Von: apa
Haarige Kostüme mit mehreren Brüsten, pumpende Beats und sägende Gitarren, dazu eine betont inklusive Mischung aus Auflehnung und Selbstbestimmung: Wer die kanadische Musikerin Peaches schon mal live erlebt hat, weiß von all diesen Dingen zu berichten. Seit mehr als 20 Jahren macht Merrill Nisker auf diese Weise Bühnen und Konzertvenues zu besseren Orten. Wie es dazu kam, erzählt das neue Biopic “Teaches of Peaches”, das ab Freitag im Kino läuft.
Der Film des heimischen Regieduos Philipp Fussenegger und Judy Landkammer, der bei der Berlinale im Februar mit dem Teddy Award prämiert wurde, nutzt eine simple inhaltliche Klammer, um der Persönlichkeit Peaches näher zu kommen: 2002 erschien ihr Solodebüt “The Teaches of Peaches”, das trotz seiner alternativen Ästhetik mit Songs wie “Fuck the Pain Away” oder “Set It Off” tief in den Mainstream eindrang. 20 Jahre später ging Peaches auf ausgedehnte Jubiläumstour, um nicht nur diese Stücke, sondern einen ganzen Lebensstil zu zelebrieren.
Mit einer Mischung aus Archivmaterial, Livemitschnitten von damals und heute sowie etlichen Interviewpartnerinnen und -partnern zeichnet die Doku den Start von Peaches’ Karriere nach. Am Ende des Studiums spielte sie in einer Kindertagesstätte noch auf akustischer Gitarre für das kleinste Publikum (wobei “Shake Your Bag of Bones” wohl auch heute ihre Fans zum Tanzen bringen würde), danach ging es über verschiedene (Band-)Stationen ab in den eigenen Kosmos. Ein wie üblich charmant-dandyhafter Chilly Gonzales erinnert sich als Wegbegleiter der ersten Stunde an Duoauftritte in Berlin, wo die “Schrägen” aus Kanada gefeiert wurden – nicht wie in ihrer Heimat irgendwann am Ende der Nacht, sondern schon zu Beginn.
Später war es eine gemeinsame WG mit dem heutigen Popsuperstar Leslie Feist, wo einerseits herumgealbert, andererseits an neuen Sounds und Ästhetiken getüftelt wurde. Peaches entdeckte den Drumcomputer für sich, zimmerte auf diese Weise einen ganz eigenen Klang, verbunden mit sexpositiven Texten einer selbstbewussten Frau, die nicht um Erlaubnis fragen musste. Viele Themen, die heute zum guten Popkanon gehören, wurden von ihr (mit) auf diese musikalischen Landkarte gesetzt: Pro-Choice, Queerness, Empowerment. Sich an den üblichen Mühsalen des Popzirkus abarbeiten, daran dachte Peaches nicht eine Sekunde.
Der Ort für all das ist in diesen zwei Jahrzehnten derselbe geblieben: Es ist die Bühne, umringt von Mitmusiker*innen und Performer*innen, die um sie herumwirbeln und ihre Shows zu anarchischen Freudentänzen werden lassen. “Sie hält dieses Chaos zusammen”, fasst es eine Mitstreiterin früh im Film zusammen. Stimmt. Peaches macht diese Dinge nicht allein, hat aber stets alles im Blick – und nicht zu vergessen: eine Meinung dazu. Spannend ist auch, wie sehr sich manche Abschnitte der Shows über die Zeit ähneln, wenn Songperformances von einst und heute gegengeschnitten werden. Zwar waren die Dinge vor 20 Jahren noch minimalistischer angelegt, aber die große Geste, die hatte Peaches schon immer im Gepäck.
“Teaches of Peaches” fesselt allen voran dank seiner Hauptdarstellerin, die über all die Jahre nichts an Faszination eingebüßt hat. Die schon lange in Berlin lebende Peaches weiß, wie sie Crew und Anhängerschaft ins Boot holt, um gemeinsam an einem Strang zu ziehen und einfach eine gute Zeit zu haben. Da macht es auch nichts, dass die Dokumentation die Zwischenjahre ihrer Karriere einfach ausblendet. Dafür sind Anfang und (vorläufiger) Endpunkt umso schöner ins passende, grelle, alles umarmende Licht gerückt.