Von: luk
Bozen – Sie sind süß, schmackhaft und begehrt: Tausende Kastanienherzen werden in Südtirol von Mitte September bis in den Dezember hinein vernascht.
Dabei ist es schon 14 Jahre her, dass Ivo Moschen – der Erfinder der leckeren Süßspeise – sein letztes Kastanienherz in Bozen geformt hat. 56 von seinen 84 Jahren war er Konditor mit Leib und Seele. Mit Gaumen und Nase. Ein Menschenleben in der Backstube.
Als junger Konditorlehrling hat Moschen die kleine Köstlichkeit kreiert: 1948 wollte eine angesehene Bozner Familie nämlich zur einer Verlobungsfeier etwas ganz Besonderes zum Nachtisch kredenzen.
Im Café Maria in den Bozner Lauben, wo Ivo Moschen damals als Lehrling tätig war, versuchte man den Kunden zwar allerlei bewährte und schöne Süßwaren anzubieten. Doch es musste etwas ganz Besonderes her – etwas noch nie Dagewesenes.
Vom damaligen Konditormeister im Café erhielt der junge Moschen die scheinbar unlösbare Aufgabe und so machte er sich an die Arbeit.
Es war September und vor ihm auf dem Arbeitstisch war gerade der Kastanienreis aufbereitet.
Der Kastanienreis wurde damals für die Zubereitung der italienischen Kastaniensüßspeise „Castagnaccio“ verwendet. Als er die Zutaten vor sich liegen sah, das Schokoladebad und einen Sahnespritzsack, schoss es ihm wie ein Geistesblitz durch den Kopf: „Natürlich! Das war es!“, das Herz als Symbol für die Liebe. Und so tüftelte er den ganzen Tag bis spät in die Nacht, bis er die richtige Dosierung und den richtigen Geschmack gefunden hatte.
Die Kastanienherzen schlugen auf der Verlobungsfeier ein wie eine Granate. Das Paar kam anschließend höchstpersönlich vorbei und bedankte sich mit funkelnden Augen für die gelungene Überraschung.
Es gibt nur ein Original
Von da an feierte das Kastanienherz erst in Bozen und dann in Südtirol seinen Siegeszug. Weil der Erfolg umwerfend und die Nachfrage groß waren, fingen schon bald andere Konditoreien an, die Süßspeise zu kopieren.
Doch das Original gab es nur bei Ivo Moschen – erst im Cafè Maria und dann in seiner eigenen Konditorei in der Franziskanergasse. Dort begann im Jahr 1988 Klaus Scherer zu arbeiten.
Die Kastanienherzen standen dabei stets im Mittelpunkt: Mit Leib und Seele haben Moschen und Scherer gearbeitet, probiert, geformt, das Kochen der Kastanien überprüft, den Kalkgehalt des Wassers, die Temperatur der Lagerung kontrolliert, damit die Qualität der Kastanienherzen nicht zu überbieten war.
2002 hängte Ivo Moschen dann die Konditorschürze an den Nagel und Klaus Scherer eröffnete die Konditorei „Karin“ in der nahegelegenen Wangergasse. Bis heute führt er die Tradition des originalen Kastanienherzen weiter.
Kein großes, aber viele kleine Geheimnisse
Wie er im Gespräch mit Südtirol News sagt, gibt es kein großes Geheimnis, aber viele kleine und feine Unterschiede, die das Original von den „anderen“ unterscheidet. Er vergleicht die Produktion der mittlerweile traditionellen Süßspeise mit der Weinproduktion. „Es ist eine Gefühlssache, wann die Kastanien lange genug im Kochtopf waren, wie sich die Kastanienmasse anfühlen und wie sie aussehen muss.“ Viel hänge mit Timing und der richtigen Reihenfolge zusammen. Man erlange ein Gespür dafür und arbeite ohne konkretes Rezept, auch weil jede Kastanienlieferung eine andere Qualität aufweist, so Scherer.
Die Zutaten für ein schmackhaftes Kastanienherz sind natürlich kein Geheimnis. Die Kastanien werden erst gekocht, dann von einer Granitsteinwalze ausgebrochen, die Schalen heraugesiebt und mit Zucker – und einigen geheimen Zusätzen – zu einer feinen Masse geknetet. Nach der Formung per Hand folgen ein Bad in flüssiger Schokolade und die Veredelung mit Sahne sowie Kastanienreis. (In der Bildergalerie, wird dieser Prozess veranschaulicht.)
200 Herzen pro Tag
In der Konditorei von Klaus Scherer werden in der Hochsaison rund 200 Herzen pro Tag produziert.
Dafür werden rund 20 Kilogramm Kastanien verarbeitet. Die Herstellung in der Backstube dauert rund zwei bis drei Stunden. Dann kommen die Kastanienherzen in die Verkaufsvitrine.
Export ins Ausland als nächster Schritt
Konditor Klaus Scherer erzählt, wie das Kastanienherz erst in Bozen immer mehr Fans gewann und dann einen regelrechten Siegeszug im restlichen Südtirol vollzog. Hierzulande ist die feine Süßspeise mittlerweile wohlbekannt.
Der nächste Schritt sei der Auslandsexport, so der Konditor. Ihm schwebt dabei eine Teilfertigung der Kastanienherzen in Österreich und Deutschland vor. Dazu will er die Kastanienmasse in Südtirol herstellen und die restlichen Produktionsschritte im Ausland vollenden. Sobald Sahne dazu kommt, hält sich das Kastanienherz nur rund einen Tag, liefert Scherer die Begründung dazu.
Ein Traum wäre es, das Südtirol-Siegel für das „Südtiroler Kastanienherz“ zu erhalten, meinen Klaus Scherer und sein Sohn Martin.