Von: apa
Sie können es noch: Zwei Stunden lang auf der Bühne stehen, die Fans begeistern, sich ausufernde Gitarrenduelle liefern und zwischendurch auf kleine Mätzchen nicht vergessen. The Smashing Pumpkins um Kreativkopf und Exzentriker Billy Corgan haben Montagabend in die Wiener Stadthalle geladen. 9.000 Fans sind zur Rockmesse gepilgert, die grundsolide ablief und kaum Durchhänger hatte. Beiden Seiten dürfte klar gewesen sein: Hier wurden alte Zeiten gefeiert.
Die 1988 gegründete Formation gehört sicherlich zu den wichtigsten Alternative-Acts der 1990er-Jahre. Mit Alben wie “Siamese Dream” oder dem größenwahnsinnigen Doppelschlag “Mellon Collie and the Infinite Sadness” bot man den Soundtrack für die MTV-Generation: Wütende Gitarrenriffs trafen auf treibendes Drumming und einen Sänger, der den Schwermut eines jeden Jugendlichen dieser Welt zu schultern schien. Mit der Zeit aber nutzte sich nicht nur der Klang, sondern auch das Bandgefüge immer mehr ab.
In den vergangenen 20 Jahren waren es somit eher angefangene Projekte Corgans, die für (kleine) musikalische Schlagzeilen sorgten, wobei er die meist groß angelegten Vorhaben nur selten auch bis zum Ende durchgezogen hat. Macht aber nichts. Zuletzt gab es dafür mit “Atum” wieder eine dreiteilige “Rock Opera”, die sich weit über zwei Stunden zieht und mit einigen Songs auch Eingang in die Konzertsetlist fand. Und es gibt sicherlich schlechtere Livemomente als die massiv runtergeholzten “Empires” oder “Beguiled”.
Aber eigentlich war das dann doch etwas nebensächlich. Schon das früh gesetzte Highlight “Today” mit seiner Mischung aus zarter Melancholie und zupackendem Gestus ließ die Fans frohlocken, und wer den Tourtitel “The World is a Vampire” liest, weiß natürlich sofort, dass Corgan und Co es ungeachtet anders lautender Ankündigungen auf ein Best-of ihrer Karriere abgesehen haben. Immerhin lautet so die erste Zeile von “Bullet With Butterfly Wings”, das ziemlich genau zur Halbzeit sogar einige kleine Moshpits in den dicht gedrängten vorderen Reihen entstehen ließ. Corgan ist und bleibt eben ein Freund des gepflegten Riffs, zu dem sich die Faust recken und das Haupthaar schütteln lässt.
Gleichzeitig hat der heute 57-Jährige in der Frühphase seiner Karriere einige unwiderstehliche Melodien aus dem Ärmel geschüttelt, vom träumerischen “Tonight Tonight” über die Coming-of-Age-Blaupause “1979” bis zum wunderbaren “Disarm”, die alle aus sämtlichen Kehlen geschmettert wurden. An Corgans Seite gab es mit James Iha (Gitarre) und Jimmy Chamberlin (Schlagzeug) zwei weitere Gründungsmitglieder in bestechender Form zu erleben, während die restliche Livebesetzung – Bassist Jack Bates, Sängerin Katie Cole sowie die neue, durch einen Castingaufruf gefundene Gitarristin Kiki Wong – mit Dienst nach Vorschrift keine Wünsche offen ließ.
In Sachen Show setzten die Pumpkins auf einige wenige Lichteffekte, die nur ab und zu ins wirklich Farbenprächtige zielten. Wirklich strahlen mussten sowieso nur die Songs, selbst wenn die ersten 15 Minuten des Konzerts noch ein bisschen nach Abtasten klangen und nicht nur der anfangs überbordende Drumsound ein schreckliches U2-Cover (“Zoo Station”) zur Tortur machte. Es sei ihnen verziehen, besonders angesichts der Spielfreude aller Beteiligten. Nicht selten wurden im weiteren Verlauf die Gitarren gekreuzt und etwa das mächtige “Gossamer” zu einem fast zehnminütigen Jam ausgebaut.
Zwischendurch gab es ein paar spärlich gesäte Publikumsinteraktionen, die schon mal in albernem Gekicher zwischen Iha und Corgan endeten. Der gern als griesgrämig verschriene Großmeister präsentierte sich ohnedies von der handzahmen Seite, wagte beim massiven “Ava Adore” ein Tänzchen am Bühnenrand und ließ sich immer wieder für seine Soli feiern. Seine nasale Stimme hat sowieso nichts an Reiz und Wiedererkennungswert verloren. Entweder man liebt sie, oder man hasst sie. Vor Ort war definitiv Ersteres der Fall.
Am Ende durfte man sich über einen gelungen Nostalgietrip freuen. Nicht nur Kinder der 90er wurden von den Smashing Pumpkins abgeholt, in dieser Form hat die Band auch heute noch ihre Berechtigung. Und wer zudem die düstere Postpunkband Interpol als Anheizer mit auf Tour nimmt – Paul Banks und Konsorten wussten mit ihrer stoischen Manier eine Stunde lang zu überzeugen -, der hat sowieso schon gewonnen. Einzig ein wirklich solides, nicht ausfransendes und sich aufs Wesentliche besinnende Album, das darf man sich von Corgan noch wünschen. Aber wer weiß: Vielleicht spornt den großen Kürbiskopf die Liveenergie für eine fruchtbare Schreibsession an. Die Hoffnung stirbt zuletzt.
(Von Christoph Griessner/APA)
(S E R V I C E – https://smashingpumpkins.com)