Von: mk
Sex ist ein gutes Rezept, um eine Beziehung harmonischer zu machen und so die Gefahr von Untreue zu verringern. Doch immer mehr greifen auch in die chemische Trickkiste. Das Mittel, das im Internet als „liquid trust“ angepriesen wird, ist in einigen Ländern in der Apotheke auf Rezept erhältlich. Im Wesentlichen erhält der Spray das Hormon Oxytocin, auf das Wissenschaftler bei der Untersuchung von Prärie-Wühlmäusen stießen.
97 Prozent der Säugetiere wechseln zu jeder Paarungszeit den Partner, während sich nur drei Prozent lebenslang aneinander binden. Laut den Forschern ist dafür Oxytocin verantwortlich. Auch der menschliche Körper produziert es.
Dass Prärie-Wühlmäuse monogam leben, entdeckte der Säugetierforscher Lowell Getz und seine Kollegen in den 1970-er Jahren auf den Weiden von Illinois. Seither befassen sich dutzende Forschergruppen mit Oxytocin. Es wird unter anderem während und nach dem Sex ausgeschüttet.
Aus einer zweiten Beobachtung ergab sich, dass die nahen Verwandten der Prärie-Wühlmäuse, die Bergwühlmäuse, polygam leben. Sie haben weitaus weniger Oxytocin-Rezeptoren im Gehirn. Forschern gelang es, monogame Prärie-Wühlmäuse polygam umzupolen, indem sie Rezeptoren für Oxytocin im Hirn ausschalteten.
Die Liebesdroge
Handelt es sich also tatsächlich um das Liebesdroge schlechthin? Die Untersuchungen deuten zumindest in diese Richtung: Spritzten die Wissenschaftler weiblichen Tieren Oxytocin ins Hirn, bildeten sie engere Beziehungen zu ihrem Partner. Durch Kuscheln steigern die Wühlmäuse die Ausschüttung von Oxytocin und beruhigen so Artgenossen, die gerade eine schlechte Erfahrung gemacht haben.
Weibchen legten sich schneller auf einen Partner fest, wenn ihnen Oxytocin verabreicht wurde. Ein eng mit Oxytocin verwandtes Hormon, Vassopressin, wirkt eher bei männlichen Tieren: Gab man Männchen einen Stoff, der die Ausschüttung von Vasopressin unterbindet, gingen sie keine festen Beziehungen ein.
Nicht alle männlichen Wühlmäuse leben monogam. Obwohl die meisten mit dem Weibchen die Kinder aufziehen, vergnügen sich einige auch außerhalb des Nests mit anderen Weibchen. Diese Tiere haben andere Rezeptoren für Vasopressin als die treuen Männchen. Eine Erklärung für die starke Wirkung der beiden Hormone könnte darin liegen, dass die Rezeptoren sich im Gehirn in der Nähe des Sucht- und Belohungszentrums befinden.
Wissenschaftler warnen allerdings davor, Beobachtungen von Wühlmäusen „blind“ auf den Menschen zu übertragen. Oxytocin-Expertin Beate Ditzen, die als Psychologin und Paartherapeutin an der Universität Heidelberg forscht, betont: „Was Liebe, Bindung und Treue angeht, finde ich die Wühlmausforschung sehr schwer unmittelbar auf den Menschen übertragbar.“ Viele ihrer Kollegen sehen es ähnlich.
Dennoch sind Oxytocin-Forscher auf Tierversuche angewiesen. Versuche, bei denen bestimmte Neuronenstränge ausgeschaltet werden oder das Hormon direkt ins Hirn gespritzt wird, sind beim Menschen keinesfalls möglich. Deshalb lassen sich wissenschaftlich auch keine exakten Aussagen treffen. Unklar ist etwa, ob Männer und Frauen deutliche Unterschiede bei dem Hormon zeigen oder ob monogame Menschen eine höhere Oxytocin-Rezeptordichte haben als eher polygam veranlagte.
Ein Nasenspray für mehr Treue – unwahrscheinlich
Dass der Stoff auch beim Menschen wirkt, ist allerdings unumstritten. Ditzen hat etwa in einer Studie nachgewiesen, dass streitende Paare versöhnungsbereiter sind, wenn man ihnen Oxytocin als Nasenspray verabreicht. Andere fanden heraus, dass Männer ihre Partnerinnen attraktiver fanden, wenn sie zuvor Oxytocin bekommen hatten.
Trotzdem ist es alles andere als gesichert, ob Nasensprays mit Oxytocin automatisch mehr Treue und Harmonie in einer Beziehung garantieren. Der chaotische Alltag bietet zu viele Unsicherheitsfaktoren, die in einem Labor unter standardisierten Bedingungen nicht auftreten. Zudem ist völlig ungeklärt, wie das Hormon bei längerfristiger Einnahme wirkt.
Dass Oxytocin als Allheilmittel jeden sozialen Konflikt kitten kann, bezweifeln auch die Forscher. Eine Beziehung, die funktionieren soll, erfordert eben nicht nur Nasenspray, sondern vor allem persönliches Engagement von beiden Seiten.