Von: Ivd
Zürich – Können Magic Mushrooms tatsächlich bei Depressionen helfen? Dieser Frage widmeten sich mehrere Forschungsteams auf der ganzen Welt und kamen alle zu dem gleichen Ergebnis: Ja, können sie! Der Stoff Psilocybin kommt in einer Gruppe von Pilzen vor und stammt somit direkt aus der Natur. Er soll dabei helfen, alte Denkmuster aufzubrechen, und wird besonders bei therapieresistenten Patienten angewendet.
Die Psychiatrische Universitätsklinik Zürich ist eine der ersten Uni-Kliniken der Welt, die die klinische Behandlung mit dem Zaubermittel anbietet. Seit Sommer 2023 wird die neuartige Therapieform bei Erwachsenen mit schwer zu behandelnden Depressionen angewendet. Der Schritt ist das Ergebnis jahrelanger Forschung, die vielversprechende Ergebnisse hervorgebracht hat. Studien zeigen, dass Psilocybin die Stimmung von Betroffenen verbessern und festgefahrene Denkmuster aufbrechen kann.
Durchbruch bei therapieresistenten Depressionen
Depression ist die häufigste psychische Erkrankung weltweit und etwa 30 bis 40 Prozent der Betroffenen gelten als therapieresistent. Das bedeutet, sie reagieren nicht auf herkömmliche Antidepressiva oder andere pharmakologische Ansätze. Für diese Patienten bieten alternative Behandlungsmethoden mit psychoaktiven Substanzen wie Psilocybin, dem Pferdebetäubungsmittel Ketamin, der Partydroge MDMA oder LSD ein Licht am Ende des Tunnels. Der Vorteil an Psilocybin ist, es kommt als einziges in der Natur vor.
In einer 2023 durchgeführten Studie an der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich, veröffentlicht in der Fachzeitschrift „The Lancet“, zeigte sich, dass mehr als die Hälfte der teilnehmenden Patienten nach einer Psilocybin-Therapie keine depressiven Symptome mehr hatten. Unter ihnen waren auch Patienten, die als therapieresistent galten.
Von der Forschung in die Klinik
„Psilocybin kann das Denken durcheinanderwirbeln, ähnlich wie eine Schneekugel, die man schüttelt – die Partikel landen plötzlich ganz woanders“, erläutert Dr. Andrea Jungaberle von der MIND-Foundation. Es soll dem Patienten dabei helfen, alte Denkmuster aufzubrechen und auf neue Ideen zu kommen. Die Erfahrungen mit der Substanz werden oft als augenöffnend beschrieben, Patienten sprechen auch von emotionaler Offenheit. Man bekommt Antworten auf Fragen, die man sich gegebenenfalls nüchtern nicht getraut hätte zu stellen. Diese Erfahrungen können schmerzhaft sein, sind aber meistens essenziell, um Denkprozesse in Gang zu setzen.
Wichtig für den Erfolg der Behandlung sei die intensive therapeutische Begleitung. In der Psilocybin-Therapie wird großen Wert auf eine sichere Umgebung und die Betreuung durch erfahrene Therapeutinnen und Therapeuten gelegt, um mögliche Ängste oder unangenehme Erlebnisse während der Erfahrung zu verarbeiten. Es wird daher davon abgeraten, selber in den Wald zu gehen und Pilze zu missbrauchen oder die Pilze selber zu kultivieren, da die Dosierung extrem schwierig ist und auch die ärztliche Betreuung entfällt. Der Konsum ist dazu in den meisten europäischen Ländern illegal.
Azteken-Pilze
Psilocybin gehört zur Klasse der Psychedelika und kommt natürlich in einer Gruppe von psilocybinhaltigen Pilzen vor. Bereits 1000 bis 500 vor Christus haben die Schamanen einiger Stämme Mittel- und Südamerikas mit den Pilzen experimentiert. Der spanische Missionar und Ethnologe Bernardino de Sahagún ist der erste Europäer, der die Einnahme und die Wirkung der Pilze im 16. Jahrhundert anhand der Stämme beschreibt. Demnach haben sie die Pilze zu feierlichen Anlässen eingenommen und anschließend wild tanzend Visionen gehabt.
In Europa galt die Einnahme als heidnisch und bekämpfenswert, weshalb die Pilze lange als Mythos galten. Es wurde angenommen, dass der Teufel aus den Konsumenten spreche. Während der ganzen Zeit wurden die Mushrooms in Lateinamerika weiter als Mittel verwendet, um mit den Toten und Göttern Kontakt aufzunehmen oder als Heilritual. Anfang des 20. Jahrhunderts nahm die Forschung zu Magic Mushrooms dann auch im Westen langsam an Fahrt auf.
Renaissance der Psychedelika
Obwohl Psychedelika in den 1950-er und 1960-er Jahren intensiv erforscht und zu nicht-medizinischen Zwecken verwendet wurden, geriet die Forschung durch das Verbot dieser Substanzen ins Stocken. Erst seit den 2000-er Jahren erleben sie eine Renaissance und ihre Wirkung auf psychische Erkrankungen wird wieder verstärkt untersucht.
Neben Psilocybin setzt die Psychiatrische Universitätsklinik Zürich auch auf weitere innovative Therapien wie den Einsatz von Ketamin, Lachgas oder neuromodulatorische Behandlungen wie die transkranielle Magnetstimulation. Ziel ist es stets, neue Wege zu finden, um die Lebensqualität von Menschen mit therapieresistenten Depressionen zu verbessern.
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