Von: luk
Bozen – Verzweifelte Patienten mit rätselhaften Beschwerden und seltsamen Symptomen – oft klärt sich erst nach jahrelanger Suche, welche Krankheit vorliegt, weil sie so selten ist.
Am 28. Februar 2023 ist der Internationale Tag der Seltenen Erkrankungen. Immer am letzten Tag im Februar richtet sich die Aufmerksamkeit auf die 300 Millionen Menschen, die weltweit mit einer chronischen seltenen Krankheit leben. Allein in Südtirol sind es 5.108 Patienten, die an insgesamt 735 verschiedenen seltenen Krankheiten leiden. Sie sind von Erkrankungen betroffen, von denen die meisten Menschen noch nie gehört haben. Etwa einer „Sarkoidose“, das ist eine entzündliche Erkrankung des gesamten Körpers. Oder „Alkaptonurie“, eine seltene Stoffwechsel-Störung, die zu schmerzhaften Gelenkschmerzen führt. Oder „Progerie“, eine Krankheit, die Kinder binnen weniger Jahre zu Greisen altern lässt, weltweit sind davon nur gut hundert Fälle bekannt.
Allen gemeinsam ist, dass die Krankheiten oft lange nicht richtig erkannt werden. So verstreicht wertvolle Zeit:
Das hat auch Karin*, eine 32-jährige junge Frau aus Bozen erlebt (*Name geändert). Schon als Kind hatte sie oft verschiedene Beschwerden mit der Blase, dazu kam immer wieder Juckreiz, aber erst vor wenigen Jahren wurde bei ihr die unheilbare Autoimmunerkrankung „Lichen Sclerosus“ festgestellt. „Bis dahin habe ich viele Fehldiagnosen und falsche Behandlungen erhalten“, erzählt Karin. Sie musste erst den Arzt finden, der die richtigen Untersuchungen anordnete, um schließlich herauszufinden was los war. „Jetzt habe ich endlich Gewissheit. Meine Krankheit ist zwar nicht heilbar, aber gut behandelbar“, sagt Karin. Hilfe und Rückhalt bekommt sie auch in einer 2021 gegründeten Selbsthilfegruppe von ebenfalls betroffenen Frauen.
Dieser langwierige, steinige Weg zur richtigen Diagnose ist typisch für viele Betroffene mit einer seltenen Krankheit. „Für die betroffenen Patienten ist es eine diagnostische Odyssee. Aber auch für die behandelnden Ärzte ist es ein diagnostisches Labyrinth. Die Suche ist meist wie ein Puzzle: eine mühsame, detektivische Jagd nach Indizien, Spuren und Beweisen“, erklärt Dr. Francesco Benedicenti, der Verantwortliche des Landeskoordinierungszentrums für seltene Krankheiten in Bozen.
In der Tat stellen vielfältige und uneindeutige Symptome der seltenen Krankheiten oft auch Spezialisten vor Rätsel. Die Erkrankungen sind oft so selten, dass selbst Mediziner sie nicht kennen können – gibt es doch weltweit ca. 8.000 verschiedene seltene Krankheiten und immer wieder kommen neue hinzu. Der genaue Blick und das aufmerksame Zuhören sind unerlässlich für die Diagnosefindung. Manchmal braucht es auch Hightech-Untersuchungen.
„Es ist jedoch wichtig, darauf hinzuweisen, dass die Latenzzeit zwischen dem Ausbruch der Krankheit und der korrekten Diagnose nicht immer als diagnostische Verzögerung angesehen werden sollte. Oft ist sie einfach eine Folge des natürlichen Krankheitsverlaufs“, erklärt Dr. Benedicenti: „Viele Krankheiten können in der Tat einen langsamen und eher subtilen Beginn haben. Hinzu kommt die Ähnlichkeit der Symptomatik vieler seltener Krankheiten mit der von häufigeren Krankheiten. Schließlich ist auch zu erwähnen, dass manche Menschen dazu neigen, sich nicht an die offiziellen Informations- und Beratungsstellen zu wenden, sondern sich auf Hörensagen oder die Konsultation von Internetseiten, der berühmte Dr. Google, zu verlassen, wo sie nicht selten irreführende oder gar falsche Informationen erhalten.“
Leben in Ungewissheit – Diagnose als Wendepunkt
Die Tatsache, dass man seiner Krankheit lange Zeit keinen Namen geben kann, zwingt die Betroffenen und ihre Familien zu einem Leben in Ungewissheit und Einsamkeit. Betroffene geraten oft regelrecht in einen Kreislauf der Verzweiflung, denn sie fühlen sich nicht ernst genommen, sie werden ausgegrenzt oder durch Fehldiagnosen falsch behandelt – mit oft entsprechenden Nebenwirkungen. Die Möglichkeit, eine Diagnose zu erhalten, kann der Wendepunkt sein, sowohl aus therapeutischer Sicht als auch um das emotionale Wohlbefinden der Person und ihrer Familienangehörigen zu gewährleisten. Die Behandlung, wenn überhaupt eine verfügbar ist, ist meist komplex, die Beratung und Therapie oft nur multiprofessionell und an wenigen Orten abzudecken.
Seit der Inbetriebnahme des Landesregisters für seltene Krankheiten im Jahr 2008 sind in Südtirol über 7.000 seltene Krankheiten registriert worden. Derzeit leben in der Provinz Bozen 5.108 Menschen mit einer seltenen Krankheit, was einer Prävalenz von etwa neun Fällen pro 1.000 Einwohner entspricht, und die Zahl der diagnostizierten seltenen Krankheiten beträgt 735* (*Daten des Landesregisters für seltene Krankheiten, Stand 31. Dezember 2022). „Obwohl es noch viel zu tun gibt, deuten diese Zahlen auf eine gute Diagnosefähigkeit hin. Wenn man schätzt, wie viele Fälle einer bestimmten Krankheit im Register erfasst sind, so ergeben sich für viele dieser Krankheiten Erfassungsraten von über 80 Prozent oder sogar über 90 Prozent, was darauf hindeutet, dass es insgesamt gelingt, Menschen mit diesen Krankheiten zufriedenstellend zu erfassen“, sagt Dr. Benedicenti.
Hilfe, Informationen, Selbsthilfegruppen und Anlaufstellen
Bei Verdacht auf eine seltene Krankheit, sollen Betroffene sich beim Landeskoordinierungszentrum für seltene Krankheiten melden: Tel. 0471 907109, seltenekrankheitenBZ@sabes.it.
Im Dachverband für Soziales und Gesundheit gibt es seit fünf Jahren eine Initiativgruppe und ein Internetportal für Seltene Krankheiten www.rare-bz.net. Dort werden Informationen und aktuelle Daten zu seltenen Krankheiten gesammelt, damit Betroffene, Angehörige und Fachkräfte sich besser vernetzen und austauschen können. Betroffene finden dort Hinweise auf Anlaufstellen und Selbsthilfegruppen, um mit ihrem Leben besser zurechtzukommen.