Malaria zur Zeit der Medici

Eurac Research forscht mit mumifiziertem Gewebe der Medici

Dienstag, 13. Juni 2023 | 07:19 Uhr

Von: luk

Bozen – In mumifiziertem Weichgewebe von Mitgliedern des Florentiner Fürstengeschlechts ist der Erreger der tödlichsten Form der Krankheit nachgewiesen worden. Im Italien der Renaissance war Malaria noch endemisch, und dass auch Familienmitglieder der Medici erkrankten, belegen historische Quellen: „Febbre terzana“ wurde die Krankheit damals genannt, wegen der regelmäßigen Fieberschübe im Abstand von zwei Tagen. In Weichgewebe aus Einbalsamierungsgefäßen aus der Basilica di San Lorenzo in Florenz hat ein Forschungsteam unter Leitung von Eurac Research nun mikroskopisch den Parasiten Plasmodium falciparum nachgewiesen, den Erreger der gefährlichen Malaria tropica.

Die Studie, an der Forschungseinrichtungen aus Europa, den USA und Korea beteiligt waren, ist in der Juni-Ausgabe der Zeitschrift „Emerging Infectious Diseases“ erschienen. Das mächtige Fürstengeschlecht begrub seine Toten nach einem besonderen Ritual: Bei der Einbalsamierung wurden die Eingeweide entnommen und in große Terrakottagefäße (orci) gegeben, die man gemeinsam mit den Särgen in der Basilica di San Lorenzo in Florenz beisetzte. Neun dieser wappenverzierten orci , zwei davon namentlich beschriftet, durften Forscher 2010 beproben; mit langen Pinzetten holten sie vom Boden herauf, was auf den ersten Blick „eher nichtssagendes Material“ ist, wie der Anthropologe Albert Zink sagt, der die Untersuchung leitete: „Das könnten auch Stofffetzen sein, ist aber mumifiziertes Gewebe unbekannten Ursprungs. Unser erstes Interesse war also herauszufinden: Was sehen wir da? Ist da noch Organstruktur zu erkennen? Kann man vielleicht sogar sagen, von welchem Organ?“ Insgesamt 24 Proben entnahmen die Forscher, die sie anschließend mikroskopischen und molekularen Analysen unterzogen.

Die molekularen Untersuchungen führten nicht weiter: Das Material war zu degradiert, mehrmals hatte der Arno seit der Medici-Zeit Florenz überschwemmt, starke Temperaturschwankungen taten ein Übriges, sodass „Proteine oder DNA fast nicht mehr vorhanden sind“, erklärt der Mikrobiologe und Erstautor Frank Maixner. „Dafür war aber die mikroskopische Struktur sehr spannend.“ In dünnen Gewebeschnitten wurde ein mögliches Blutgefäß sichtbar, das Ansammlungen roter Blutkörperchen enthielt. Als man daraufhin eine besondere Färbemethode anwandte, die sogenannte Giemsa-Färbung, lieferte sie Hinweise auf einen Parasiten im Inneren dieser Blutkörperchen. Das war „ein überraschender Befund“ (Maixner), aber er war nicht eindeutig: Bei den Parasiten konnte es sich um Plasmodien handeln, aber auch um andere Krankheitserreger, die Babesien.

Man setzte eine noch genauere Technik ein, Rasterkraft-Mikroskopie: Dabei werden Oberflächen mit einer nanoskopisch feinen Nadel abgetastet und damit auch winzigste Höhenunterschiede und dreidimensionale Strukturen sichtbar gemacht. Und tatsächlich waren die typischen ringförmigen Strukturen zu erkennen, die eines der Entwicklungsstadien der Plasmodienparasiten kennzeichnen – allerdings auch von Babesien gebildet werden können. Sicherheit brachte schließlich die immunhistochemische Methode, die das Detektieren von Antigenen in Gewebeschnitten ermöglicht. Eindeutig konnte damit der Parasit bestimmt werden: Plasmodium falciparum, der Erreger der tödlichsten Form von Malaria, Malaria tropica, die vor allem in der Äquatorregion vorkommt. In vielen der untersuchten Blutkörperchen konnten Parasiten detektiert werden. Innerhalb der einzelnen Blutkörperchen waren zudem typische Membranstrukturen zu erkennen, die im Laufe der Infektion vom Erreger Plasmodium falciparum selbst gebildet werden. „Diese sogenannten Maurer‘schen Spalten sind Zellorganellen, die wichtig für die Interaktion zwischen dem Wirt und dem Parasiten sind. Sie sind unter anderem am Transport von Parasitenproteinen beteiligt und können somit den Krankheitsverlauf maßgeblich beeinflussen“, erklärt die Malariaforscherin und Mitautorin Nicole Kilian von der Universität Heidelberg/Universitätsklinikum Heidelberg.

In einer weiteren Analyse untersuchten die Wissenschaftler die Zuckerstrukturen auf der Oberfläche der Blutkörperchen, die entscheidend die Blutgruppe beeinflussen: Das infizierte Familienmitglied hatte die Blutgruppe B; Menschen dieser Blutgruppe sind weniger resistent gegen Malaria. Welcher oder welche Medici es war, ist allerdings nicht mehr herauszufinden: Das Terrakottagefäß, aus dem die Probe stammt, trägt keinen Namen.

Bezirk: Bozen