Von: apa
Der Schweinehund ist zurück: Das selbst gewählte Wappentier des Wiener Rapduos Kreiml & Samurai erhält auf dem neuem Album “Ranz oder gar nicht” reichlich Auslauf. Tiefer Humor trifft dabei auf Kapitalismuskritik, aber auch der alljährliche Urlaubswahnsinn oder die traditionsergebenen Aspekte unseres Landes werden durch den Kakao gezogen. Schmäh und Ernsthaftigkeit halten sich mittlerweile fast die Waage. “Es ist ein politischeres Album geworden”, so Samurai.
Vier Jahre sind seit dem Vorgänger “Auf olle 4re” vergangen und viel ist passiert – und irgendwie auch nicht. Die durch Corona aufgezwungene Pause habe natürlich gewisse Dinge verhindert, aber: “Im Nachhinein kann man sagen, dass uns der Reset bis zu einem gewissen Grad auch gut getan hat”, blickte Samurai im APA-Interview zurück. “Es hat uns jedenfalls auf die Probe gestellt. Deswegen heißt das Album nun auch so, im Sinne von ‘Ganz oder gar nicht’: Wir wissen mittlerweile, worum es uns am meisten geht und haben uns musikalisch gefunden.”
Was insofern stimmt, als die zwölf neuen Nummern sehr präzise auf den Punkt kommen und nicht zuletzt vom Sound her ein vielfältiges, aber in sich stimmiges Bild abgeben. Ein Grund dafür hört auf den Namen Alligatorman, zeichnet der Labelkollege des Duos doch für alle Beats verantwortlich. “Mit ihm gemeinsam haben wir oft bei Null gestartet. Einfach schauen, was passiert”, resümierte Samurai. “Dadurch ist auch Platz gewesen, uns auszuprobieren.” So wartet das teils bitterböse “Oh du mein Österreich” mit einem Jodel-Sample auf, versprüht “Ryanair” seltsam abseitiges Urlaubsfeeling und klingt “Ruhe vor dem Sturm” nach Bossanova mit dunkler Schlagseite.
Oft habe ein Wort gereicht, um eine bestimmte Stimmung zu erzeugen oder eine Richtung vorzugeben. So ist es in “Deppade Frog” das mittlerweile legendäre Interview von Ex-Fußballer Günther Neukirchner, der sich über sein Gegenüber echauffierte. “Das kann dann irgendein Anstoß sein in dieser Parallelwelt im Keller unten, was einen antreibt”, verwies Kreiml auf die Studioarbeit. “Dort gibt es auch keine Zeit, es wie auf einem eigenen Planeten. Du gehst erst raus, wenn etwas da ist.” Erweitert wurde der Sound durch live eingespielte Gitarren- und Bassparts von Jürgen Schallauer, seines Zeichens Teil der Punkband Franz Fuexe. “Am Ende waren wir uns schnell einig, was es ist”, so Kreiml. “Aber ohne, dass wir das vorher genau formuliert hätten.”
Die politischen Einsprengsel, wenn etwa in “Preiselbeerkompott” die Teuerung aufgegriffen wird, hätten sicherlich mit dem Zeitgeist zu tun. “Das ist etwas, was aus unserer Sicht im Hip-Hop heute oft fehlt”, gab Samurai zu bedenken. “Viele Dinge stören uns, da musste im klassischen Sinne Druck abgelassen werden. Jeder soll machen, was er will. Aber wenn im Rap kaum mehr Meinungsäußerungen vorkommen, dann fehlt mir etwas ursprüngliches. Grenzen verschwimmen und das Schubladendenken herrscht nicht mehr vor, was cool ist. Aber wir haben unsere Wurzeln sicher in einer Art Antihaltung mit Punk und Hip-Hop. Das ist so in uns drinnen.”
Andererseits seien gewisse Themen, die früher vorherrschend waren, “mittlerweile einfach durchgespielt”. Dass sich bei der aktuellen Lage noch niemand die Inflation musikalisch vorgeknöpft habe, sei ohnedies ein Wahnsinn, fand Kreiml. “Das ist ein gefundenes Fressen für den Schweinehund. Es ist wichtig, dieses Vakuum zu befüllen.” An anderer Stelle wird Freundschaft im Hip-Hop zelebriert und klar gemacht, dass der “Brudi” eben nicht nur männlich zu lesen ist – denn die Kritik am Patriarchat folgt auf dem Fuß. Es gibt eben meist deutlich mehr als nur eine Perspektive, wie eben auch “Oh du mein Österreich” verdeutlicht: “Sche und schiach zugleich.”
Man merkt schon: Kreiml & Samurai sind erwachsener geworden, haben aber ihre Lust an der Doppelbödigkeit und dem Ranz nicht verloren. Wohl keine einfache Sache, wenn sich die Kinder der beiden Jungväter künftig mal gegen die Eltern auflehnen wollen. “Mal schauen, wie sie gegen uns rebellieren können”, lachte Samurai, während Kollege Kreiml ernst wurde: “Als Vater ist es ein ständiger Lernprozess. Es geht ja nicht nur darum, was man ihnen mitgeben will, sondern auch wie man das macht. Ab einem gewissen Alter sind Eltern sowieso uncool. Wichtig ist einfach, dass man den Kindern keine Scheuklappen aufsetzt oder ihnen Dinge aufs Aug’ drückt.” Dieser Weg sei nie vorbei, so Samurai. “Natürlich verschieben sich da menschlich einige Prioritäten, die unbewusst auch in die Texte einfließen.” Wirklich gezähmt wurde der Schweinehund deshalb aber nicht. Im Mai bellt er dann auch wieder auf Tournee.