Körperdysmorphe Störung nimmt bei Jugendlichen zu

“Snapchat Dysmorphia”: So aussehen wollen, wie das bearbeitete Selfie

Donnerstag, 23. August 2018 | 07:10 Uhr

Von: bba

Wir leben in einem Zeitalter des Narzissmus. Überall und jederzeit fotografieren wir uns selbst. Und nicht genug: Wir bearbeiten unsere Selfies.

Die Selfie-Filter haben einen neuen Trend in der Schönheitsmedizin hervorgebracht: “Snapchat Dysmorphia”.

“Snapchat Dysmorphia”: Was ist das?

Wir werden überhäuft mit perfekten Bildern. Egal, ob wir den TV einschalten, an Werbeplakaten vorbeigehen oder mit dem Handy im World Wide Web surfen: Überall sehen wir makellose Menschen. Menschen, die schon von Natur aus dem gängigen Idealbild sehr sehr nahe kommen und sehr hart an ihrem Körper arbeiten: Viel Training und in der Regel auch invasive Schönheitseingriffe.

Keiner fragt diese Personen danach, wie es ist, der Perfektion hinterherrennen zu “müssen”. Es ist dies ein nicht endendes Projekt.

Doch all das reicht immer noch nicht. Die Bilder dieser schönen Menschen werden zudem digital bearbeitet: Das Resultat sind gottesähnliche Erscheinungen: Zu schön, um wahr zu sein.

Auch “gewöhnliche” Menschen versuchen, den Vorstellungen von Schönheit näherzukommen. Sie bearbeiten ihre Selfies oder Ganzkörperfotos:

Kleine Fältchen? Weg damit! Muttermale? Weg damit. Zu viele Kilos? Weg damit. Augenringe? Weg damit.

Das Problem dabei: Die Bearbeitung der Selfies, gerade wie sie jüngere Menschen betreiben, kann zu Problemen mit der Selbstwahrnehmung des eigenen Körpers führen. Der Blick in den Spiegel zeigt die Wahrheit.

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Plastische Chirurgen beobachten in letzter Zeit einen besorgniserregenden Trend: Sie bekommen immer mehr Anfragen von Leuten, die ihren Körper ganz im Stil ihrer editierten Fotos auf Snapchat, Facetune, Instagram und dergleichen verändern lassen wollen.

Früher schlugen Patienten mit Bildern von Prominenten beim Schönheitschirurgen auf, fragten nach einem Po wie J. Lo. Nun kommen sie mit bearbeiteten Selfies.

Die Schummeleien der Apps sind das “Nachher”-Foto, an dem sich der Chirurg orientieren soll.

Dass dies nicht realisierbar ist, sondern ein Ding der Unmöglichkeit, wird ausgeblendet.

Invasive Methoden, sprich Eingriffe mit Skalpell & Co. und Spritzen, die unter die Haut gehen, scheuen die Betroffenen nicht.

Für die “Schönheit” ist kein Preis zu hoch: zu viel verspricht man sich von ihr.

Experten sprechen in diesem Zusammenhang von der sogenannten “Snapchat Dysmorphia” – der Körperschemastörung durch Social Media.

Dieser Trend der Unzufriedenheit mit der natürlichen Erscheinung wurde erstmals von Forschern der Boston University School of Medicine’s Department of Dermatology in einem Artikel beschrieben, der im Journal JAMA veröffentlicht wurde: Das Problem rührt von der Unzufriedenheit mit dem eigenen Spiegelbild her, wenn dieses mit den “gefilterten” Fotos verglichen wird.

Das Problem liegt darin, dass die Betroffenen mit ihrem Wunsch nach makellosem Aussehen beziehungsweise mit ihren unrealistischen Aufnahmen zum Schönheitschirurgen gehen und nach dem realitätsfernen Instagram-Vorbild verschönert werden möchten: Einem Fantasiebild.

Besonders Jugendliche und Menschen mit einer körperdysmorphen Störung laufen Gefahr, an der “Snapchat Dysmorhia” zu leiden:

Eine körperdysmorphe Störung (Body Dysmorphia) ist durch folgende Symptome gekennzeichnet:

-man befasst sich ständig mit dem eigenen Aussehen, über eine Stunde täglich
-man vergleicht sich stets mit anderen
-man betrachtet sich sehr oft im Spiegel oder meidet gänzlich den eigenen Anblick im Spiegel
-der Körper wird überpflegt, Make-up kommt exzessiv zum Einsatz
-Mitmenschen werden zum eigenen Aussehen befragt, um sich rückzuversichern
-Schönheitsoperationen, kosmetische Behandlungen werden oftmals beansprucht
-es besteht Angst vor Menschenansammlungen beziehungsweise der Öffentlichkeit
-Scham und Angst sind ständige Begleiter
-die Haut wird gekratzt, gezwickt, gezupft
-man bräunt sich intensiv
-Diäten und exzessiver Sport sind Alltag

Die Konsequenzen dieser psychischen Störung können verheerend sein; die Lebensqualität der Betroffenen ist stark eingeschränkt: So gesellen sich sozialer Rückzug, Drogenmissbrauch, Depressionen und Suizidgedanken häufig zu diesem Krankheitsbild.

Eines ist gewiss: Schönheitsoperationen lösen das zugrundeliegende Problem nicht. Dem gefilterten Selbst nachzueifern ist utopisch, das Altern gesellt sich irgendwann hinzu und ist nicht aufzuhalten.

Tipp: Eine Besserung des psychischen Problems ist durch Operationen nicht zu erreichen: Ganz im Gegenteil, Forschern zufolge verschlimmert sich die Störung eher. Rechtzeitige psychologische Interventionen wie eine Verhaltenstherapie sind zielführender.

Zudem sollte Jugendlichen das Werkzeug mitgegeben werden, um mit den unrealístischen Forderungen der Medien an die Schönheit, umgehen zu können.