Von: mk
Brixen – Die Wissenschaft hat lange Zeit die Auffassung vertreten, dass menschliche Liebesbeziehungen vor allem durch Oxytocin gesteuert werden – ein Hormon, das unser Gehirn ausschüttet. Eine Gruppe von Forschern aus Stanford und der Universität von Kalifornien haben dies nun widerlegt und auch Demis Basso, ordentlicher Professor für kognitive und allgemeine Psychologie an der Universität in Brixen bestätigt: Liebe ist ein Gefühl, das mit der Kultur verbunden ist und von uns konstruiert wird.
Die Studie, die vom US-amerikanischen Magazin Neuron publiziert wurde, räumt mit einem wissenschaftlichen Mythos auf: Liebe lässt sich demnach nicht auf ein Hormon reduzieren, sondern ist Teil eines komplexen biologischen Programms.
Den Forschern zufolge ist die Bildung starker emotionaler Bindungen zwischen Personen in einer soliden Beziehung und die darauffolgende Entwicklung des elterlichen Instinkts ein entscheidendes Verhaltensmuster, das zum Überleben der menschlichen Spezies und auch von Säugetieren beiträgt. All das nur an ein biochemisches Element zu koppeln, wäre für die Natur wohl ein zu großes Risiko.
Oxytocin ist ein Neuropeptid, das im Hypothalamus produziert wird. Das Hormon soll beim Geburtsprozess unter anderem die Gebärmutter dazu bringen, sich zusammenzuziehen und damit die Wehen auszulösen. Zudem stimuliert es die Brustdrüsen zur Abgabe von Milch. Gleichzeitig beeinflusst Oxytocin das Verhalten zwischen Mutter und Kind sowie zwischen Geschlechtspartnern. Trotzdem hat die Forschung nach 30 Jahren nun seine Bedeutung in intimen Beziehungen deutlich heruntergeschraubt, berichtet die italienische Tageszeitung Alto Adige.
Stattdessen wird klar: Der Mechanismus für den Rezeptor von Oxytocin ist zwar Bestandteil zwischenmenschlicher Liebesbeziehungen, doch noch lange nicht sein wichtigster. Der menschliche Faktor und der Gemeinschaftssinn nehmen stattdessen eine viel bedeutendere Rolle ein, als man bisher angenommen hat. Um eine stabile Beziehung zu führen und sich um die eigenen Kinder zu kümmern, reicht Oxytocin nicht aus.
„Das Hormon lässt sich im Köper feststellen, wenn eine Situation von Stressnachlass auftritt. Es handelt sich um die Chemie des Danach. Doch Liebe ist ein Gefühl und keine Emotion“, erklärt Basso laut dem Alto Adige-Bericht. Die Verliebtheit sei ein unmittelbares Phänomen. Liebe sei hingegen das Ergebnis der Beziehung. „Liebe kommt nicht von außen und dauert auch nicht ewig. Oder besser gesagt: Liebe ist ewig, solange sie andauert und solange sie von positiven Verhaltensmustern innerhalb der Beziehung gefüttert wird“, fügt Basso hinzu. Wenn man seinen eigenen Beitrag leistet, könne sie auch ein Leben lang anhalten. Ansonsten erschöpft sie sich, wie der Professor erklärt.
Um zu dieser Erkenntnis zu gelangen, haben die Forscher im Labor genetisch modifizierte Nagetiere gezüchtet, die über keinen Rezeptor für Oxytocin verfügen. Trotzdem haben die kleinen Säugetiere Paarverhalten an den Tag gelegt und Jungtiere großgezogen. Die Auffassung, die seit den 90-er Jahren existiert und der zufolge es das Hormon für eine monogame Bindung braucht, hat die Genforschung demnach mittels eines einfachen Beweises hinweggefegt.
Rein wissenschaftlich gesprochen, bleibt die Liebe damit wohl ein Geheimnis – zumindest vorerst.