Von: apa
Man muss sich Toxische Pommes als glücklichen Menschen vorstellen. Bekanntgeworden mit bissig-entlarvenden Satire-Kurzvideos auf TikTok, hat sie 2022 mit ihrem Bühnendebüt “Ketchup, Mayo & Ajvar” auch analog reüssiert. Im Vorjahr feierte sie mit ihrem Roman “Ein schönes Ausländerkind” Erfolge. Warum also ist diese Frau “Wunschlos unglücklich”, wie das neue Programm insinuiert? Den Grund für ihren Kummer verriet Toxische Pommes bei der Premiere am Montagabend in Wien.
Linke Aktivistin fühlt sich als Klassenverräterin
Es ist nämlich so: Die Künstlerin bzw. ihre in ein Windows-95-Retroshirt und eine schwarze Jogginghose gekleidete Bühnenfigur hat eine Wohnung von ihrem verstorbenen Großvater, einst auf der Payroll der “Goebbels GmbH – die Namensgleichheit ist Zufall”, geerbt. Und die spielt alle Stückln: Innenstadtlage, 80 Quadratmeter, vier Meter hohe Altbauräume, Fischgrätenparkett, Blick in den begrünten Innenhof. Kein Anlass für Jammerei, möchte man meinen. Aber als linke Aktivistin, die gegen Bonzen, Besitz und Privilegien wettert? Da fühlt man sich schnell als Klassenverräterin.
Also stürzt die frisch gebackene Erbin inmitten von Umzugskartons, Aluleiter, Matratze und ein paar Ottakringer-Dosen in eine veritable Identitätskrise. Was wird der “sorgfältig kuratierte” queer-migrantische Freundeskreis von ihr halten? Wird ihr “Gspusi” Jonas, der sich seinen Hass auf die Reichen auf die Brust tätowieren hat lassen, noch ein Wort mit ihr wechseln? Sollen die in schäbigen Beisln geführten Diskussionen über Slavoj Žižek etwa umsonst gewesen sein? Und wird sie jemals wieder “mit der Gewissheit einschlafen, moralisch überlegen zu sein”?
Von der Online-Welt auf die Kabarettbühne
Toxische Pommes gehört mit Dr. Bohl oder Michael Bauer zu jener Newcomer-Generation heimischer Komikerinnen und Komiker, die sich vorrangig in der Hochphase der Coronapandemie online einen Namen gemacht haben und nun seit geraumer Zeit ihre Fans auch in die Spielstätten des Landes locken wollen. Im echten Leben heißt sie Irina (Nachname weiterhin geheim), hat kroatische Wurzeln, ist Mitte 30 und arbeitet im Brotberuf als Juristin.
Nach ihrem Bühnendebüt “Ketchup, Mayo & Ajvar”, das noch als szenische Lesung angelegt war, hat Toxische Pommes für den Nachfolger auf den Plakaten “ein komisches Theaterstück von einem Menschen, der nichts von Theater versteht, für Menschen, die nichts von Theater halten” angekündigt. Da erwartet man Schräges, vielleicht Experimentelles. In Summe kommt dieses Ein-Personen-Stück aber eigentlich recht solide, um nicht zu sagen konventionell gezimmert, daher: Eine monologisierende Figur (adressiert werden nicht die Zuschauer, sondern die Ameisen in der Wohnung), eine Rahmenhandlung, ein paar Requisiten, ein paar Soundeffekte. Das nimmt dem Premierenabend im Niedermair aber nichts von seiner vergnüglichen Schärfe, vielmehr lässt der Mangel an dramaturgischem Brimborium dem Inhalt den nötigen Raum.
Klischees werden mit lustvoller Bösartigkeit überhöht
Thematisch schließt die Satirikerin größtenteils dort an, wo sie schon mit ihren 15-sekündigen Social-Media-Clips zehntausende Follower hinter sich versammeln konnte. Mit lustvoller Bösartigkeit werden Klischees gnadenlos überhöht, Heuchelei und Verlogenheit entlarvt, wobei vor allem die Linken ihr Pommes-Fett abbekommen. Denn die erbschaftsbedingte Sinnkrise führt bald zur unbarmherzigen Abrechnung mit der Arroganz und Besserwisserei der eigenen Bubble. Schließlich hinterlassen die Linken mit ihren Naturweinen, Sauerteigbroten und Cafe-Bars im Minimal Design überall “eine Spur der Verwüstung”. Sie sind für leistbares Wohnen und sorgen durch Gentrifizierung für teure Mieten. Sie sind gegen Rassisten und wohnen in Bezirken mit verschwindend geringem Ausländeranteil. Auch sie würden Kriege führen, aber die Städte, die sie bombardieren, richtig in der Landessprache aussprechen.
Toxische Pommes will keine schnellen Lacher einsammeln. Statt dicht getakteten One-Linern setzt sie auf pointierte Analyse. Auch wenn der Abend mit 90 Minuten vielleicht eine Spur zu lang geraten ist, wunschlos unglücklich ist man danach keinesfalls. Am Ende, nachdem auch die Vorstellung eines Lebens als “ÖVP-Rechte” nicht so richtig prickelnd klingt, findet die Neo-Kapitalistin dann doch noch zu einer Art Wertematrix. Sie könnte ihren Reichtum ja im Sinn der guten Sache einsetzen. Das Beste aus beiden Welten quasi. Denn: “Man braucht Bonzen im Kampf gegen Bonzen. Die Revolution muss man sich erst einmal leisten können.” Selbstgerechtigkeit hingegen ist kostenlos.
(Von Thomas Rieder/APA)
(S E R V I C E – “Wunschlos unglücklich” von und mit Toxische Pommes. Weitere Termine: 5.5., 12.5. (Kabarett Niedermair), 13.5., 25.5., 1.6., 8.6. (Stadtsaal Wien), 2.6., 15.6. (Orpheum Wien), 8.7. (Teil der Sommer-Kabarettreihe “Intermezzo” in der Wiener Staatsoper), Toxische Pommes auf TikTok: https://go.apa.at/1P97tNCo)
Aktuell sind 1 Kommentare vorhanden
Kommentare anzeigen