Arbeiterhymne von Oliver Anthony als Protest aus dem Herzen

Sein Song wird viral: Er lehnt Millionen-Dollar-Plattenvertrag ab

Sonntag, 20. August 2023 | 08:14 Uhr

Von: mk

Virginia – Mit seinem Lied „Rich Men North of Richmond“ hat Oliver Anthony über 24 Millionen Views auf Youtube in nur zehn Tagen erreicht und stürmt an die Spitze der iTunes-Charts. Nun reißen sich die Plattenfirmen um ihn. Doch der aus Virginia stammende Countrysänger lehnte einen Vertrag über acht Millionen Dollar eiskalt ab.

Leute in der Musikindustrie würden ihn fassungslos anstarren, schrieb Oliver Anthony auf seinem Facebook-Account in einem Beitrag, der 730 Wörter umfasst. „Ich will nicht sechs Tourbusse, 15 Sattelschlepper und einen Jet. Ich will keine Stadien füllen und im Scheinwerferlicht stehen“, so der Sänger.

Der gefühlvolle Bluegrass-Song über einen Arbeiter, der die Nase von der politischen Elite voll hat, traf offenbar trotzdem einen Nerv – und das über die USA hinaus. „Ich habe meine Seele verkauft, den ganzen Tag gearbeitet, Überstunden für eine beschissene Bezahlung“, heißt es in dem Text seines Liedes.

Er habe seine Musik deshalb geschrieben, weil er unter psychischen Problemen und unter Depressionen gelitten habe. „Diese Songs haben bei Millionen von Menschen auf einer tiefen Ebene Anklang gefunden, weil sie von jemandem gesungen werden, der die Worte jeden Moment fühlt. Kein Editing, kein Agent, kein Bullshit. Nur ein Idiot und seine Gitarre“, erklärte Oliver Anthony auf Facebook weiter.

In seiner Arbeiterhymne verdammt Anthony hohe Steuern sowie niedrige Löhne und kritisiert die Politiker dafür, die hart arbeitenden Männern und Frauen Amerikas nicht mehr zu beachten. Stattdessen kümmere man sich um „Minderjährige auf irgendeiner Insel“. Damit spielt Anthony auf die Insel des verurteilten Kindersexualstraftäters Jeffrey Epstein auf den Bahamas an, auf der zahlreiche bekannte Prominente jahrelang ein- und ausgingen.

In dem Beitrag auf Facebook räumt er ein, dass sein wahrer Christopher Anthony Lunsford laute und er den Namen seines Großvaters angenommen habe, der zur Zeit  Weltwirtschaftskrise am Ende der 1920-er Jahre lebte. Im Jahr 2010 habe er im Alter von 17 Jahren die High School abgebrochen. „Ich arbeitete in drei Schichten auf Plantagen im Westen von North Carolia sechs Tage die Woche und verdiente 14,50 Dollar“, schreibt er. Es sei die Hölle auf Erden gewesen.

2013 zog er sich bei einem Sturz einen Schädelbruch zu. Der Arbeitsunfall zwang ihn dazu, zurück nach Virginia zu ziehen. Sechs Monate lang war er aufgrund von Komplikationen arbeitsunfähig. Ab 2014 schuftete er als Fabrikarbeiter in mehreren US-Bundesstaaten. Dabei lernte er unzählige andere Arbeiter kennen, die in einer ähnlichen Situation waren wie er.

„Ich verbachte die letzen zehn Jahr damit, jeden Tag dieselbe Geschichte zu hören. Die Menschen sind es verdammt leid, nicht beachtet, gespalten und manipuliert zu werden“, kritisiert der Sänger. Im Jahr 2019 kaufte sich Oliver Anthony eine Farm um 97.000 Dollar, wobei er 60.000 Dollar an Schulden immer noch zurückzahlen muss.

Über sich selbst sagt Oliver Anthony, er sei nichts Besonderes. „Ich bin kein guter Musiker. Ich bin kein guter Mensch.“ Er habe die letzten fünf Jahr mit psychischen Problemen gekämpft, die er versucht habe, im Alkohol zu ertränken. „Ich bin so traurig darüber zu sehen, in welchem Zustand die Welt ist. Jeder kämpft gegen jeden. Ich habe Nächte damit verbracht, mich hoffnungslos zu fühlen und dabei zuzusehen, wie das größte Land auf der Erde verblasst“, schreibt der Sänger.

Gerade solche Aussagen scheinen geradezu prädestiniert dafür, von den Republikanern vereinnahmt zu werden. Doch auch linke Abgeordnete haben sich in den USA positiv über den Sänger geäußert und sich solidarisch mit ihm gezeigt. Er selbst hat sich allerdings nicht politisch positioniert.

„Ich hasse die Art, wie das Internet alle voneinander trennt. Das Internet ist ein Parasit, der den Geist von Menschen infiziert“, schreibt Anthony auf Facebook. Stunden würden vergeudet und Ziele vergessen. Angehörige würden in Häusern nebeneinander sitzen und seien trotzdem voneinander abgelenkt.

Er habe in der letzten Woche über 50.000 E-Mails und Nachrichten erhalten, die alle ein „brutal ehrliches Bild“ zeichnen. Das sei schwer für ihn gewesen. „Suizid, Süchte, Abhängigkeit, Arbeitslosigkeit, Angstzustände und Depression, Hoffnungslosigkeit und die Liste geht noch weiter“, erklärt Anthony. Die Aussage von „Rich Men North of Richmond“ scheint in all diesen Menschen wohl einen Widerhall gefunden zu haben.