Zaho de Sagazan: Elektropop aus Frankreich

Raveparty statt Chansonabend: Zaho de Sagazan war in Wien

Freitag, 21. März 2025 | 08:24 Uhr

Von: apa

Zaho de Sagazan ist zum ersten Mal in Wien – und verzichtet darauf, ihr Cover des Chansons “Vienne” der berühmten Kollegin Barbara zu singen. Die 25-jährige Französin gastiert in einer deutschsprachigen Stadt und lässt ihre Version von Nenas “99 Luftballons”, in dem sie Friedenssehnsucht mit charmanten Fremdsprachversuchen verbindet, nicht steigen. Fast hätte man am Donnerstag bei dem Konzert im Gasometer glauben können, die Wienerinnen und Wiener wären ihr egal.

Dabei war die Nachfrage groß. Der Gig musste vom WUK in die ungleich größere, aber abweisend nüchterne Konzerthalle in Simmering verlegt werden. Die Ansagen macht die Sängerin vorwiegend auf Englisch. Es könnten ja eventuell ein paar Menschen im Publikum sein, die nicht des Französischen mächtig sind, scherzt sie. Gegen Mitte ihres Auftrittes, als sie das Titellied ihres Albums “La symphonie des éclairs”, Symphonie der Blitze, intoniert, zeigt das Auditorium, das an diesem Abend einen für diese Location wohl ungewöhnlich hohen Altersschnitt aufweist, dass sie mit ihrer Annahme nicht richtig liegt, und erweist sich beim Mitsingen als ausgesprochen textsicher.

Surfen auf einer Welle von Sympathie und Energie

Doch Zaho de Sagazan, die mit dreiköpfiger Band in den vergangenen Wochen durch Europa tourte und nach ein paar Tagen Pause ihre Tour in Kanada fortsetzen wird, braucht einige Zeit, um die Stimmung dort zu haben, wo sie sich am wohlsten fühlt: als Welle der Sympathie und Energie, auf der sie mit geschmeidigen Moves im schwarzen Radlerdress scheinbar selbstversunken surft. In der ersten halben Stunde wird deutlich: Nicht alle Songs ihres Albums sind Hits.

Die große Tradition des französischen Chansons, dessen Meisterinnen und Meister mit Musikalität und Poesie bestachen, ist vielleicht Ansporn, aber auch Bürde. Zaho de Sagazans Lieder handeln von Traurigkeit und Egoismus, die überwunden werden sollen, von Liebe und Selbstliebe, von ganz viel Gefühl – und können dem weder in der Musik noch in Texten viel Neues abgewinnen. “Dis-moi que tu m’aimes” singt sie dann, oder “Je rêve”. Nett, aber nicht mehr. Der Abend macht deutlich: Ihr Metier ist nicht das Chanson, sondern der Elektrobeat, nicht das feinsinnige Kommentieren des Lebens, sondern die laute Energieabfuhr.

“Hab Sex mit mir!”

Wenn die Regler ganz laut aufgedreht werden, die Bässe wummern, Zaho de Sagazan ihr weißes Cape ablegt und das Publikum zum Tanzen auffordert, dann verwandelt sich der Gasometer tatsächlich in eine Ravehalle und Menschen, die schon lange nicht mehr die Nacht durchgemacht haben, in eine sich ausgelassen bewegende Menge, während die Lichtstimmungen alle Farben spielen. Dann taucht auch die Sängerin in diese Menge ein. Dann ist das gemeinsame Glück nicht nur eine Behauptung. Dann wirkt der dröhnend vorgetragene Refrain eines ihrer Songs nicht nur lächerlich: “Hab Sex mit mir!”

Bei der Eröffnung des Filmfestivals in Cannes sang Zaho de Sagazan im Vorjahr für die sichtlich gerührte Jurypräsidentin Greta Gerwig ein Cover des David-Bowie-Songs “Modern Love” – eine Hommage an ihren Film “Frances Ha”, in dem das Lied an prominenter Stelle vorkommt. In Wien war das Lied von “Queen or King David” (Sagazan) die erste Zugabe, “Ah que la vie est belle” der heute 85-jährigen Brigitte Fontaine die zweite und letzte. Vom “Oiseau de paradis” wird darin gesungen. Ein Paradiesvogel ist in Wien vorbeigeflattert. Ob er weiß, dass er in “Vienne” war? Egal. Im September absolviert Zaho de Sagazan ein langes Heimspiel. Für zehn Abende gastiert sie im Pariser Olympia. Die Konzerte sind ausverkauft.

(Von Wolfgang Huber-Lang/APA)

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