freut sich Fendrich. Man darf ein karriereumspannendes Programm erwarten: “33 Lieder wollen wir spielen, das hat schon fast Bruce-Springsteen-Dimensionen”, lacht er herzhaft. Er habe auch einige “uralte Lieder ausgegraben” – wie “Auf und davon”. “Das passt ja in diese Zeit.”

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