Was ist dran an der Diskussion?

Kokosöl oder die Kunst, Aufmerksamkeit zu erzeugen

Montag, 17. September 2018 | 07:51 Uhr

Von: mk

Freiburg – Was ist eigentlich los mit dem Kokosöl? Viele haben damit gekocht und es gegessen, das Öl auf die Haut aufgetragen und sich den Mund damit ausgespült, bis plötzlich Artikel in Zeitungen und Online-Medien auftauchten, die davor warnten und sich im Prinzip auf eine Studie der American Heart Association (AHA) beriefen. Nach einem Vortrag von Prof. Dr. Dr. Karin Michels an der Uniklinik Freiburg lief die Diskussion endgültig außer Rand und Band. Mit ihrer provokanten These „Kokosöl ist das reine Gift“ wurde der Mittschnitt ihres Vortrages über 1,3 Millionen Mal geklickt und somit zu einem viralen Hit in den sozialen Netzwerken. Doch auch Wissenschaftler wollen diese Behauptung nicht so einfach stehen lassen.

Die AHA warnt vor gesättigten Fettsäuren als Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Kokosöl liege an der Spitze der ungesunden Fette, da es über 80 Prozent gesättigte Fettsäuren enthalte. Problematisch seien gesättigte Fettsäuren, weil sie im Verdacht stehen, das schädliche LDL-Cholesterin zu erhöhen und dadurch Herz und Gefäßen zu schaden.

In ihrem Vortrag erklärte Michels ebenfalls, dass gesättigte Fettsäuren Herzkranzgefäße verstopfen und zum „sicheren Herztod“ führen würden. Wissenschafts-Vloggerin Mai Thi Nguyen-Kim, die sich auf Youtube unter dem Pseudonym maiLab einen Namen gemacht hat, wird bei solch krassen Aussagen allerdings stutzig.

Wie sie erklärt, habe sie einige Quellen von Michels überprüft und herausgefunden, dass es dabei meist um die Problematik zwischen gesättigten und ungesättigten Fetten im Allgemeinen und seltener um Kokosöl im Speziellen geht.

Zu Kokosöl selbst stünden derzeit eher wenige Daten zur Verfügung, erklärt die gelernte Chemikerin. Doch die Informationen, die es gibt, würden dem Öl eine Güte bescheinigen, die man aufgrund des hohen Anteils an gesättigten Fettsäuren zunächst nicht vermuten möchte.

 

 

Generell warnt maiLab in der Kommunikation von wissenschaftlichen Inhalten vor „starken, undifferenzierten Statements“. Solche „red flags“, also „roten Flaggen“ würden häufig darauf hinweisen, dass die Quellen nicht seriös seien. Prof. Michels biete das an, was alle hören wollen: Service-Tipps und Handlungsempfehlungen. „Alle möchten wissen, wie sie sich wissenschaftlich korrekt am besten ernähren, und sie möchten einfache, klare Tipps“, meint maiLab.

Natürlich kritisiert auch die smarte Vloggerin den Hype um Kokosöl. „Es ist halt ein Fett. Wer da jetzt Vitamine oder sonst was sucht, sollte lieber in einen Apfel beißen“, meint sie. Grundsätzlich sollte ihrer Auffassung nach allerdings das Erzeugen von Aufmerksamkeit für wissenschaftliche Themen nicht auf Kosten der Korrektheit ablaufen.

Für die gewählte Formulierung hat sich Dr. Dr. Karin Michels inzwischen übrigens entschuldigt. Der Satz „Kokosöl ist das reine Gift“ sei pointiert und zugespitzt gewesen, heißt es in einer Stellungnahme. „Er fiel im Rahmen eines öffentlichen Vortrages für die allgemeine Bevölkerung. Er hat zu großen Diskussionen geführt. Frau Prof. Michels Absicht war nicht, Menschen zu verunsichern, sondern zu informieren. Für die unglückliche Wortwahl möchte sie sich an dieser Stelle entschuldigen“, ruderte das Freiburger Universitätsklinikum zurück.

Ernährungs- und Fitnesscoach Patric Heizmann zählt ebenfalls zu den Verteidigern von Kokosöl. „Natürlich sind Humanstudien eine sehr aufwändige und vor allem teure Sache. Wer will denn schon viel Geld in eine Kokosölstudie investieren? Pfizer? Rosch? Novartis? Lohnt sich ja gar nicht. Kokosöl kann man ja gar nicht patentieren lassen, um damit richtig Geld zu verdienen“, meint der Fitnesscoach. Allerdings würde Prof. Michels unterschlagen, dass es billigere Studien mit Tieren gibt, die deutlich zeigen würden: Denen tut das Kokosöl echt gut.

 

 

Demnach gibt es Forschungsergebnisse, die unter anderem einen positiven Effekt von Kokosöl bei chronischen Krankheiten, bei Alzheimer, Hyperlipidämie und bei oxidativem Stress untermauern.

Gleichzeitig betont Heizmann nachdrücklich, dass er nicht den gesamten Vortrag von Prof. Dr. Dr. Karin Michels schlecht finde. „Sie spricht mir bei vielen Mythen, die sie da abarbeitet, aus der Seele, wie etwa bei Superfoods, Kaffee, Eiern und dem bösen Cholesterin. Aber dann haut sie beim Kokosöl dermaßen daneben“, wettert der Fitnesscoach.

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Doch was bedeutet das für unseren Alltag? Wir können getrost weiter mit Kokosöl unser Zahnfleisch pflegen, unsere Haut nach Insektenstichen und Juckreiz damit einreiben – und natürlich auch kochen. „Gerade weil Kokosöl gesättigt ist, ist es sogar für das heiße Anbraten eine supersichere Sache, weil hier keine potentiell gesundheitsschädlichen Stoffe entstehen können“, erklärt Heizmann.

Zumindest eines scheint mittlerweile festzustehen: „Reines Gift“ ist Kokosöl mit Sicherheit nicht.