Von: Ivd
Brixen – Mit dem Herbsteinbruch kehrt auch eine der beliebtesten Südtiroler Traditionen zurück: das Törggelen. Der Brauch ist fest mit der Weinernte und dem Genuss von jungen Weinen und Kastanien sowie verschiedenen Fleischvariationen und seit ein paar Jahren auch Fleischalternativen verknüpft. Doch während das Törggelen heute weit über die Grenzen der Region hinaus bekannt ist, bleibt der Streit um eine zentrale Frage: Wo liegt eigentlich der Ursprung?
Die Wurzeln des Törggelens – eine Spurensuche
Über den historischen Ursprung der Tradition gibt es mehrere Theorien: Der Begriff “Törggelen” leitet sich von der „Torggl“ oder “Torkel”, ab, eine bereits unter den Römern weit verbreitete Trauben- und Baumpresse. Diese war in den Kelterräumen der Bauernhöfe zu finden, wo die frisch geernteten Trauben verarbeitet wurden, darum wurden diese Räume ebenfalls als „Torggl“ bezeichnet. In geselliger Runde probierten Bauern und Weinhändler den jungen Wein, oft begleitet von einem herzhaften Mahl. Die geselligen Abende markierten traditionell das Ende der Weinernte – und sind somit der erste Erklärungsversuch des Ursprungs dessen, was heute unter Törggelen bekannt ist.
Besonders das südliche Eisacktal wird oft als das Ursprungsgebiet des Törggelens genannt. Doch gerade dort, wo der Brauch entstanden sein soll, wurde und wird vergleichsweise wenig Wein angebaut. Dies führte zu einer weiteren Ursprungstheorie: Es ist möglich, dass das Törggelen ursprünglich ein Dankeschön für die Bergbauern war, die ihre Weiden für das Vieh der Winzer zur Verfügung stellten. Möglich ist auch, dass es sich anfangs um eine Art Erntedankfest handelte, bei dem die Landwirte ihren Helfern nach der harten Arbeit einen Schmaus und neuen Wein servierten.
Klöster und Kastanien
Ein weiterer, oft übersehener Faktor in der Geschichte des Törggelens sind die Klöster, insbesondere jene der Benediktiner. Diese Klöster besaßen große Weinberge in Südtirol und brachten eine Tradition mit, die sich mit der regionalen Kastanienkultur verknüpfte. Kastanienbäume wurden seit der Römerzeit in der Region kultiviert, doch es waren die Mönche, die die Kombination von jungem Wein und gerösteten Kastanien in ihren Klosterküchen populär machten.
Gerade die Kastanien spielen auch heute noch eine zentrale Rolle beim Törggelen. Auf den Höfen, die dem traditionellen Törggelen verpflichtet sind, wird Wert daraufgelegt, dass die Kastanien aus Südtirol und am besten aus derselben Region stammen. Doch wie so oft bei Bräuchen hat auch das Törggelen im Laufe der Zeit viele Veränderungen durchlebt.
Kommerzialisierung und Rückbesinnung
In den letzten Jahrzehnten hat das Törggelen einen regelrechten Boom erlebt. Große Reiseveranstalter bieten Kurztrips zum Törggelen an. Besonders Busreisende aus Deutschland, Österreich und der Schweiz zieht es im Herbst nach Südtirol – sogar in vielen Gebiete, in denen weder Wein noch Kastanien heimisch sind. Diese kommerzielle Ausschlachtung hat den ursprünglichen Charakter des Brauchs in manchen Regionen fast verdrängt. Dennoch gibt es Initiativen, die das „echte“ Törggelen bewahren wollen.
So setzen sich der Südtiroler Bauernbund und der Verein „Roter Hahn“ dafür ein, dass das Törggelen wieder in seiner traditionellen Form zelebriert wird – auf ausgewählten Bauernhöfen, wo die Gäste authentische regionale Gerichte und den auf dem Hof produzierten Wein genießen können.
Andere Höfe bleiben der Tradition verbunden, wollen sich aber dem Zeitgeschehen nicht verschließen und bieten daher vegetarische und auch vegane Menüs an. Die Folge sind geräucherte Karotten statt Speck und Kaminwurzen und noch mehr Klöße und Teigwaren statt einer kräftigen Portion Surfleisch.
Ein Brauch im Wandel der Zeit
Ob als Dankeschön nach der Ernte, als Ausdruck eines Tauschhandels oder als fest verwurzelte Herbsttradition – das Törggelen hat viele Gesichter. Eines bleibt jedoch sicher: Der Brauch hat sich über Jahrhunderte bewährt und wird wohl auch in Zukunft ein fester Bestandteil der Südtiroler Kultur bleiben und sich stetig weiterentwickeln.
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