Von: apa
Die Europäische Weltraumorganisation ESA hat erstmals einen Datenkatalog und drei Ausschnitte der geplanten größten und genauesten 3D-Karte des Universums veröffentlicht, die mit Hilfe des 2023 gestarteten ESA-Weltraumteleskops “Euclid” angefertigt werden soll. Sie ermöglichen tiefe Einblicke ins Universum. Die Auswertung der Aufnahmen hat unter anderem zur Entdeckung tausender Zwerggalaxien durch ein Innsbrucker Forscherteam geführt.
Laut Valeria Pettorino, die bei der ESA zu “Euclid” arbeitet, wird zwar nur eine Woche der Beobachtungen publiziert, dies sind aber etwa 35 Terabyte Daten – “das Äquivalent von 200 Tagen Videostreaming mit höchster Qualität”. Im kommenden Jahr wolle man die gesammelten Beobachtungsdaten eines Jahres publizieren.
Neben dem ersten Datenkatalog stellt die ESA drei Bilder mit vergrößerten Ansichten von drei besonders genau beobachteten Bereichen – sogenannten Tiefenfeldern – zur Verfügung, die zusammen eine Fläche von 63 Quadratgrad des Himmels umfassen. Das entspricht den Angaben zufolge einer Fläche von mehr als dem 300-fachen des Vollmondes. Insgesamt soll “Euclid” ein Drittel des Himmels – 14.000 Quadratgrad – fotografieren. Herzstück ist ein hochauflösendes Teleskop, das mit zwei Kameras ausgestattet ist – eine für den sichtbaren Wellenlängenbereich und eine für den Nah-Infrarotbereich.
Offene Fragen zur Entstehung von Galaxien
Das volle Potenzial von “Euclid” werde zwar erst erreicht, wenn die gesamte sogenannte “Durchmusterung” abgeschlossen ist. Mit diesen drei Bildern erschließe man aber eine erste Datenquelle, die Wissenschafter nutzen könnten, um viele offene Fragen der Astronomie, etwa zur Entstehung von Galaxien, zu beantworten, so die ESA. Ziel der Mission ist es, eine möglichst detailgetreue 3D-Karte des Universums zu erstellen und Milliarden von Galaxien in bis zu zehn Milliarden Lichtjahren Entfernung zu beobachten.
Die Datenveröffentlichung enthält die erste Klassifizierung von mehr als 380.000 Galaxien. Erreicht wurde das auch durch den Rückgriff auf Künstliche Intelligenz (KI) und Citizen Science. Das sei notwendig, weil “Euclid” über einen Zeitraum von sechs Jahren Bilder von mehr als 1,5 Milliarden Galaxien aufnehmen soll und täglich etwa 100 GB an Daten zurücksende. Hier spiele die Weiterentwicklung von Algorithmen eine entscheidende Rolle. Im Rahmen der “Galaxy Zoo”-Initiative hätten knapp 10.000 “Citizen Scientists” den KI-Algorithmus “Zoobot” hinsichtlich der Klassifikation von unzähligen noch zu findenden Galaxien trainiert.
Aus den Daten wurden zudem etwa 500 mögliche Gravitationslinsen herausgearbeitet. Beim Gravitationslinseneffekt sorgt die Masse eines Haufens dafür, dass das Licht von Galaxien, die von uns aus gesehen dahinter liegen, verzerrt wird. So bilden sich riesige gekrümmte Bögen am Himmel. Starke Gravitationslinsen können theoretisch Aufschluss darüber geben, wie schnell sich das Universum ausdehnt.
Innsbrucker Forscherteam beteiligt
Die rund 2.000 Wissenschafterinnen und Wissenschafter aus 15 Ländern, die die Missionsdaten auswerten, hoffen mithilfe des Instruments mehr Anhaltspunkte zu finden, wie sich das Universum nach dem Urknall ausgedehnt hat, wie sich die Strukturen im Universum entwickelt haben und was hinter der bisher unerforschten Dunklen Materie und Dunklen Energie, die zusammen einen extrem großen Anteil am Universum bilden, steckt. Daran beteiligt sind auch die Forschungsteams von Francine Marleau und Tim Schrabback von der Universität Innsbruck.
Unter der Leitung der Tiroler Wissenschafter um Marleau wurden laut einer Aussendung auf Basis der Euclid-Aufnahmen 2.674 Zwerggalaxien identifiziert, charakterisiert und in einem Katalog erfasst. Zahl und Verteilung der Zwerggalaxien gelten demnach als wichtige Referenzwerte dafür, ob die kosmologischen Modelle die Gesetze des Universums richtig abbilden. Die neue Studie ermögliche Einblicke in die Gestalt der Galaxien, die Entfernung von der Erde, ihre Sonnenmasse und die Umweltbedingungen dieser Zwerggalaxien.
Es seien die ersten Schritte des ersten Teils der Erhebung, so Marleau unter Verweis auf die Abdeckung von 63 Quadratgrad. Man könne aber anhand dieses Datensatzes erstmals wissenschaftliche Arbeiten überprüfen und das Potenzial von “Euclid” testen, Zwerggalaxien zu entdecken und zu identifizieren. Bisher sei das nur bei sehr nahen lokalen Gruppen von Galaxien möglich gewesen. “Mit Euclid können wir darüber hinausgehen und uns Galaxien ansehen, die weiter entfernt sind”, erklärte Marleau gegenüber der APA.
(S E R V I C E – Euclid-Website: https://www.esa.int/euclid)
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