Von: mk
Bozen – Online wird anders geschrieben als offline, und wir alle schreiben und lesen immer mehr online: soweit die Realität. Doch wie wirkt sich das auf die Textqualität aus? Wirkt es sich aus? Und wie anders sind Online-Texte überhaupt? Nach welchen Kriterien ist ihre Qualität zu bewerten? Zu diesen Fragen gibt es bisher kaum empirisch gesichertes Wissen. In einem Gemeinschaftsprojekt mit der Universität Mannheim und dem Leibniz-Institut für Deutsche Sprache haben Linguisten von Eurac Research begonnen, diese Lücke zu füllen. Dabei zeigte sich unter anderem, dass die Netzkommunikation bislang in Schülertexten kaum Spuren hinterlässt.
Digitales Schreiben ist oft dialogisch, fast immer multimodal: Fotos, Videos, Links, Hashtags – die Kommunikation im Netz bedient sich vieler Mittel. Auch sind Normen, die offline gelten, oftmals außer Kraft gesetzt; an der Etablierung neuer versucht sich die spezifische Ratgeberliteratur. Die Sprachwissenschaft hat sich in den letzten Jahren zwar verstärkt auch mit Online-Texten beschäftigt und begonnen, die Wandelprozesse zu beschreiben, es fehlt jedoch noch eine umfassende empirisch fundierte Antwort auf die Frage, wie sich das Schreiben im Netz auf unsere Schriftsprache auswirkt. Ebenso wenig gibt es Modelle zur Bewertung von Textqualität, die die Besonderheiten digitaler Kommunikation berücksichtigen. „Bislang werden Texte im Netz meist anhand der Normen gemessen, die für traditionelle Texte gelten“, erklärt Andrea Abel, Leiterin des Instituts für Angewandte Sprachforschung von Eurac Research. „Damit legen wir jedoch an diese Texte ein Maßband an, das für sie schlicht nicht taugt. Schreiben im Netz ist interaktions-, nicht textorientiert, da gelten andere Regeln.“
Abel ist mit ihrem Kollegen Aivars Glaznieks der Frage nachgegangen, wie sich das häufige Schreiben kurzer, in Dialoge eingebundener Botschaften – die typische Form der Kommunikation in sozialen Medien – auf die Qualität von längeren, monologischen Texten auswirkt. Dabei konzentrierten die Forscher sich auf die Verwendung von Wörtern wie „denn“, „weil“, „sprich“, „zum Beispiel“ – sprachliche Mittel, die dazu dienen, einen inhaltlich zusammenhängenden und verständlichen Text herzustellen. Die Forscher verglichen den Einsatz dieser Mittel in Online-Texten wie Facebook-Posts und Wikipedia-Diskussionsbeiträgen und in Standardtexten wie Schulaufsätzen und Zeitungskommentaren. Das Ergebnis: Es gibt klare, den Eigenheiten des Mediums geschuldete Unterschiede, und keine Hinweise darauf, dass die Grenzen zwischen den Schreib-Welten verschwimmen. In Schultexten etwa fanden sich kaum Spuren typischer Online-Verwendungen: Während in Posts „weil ich bin müde“ durchaus geläufig ist, schreiben die Schüler in Aufsätzen immer noch „weil ich müde bin“.
Die Wissenschaftler wollen ihre Untersuchung nun auf andere Aspekte von Grammatik und Wortschatz ausdehnen, um zu einem immer umfassenderen und detaillierteren Bild von Sprache im digitalen Wandel zu gelangen. Besonders interessant, so Abel, sei dabei die Frage, wie sich die Online-Kommunikation langfristig auf Texte der Digital Natives auswirken wird, also jener Menschen, die mit dem Internet aufgewachsen sind.