Von: bba
Hierzulande spricht man kaum sachlich vom Lehrerberuf und dem, was er einem abverlangt. Eine “Hau den Lukas”-Stimmung ist beobachtbar. Eine einst geschätzte und hochgeachtete Berufsgruppe wird von dem Gros der Bevölkerung – der Gesellschaft – mit Füßen getreten.
In anderen Ländern geht man offener mit der Realität des Lehrerberufs und den Problematiken in den Klassenzimmern um. In Südtirol sind wir noch nicht so weit.
Lehrer haben keineswegs vormittags recht und nachmittags frei:
Immer wieder hört man den haarsträubenden Spruch, Lehrer hätten vormittags recht und am Nachmittag frei. Doch die Realität sieht anders aus: Am Vormittag werden Lehrpersonen von den Schülern angezweifelt und in Frage gestellt und nachmittags von deren Eltern, die wegen Schulproblemen ihrer Zöglinge zum Gespräch geladen werden. Selbstverständlich nach dem Nachmittagsunterricht.
Jeder scheint Experte zu sein, wenn es darum geht, wie man unterrichten sollte. Wer würde es wagen, einem Arzt zu sagen, wie er operieren soll? Wer würde dem Architekten sagen, wie er ein Haus planen soll, wenn er selbst keine Ahnung davon hat? Über Lehrer scheint jeder bescheid zu wissen – ohne entsprechender Ausbildung sowie Arbeitserfahrung.
Lehrpersonen haben neben der regulären Unterrichtszeit noch so Einiges zu tun: Neben der Vorbereitung auf den Unterricht, gemeinsamen Planungen, Sitzungen, Kollegien, Elternabenden, Fortbildungen, Korrekturen, Nachbereitungen, Elterngesprächen, Gesprächen mit Schulpsychologen und Bürokratie, gibt es weitere Aufgaben, von denen Ahnungslose nichts wissen – und nichts wissen wollen.
Obwohl die letzte OCSE-Studie ergeben hat, dass für den schulischen Erfolg der familiäre Hintergrund zu 80 Prozent verantwortlich ist, schieben Eltern ihre wichtige Rolle für den Bildungserfolg ihrer Kinder zunehmend auf Lehrer ab.
In großen, zunehmend schwierigen Klassen mit 25 Schülern, hohem Lärmpegel, Schülern mit Migrationshintergrund, ADHS, Verhaltensauffälligkeiten, Auffassungsschwierigkeiten und einer unzureichenden Anzahl von Integrationslehrern, Erziehern und Sozialpädagogen, kann nur begrenzt etwas ausgerichtet werden. Lehrpersonen sehen sich immer mehr in der Rolle der Sozialarbeiter in den Klassen und der Unterrichtsstoff bleibt auf der Strecke. Ein permanenter Druck, Überbelastung und mangelnde gesellschaftliche Anerkennung lassen Lehrkräfte sehr anfällig für Burnout und Depression werden. Statistiken belegen dies eindeutig. Stellt man sich vor, wann das Pensionierungsalter ist, so können sich Lehrpersonen schon Mal warm anziehen.
Die zunehmende Respektlosigkeit, die Schülerinnen und Schüler gegenüber ihren Lehrpersonen zeigen, ist das Spiegelbild deren Eltern, die kundtun, Lehrer seien “faule Säcke”, die viel zu viel frei hätten.
Dass ein solcher Job ohne Regenerationsphasen nicht machbar ist, weiß jeder, der den Lehrerberuf ausübt. Auch Schülerinnen und Schüler würden es nicht schaffen. Das mussten vergangene Generationen auch nicht.
Doch Eltern, die ihre Kinder den ganzen Tag in der Schule verwahrt wissen, möchten das ganze Jahr über ohne Pausen eine Betreuung. Ja, Lehrer sollten betreuen und nicht mehr “nur” unterrichten. So hätten es viele gerne, doch Erziehung und Betreuung sind nicht auf die Kategorie der Lehrkräfte abzuwälzen. Mittlerweile sehen Schüler ihre Lehrer mehr Stunden am Tag als deren Eltern.
Natürlich gibt es auch Lehrkräfte mit Teilzeitvertrag. Die haben natürlich weniger direkte Stunden. Da ist das Gehalt natürlich kleiner als es eh schon ist.
Zudem hört der Lehrberuf nicht auf, wenn der Lehrer das Schulgebäude verlassen hat. Wer korrigiert, bereitet die Stunde vor et cetera? Das Mainzelmännchen?
In Deutschland geht man mit den Problematiken an Schulen offener um, macht kein Geheimnis daraus. Experten sprechen im TV regelmäßig über den idealisierten Beruf des Lehrers, brechen Tabus auf. Das Unsagbare wird ausgesprochen: Der Lehrerberuf ist harte Arbeit. Die meisten Lehrkräfte geben Tag für Tag mehr als Hundert Prozent und versuchen das Menschenmögliche. Trotzdem wissen sie, dass sie den Anforderungen nicht gerecht werden können, angesichts der komplexen Klassensituationen und Personalmangel. Es werden zu wenig Lehrer, Integrationslehrer, Erzieher, Sozialpädagogen et cetera eingesetzt, um das zu schaffen, was geschafft werden sollte: und dies zum Wohl der zukünftigen Generationen.
Unterstützung und Lob finden Lehrer eher schulintern – außerhalb gibt es durch die Bank weitgehend Lehrerdiskreditierung. Daher ist es Lehrpersonen angeraten, sich gegenseitig zu unterstützen. Denn es ist wie es ist: Alle glauben zu wissen, wie Fußball geht – auch jene mit Bierbauch auf der Zuschauertribüne. Genauso gibt jeder Ahnungslose seinen Senf zu Lehrern ab. Dies muss sich kaum eine Berufsgruppe gefallen lassen.
Die eine oder andere Lehrperson wird sich in Szenen der folgenden deutschen Dokureihe wiederfinden. So ganz anders läuft bei uns der Schulalltag nicht ab: