Von: atav
Frauen sterben häufiger an Herzinfarkten als Männer – nicht, weil sie anfälliger wären, sondern weil Warnsignale bei ihnen oft übersehen oder falsch gedeutet werden. Das Problem beginnt bei der medizinischen Forschung, die sich über Jahrzehnte hinweg stark an männlichen Symptomen orientiert hat – ein Fehler mit schwerwiegenden Folgen.
Atypische Symptome
Während Männer bei einem Herzinfarkt oft stechende Brustschmerzen verspüren, berichten viele Frauen über ganz andere Beschwerden: Atemnot, Übelkeit, Rückenschmerzen, kalten Schweiß, Oberbauchdruck oder starke Erschöpfung. Diese Symptome werden häufig verharmlost – nicht nur von den Betroffenen selbst, sondern auch im medizinischen Umfeld. Eine Analyse der Yale University (2016) zeigt: Frauen, die mit Herzinfarkt-Symptomen in die Notaufnahme kommen, erhalten seltener EKGs oder werden nicht sofort weiter behandelt. Laut der American Heart Association (2021) nehmen Ärzte Frauen mit unspezifischen Beschwerden oft weniger ernst, insbesondere wenn sie jünger sind oder keine „klassischen“ Risikofaktoren wie Rauchen oder Übergewicht aufweisen.
Der Mann als Standard
Ein grundlegendes Problem ist die jahrzehntelange Unterrepräsentation von Frauen in der medizinischen Forschung. Noch 2020 betonte die Weltgesundheitsorganisation (WHO), dass in weniger als einem Drittel aller kardiologischen Studien ausreichend Daten von Frauen einbezogen wurden. Medikamente, Diagnosekriterien und Therapieempfehlungen basieren daher oft auf männlichen Normwerten – obwohl sich die Symptome, Krankheitsverläufe und sogar die Wirkung von Medikamenten bei Frauen teilweise deutlich unterscheiden.
Es bewegt sich etwas – aber noch zu langsam
Kampagnen wie „Go Red for Women“, Aufklärung in sozialen Medien und neue Leitlinien für geschlechtersensible Medizin bringen das Thema zunehmend in die Öffentlichkeit. In einigen Kliniken gibt es mittlerweile spezielle Programme zur weiblichen Herzgesundheit. Auch in der medizinischen Ausbildung findet ein Umdenken statt – jedoch langsam und regional sehr unterschiedlich. Nichtsdestotrotz ist die geschlechtersensible Forschung und mehr Aufmerksamkeit ein Schritt in die richtige Richtung.
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